«Insgesamt zeigt sich, dass die Zahl der eingereichten parlamentarischen Vorstösse stetig zunimmt.» So steht es im Tätigkeitsbericht des St. Galler Kantonsparlamentes. Ein Beispiel aus dem Bericht: Bis zur Legislatur 2017/2018 gab es durchschnittlich 162 Vorstösse pro Jahr. Seit 2018/2019 sind es 221.
Damit ist St. Gallen nicht allein. Auch in anderen Kantonen nehmen die Vorstösse in den Parlamenten zu.
«Vorstoss» ist ein Überbegriff für verschiedene parlamentarische Instrumente. Dazu gehört zum Beispiel die einfache Anfrage. Dabei werden eine oder mehrere Fragen gestellt, welche die Regierung beantworten muss.
Der Wählerschaft zeigen, was man macht
Der Vorteil von Vorstössen: Sie lenken die Aufmerksamkeit auf ein Thema und auf eine Person. Eine Politikerin oder ein Politiker kann dadurch ein neues Thema ansprechen oder bei einem Thema nachhaken. Man kann seinen eigenen Namen ins Spiel bringen und Wählerinnen und Wählern zeigen, wofür man sich einsetzt.
Aktuelle Themen spiegeln sich jeweils in den Vorstössen: «In der Corona-Zeit war dies ein Instrument, um in dieser schwierigen Zeit die eigenen Themen publik zu machen», sagt Lukas Schmucki. Er ist der Leiter der Parlamentsdienste des Kantons St. Gallen. Dies zeigte sich durch eine Zunahme der Vorstösse.
Eine Zunahme stellen wir vor den Erneuerungswahlen in den Grossen Rat fest.
Auch Wahljahre dürften einen Einfluss haben. Der Leiter des Ratssekretariats Graubünden, Patrick Barandun, schreibt: «Eine Zunahme bei den Vorstössen stellen wir sowohl vor den Erneuerungswahlen in den Grossen Rat als auch vor den National- und Ständeratswahlen fest.» Dieser Effekt könnte im Moment auch in St. Gallen spielen. In rund einem Jahr wird das Kantonsparlament neu gewählt.
2000 bis 5000 Franken pro Anfrage
Die Beantwortung der Vorstösse braucht Zeit. Der Aufwand für die Verwaltung ist jedoch unterschiedlich: Manchmal reicht eine kurze Abklärung, manchmal braucht es viel mehr. Auf jeden Fall entstehen dadurch Kosten: «Man kann damit rechnen, dass die Beantwortung einer Interpellation oder einfachen Anfrage zwischen 2000 und 5000 Franken kosten wird», sagt Lukas Schmucki aus St. Gallen.
Zudem können die vielen Vorstösse zu Stau in den Parlamenten führen. In St. Gallen darf eine Interpellation im Parlament nur drei Minuten Zeit beanspruchen. Im Moment sind 85 Interpellationen hängig. Dies allein bedeutet schon über vier Stunden Beratungszeit. Für andere Vorstösse wie Motionen oder Postulate wird mehr Zeit benötigt.
Beschränkungen sind immer wieder Thema
«Beschränkungen sind ein Evergreen – ich glaube in jedem Parlament», sagt Schmucki. Man könnte zum Beispiel die Art der Vorstösse einschränken oder die Anzahl der Fragen, die gestellt werden können.
Auch möglich wäre es, die Anzahl Vorstösse pro Ratsmitglied zu beschränken oder die Zeit, die für die Behandlung im Rat aufgewendet werden darf. «Mit drei Minuten bei Interpellationen ist der Kanton St. Gallen hier jedoch schon recht strikt.»
Änderung zeichnet sich nicht ab
Trotz allem findet Lukas Schmucki, dass das St. Galler Kantonsparlament im Grossen und Ganzen effizient arbeite. Was kaum der Fall sein wird: Dass die Parlamentarierinnen und Parlamentarier von sich aus weniger Vorstösse einreichen. Gerade im Kanton St. Gallen, in welchem nächstes Jahr das Parlament neu gewählt wird. Hier sucht jede und jeder die Aufmerksamkeit der Wählerinnen und Wähler. Eine einfache Methode: Ein Vorstoss im Kantonsparlament.