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Vor Start der Verhandlungen Stromabkommen mit der EU: Die Skepsis im Parlament ist gross

In wenigen Tagen will der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU über ein Stromabkommen offiziell starten. Schon jetzt bereitet sich der Ständerat auf ein mögliches Scheitern vor.

Der Bundesrat soll mit der EU Verhandlungen über ein Stromabkommen aufnehmen. Das verlangt die Mitte-Fraktion mit einem Vorstoss, den sie vor drei Jahren eingereicht hat. Beim Bundesrat rennt sie damit offene Türen ein, denn noch in diesem Monat möchte er den Startschuss zu Verhandlungen mit Brüssel geben – auch über das Dossier Strom.

Doch der Ständerat ist nicht überzeugt, dass diese ein Erfolg werden. Am Dienstagmorgen hat er diskussionslos beschlossen, den Text des Vorstosses mit dem Satz zu ergänzen, es seien «technische Vereinbarungen mit der EU» anzustreben, sofern keine politische Einigung erzielt werden könne.

Ständerat gleist Plan B auf

Daniel Fässler, Mitte-Ständerat aus dem Kanton Appenzell-Innerrhoden und Sprecher der Umweltkommission, begründet: «Es ist ungewiss, ob es zu einem Stromabkommen kommt, dem die Schweiz auch zustimmen kann. Deswegen ist es wichtig, dass auf der technischen Ebene ebenfalls Verhandlungen geführt werden.»

So solle die nationale Netzgesellschaft Swissgrid «mit aller Konsequenz» versuchen, mit ihren Partnern im europäischen Umfeld Vereinbarungen zu treffen, um die Stromflüsse kontrollieren zu können. «Denn sonst befindet sich die Schweiz im Blindflug», warnt Fässler.

Wir wollen ein Stromabkommen, also muss man nicht schon jetzt über einen Plan B sprechen. Den behält man in der Hinterhand.
Autor: Albert Rösti Energieminister

Der Ständerat gleist also bereits den Plan B auf für den Fall, dass Plan A – das Stromabkommen – scheitert. Er könne damit leben, sagt Energieminister Albert Rösti. Aber: «Wir wollen ein Stromabkommen, also muss man nicht schon jetzt über einen Plan B sprechen. Den behält man in der Hinterhand. Einen Plan B braucht es aber immer.»

«Planlose» Aktivitäten im Ständerat?

Nationalrat Jürg Grossen hingegen kann der Forderung des Ständerates nach Alternativen zum Stromabkommen wenig abgewinnen. Zwar sei alles, was eine Verbesserung der Beziehungen zur EU bringe, gut. Der Präsident der Grünliberalen bezweifelt aber, dass eine rein technische Vereinbarung mit der EU gelingen wird. «Sie will, dass man Netz, Produktion und Handel gemeinsam anschaut. Ich habe den Eindruck, dass diese Aktivitäten im Ständerat planlos sind und kaum von Erfolg gekrönt sein werden.»

Innenpolitischer Klärungsbedarf vor Abkommen mit EU

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Strommasten im Abendrot
Legende: Keystone/Jean-Christophe Bott

Ein Stromabkommen sei eine hohe Hürde, gibt Mitte-Ständerat Daniel Fässler zu bedenken. So fordere die EU die vollständige Liberalisierung des Strommarkts, also dass auch Kleinkunden in der Schweiz frei wählen können, bei welchem Anbieter sie den Strom beziehen wollen. Genau dies habe das Schweizer Parlament bisher abgelehnt, betont Fässler.

Für die Wirtschaftskommission des Nationalrats ist klar, dass diese Frage zuerst innenpolitisch geklärt werden muss, bevor ein Stromabkommen mit der EU abgeschlossen werden kann, wie deren Präsident Thomas Aeschi erklärt. Ein Abschluss der Verhandlungen noch in diesem Jahr, wie die EU dies wünscht, sei deshalb illusorisch: «Man kann nicht mit der EU eine Strommarktliberalisierung vertraglich vereinbaren, ohne gleichzeitig eine innerstaatliche Umsetzung zu haben. Sonst hat man ein Abkommen mit der EU ohne ein Gesetz – etwa, weil es in einer Referendumsabstimmung gescheitert ist», so der Fraktionschef der SVP.

Der Bundesrat tue gut daran, das alles zusammen dem Volk vorzulegen, wie dies laut Unterhändler Patric Franzen auch geplant sei. «Dass die Umsetzungsgesetzgebung bis Ende Jahr steht, ist in meinen Augen ein Ding der Unmöglichkeit», schliesst Aeschi.

Hohe Hürden für Verhandlungen sind für Energieminister Rösti kein Problem. Am Anfang von Verhandlungen brauche es das, sagt er: «Dann muss alles dargelegt werden, was die Schweiz will. Wie bei jeder Verhandlung kommt der Kompromiss nicht am Anfang, sondern am Schluss.»

GLP-Präsident Grossen hingegen ist skeptisch, ob Verhandlungen mit der EU unter solchen Umständen zu einem erfolgreichen Abschluss kommen können: «Es wird schwierig. Der Bundesrat legt meines Erachtens zu wenig Herzblut an den Tag», sagt der Präsident der Partei, die sich am vehementesten für Verhandlungen mit der EU einsetzt.

Echo der Zeit, 05.03.2024, 18 Uhr

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