In den 1960er-Jahren ist Walter Munz aus Arbon aufgebrochen, um in einem afrikanischen Spital die Nachfolge von «Dschungeldoktor» Albert Schweitzer anzutreten – vor wenigen Wochen, am 31. August, ist er 88-jährig verstorben. Albert Schweitzer ist weltberühmt. Doch wer war der Thurgauer Arzt, der die Tropenklinik weitergeführt hat? Im Oktober erscheint nun eine Biografie über den «Urwalddoktor» Walter Munz aus dem Thurgau.
Schon als Jugendlicher habe er davon geträumt, dem «grand docteur» in dessen Tropenspital in Lambarene im zentralafrikanischen Gabun zu helfen. In einer Sendung von Schweizer Radio SRF vor sieben Jahren hat Walter Munz davon erzählt, wie es war, als er das Inserat in der Ärztezeitung las: «Albert Schweitzer sucht für sein Spital in Lambarene einen Arzt - ledig und mit guten Französischkenntnissen.»
Sein Chefarzt im Spital Rorschach habe ihm dieses Inserat in die Hand gedrückt – mit der Notiz darauf: «An Pater Munz». Er sei im Spital eben als Menschenfreund und Seelentröster bekannt gewesen. Seine Liebe zu den Menschen sei ihm in Afrika bei seiner Arbeit in Zentralafrika zugutegekommen.
Das Leben und Schaffen dieses Mannes, der in die Fussstapfen von Albert Schweitzer getreten ist, hat es dem Medizinhistoriker Hines Mabika angetan.
Mabika, der an der Universität Bern arbeitet, stammt selber aus Gabun, wo das berühmte Tropenspital noch heute steht und als weltweit anerkanntes medizinisches Forschung- und Behandlungszentrum geführt wird. Er hat die erste Biografie über Walter Munz geschrieben.
Munz wollte sein Idol kennenlernen
Für den 27-jährigen Chirurgen Walter Munz am Spital Rorschach war schnell klar: Er wollte auf das Zeitungsinserat von Albert Schweitzer antworten und sein Idol kennenlernen. 1961 war es dann so weit.
In Lambarene traf Walter Munz schwierigste medizinische Bedingungen an. Er habe operiert und dabei Geschwüre entfernt, Infektionen und Unfallopfer behandelt, sagte Munz in einem Radiobeitag von 2014. Auch Leprakranke habe er verarztet. Nicht nur medizinisch hat Afrika das Leben des Thurgauers Walter Munz geprägt. Auch seine spätere Frau – eine holländische Hebamme – lernte er im Spital kennen.
Schweitzer wählte Munz zum Nachfolger
Nach knapp drei Jahren kehrte Munz 1965 in die Schweiz zurück, um eine Assistenzstelle anzutreten. Doch der Aufenthalt war von kurzer Dauer: Bald erhielt er einen Brief von Albert Schweitzer – er spüre, schrieb dieser, dass seine Zeit zu Ende gehe, und bat Munz, sein Nachfolger zu werden. Munz nahm an.
Diese Bescheidenheit behielt er bis an sein Lebensende.
«Ich denke, dass Albert Schweitzer Munz gewählt hatte, weil er dessen tiefe Liebe für die Menschen in Gabun spürte», sagt Mabika. So wurde Walter Munz 1965 medizinischer Leiter des Spitals. Ein halbes Jahr später starb Albert Schweitzer. Dass dieser ihn so kurz vor dem Tod zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, sei für Walter Munz nie ein Grund gewesen, überheblich zu werden, sagt sein Biograf Hines Mabika. Walter Munz sei ein bescheidener Mensch gewesen – bis an sein Lebensende.
Chefarzt und Diplomat in einer Person
Als Munz das Spital übernommen habe, sei die Situation schwierig gewesen, erzählt Mabika. Gebäude hätten saniert werden müssen, viele Mitarbeitende aus Europa hätten keine Lust mehr gehabt, ohne Albert Schweitzer weiterzumachen. Es habe damals nicht nur einen guten Chefarzt, sondern auch einen Diplomaten gebraucht.
1969 war dann die Zeit von Walter Munz als Chef des «Dschungelspitals» in Lambarene zu Ende. Zusammen mit seiner Frau, der holländischen Krankenschwester, kehrte er zurück in die Schweiz.