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Diskussionen um zweckgebundene Steuern im Wettinger Rathaus
Aus Regionaljournal Aargau Solothurn vom 26.10.2022. Bild: SRF
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Vorstösse in Aargauer Städten Steuergelder fix verplanen für Musikgesellschaft und Co.?

Politiker im Aargau möchten «zweckgebundene Steuern» für Kultur oder Schuldenabbau. Das ist umstritten – und verboten.

Die zweitgrösste Aargauer Gemeinde Wettingen diskutiert seit Jahren über ihre Finanzen. Im November entscheidet das Stimmvolk über einen höheren Steuerfuss: 98 statt 95 Prozent – was im Vergleich mit anderen Städten im Kanton aber immer noch relativ tief ist.

Der grüne Kommunalpolitiker Leo Scherrer spricht deshalb von einer «Sparhysterie». Immer wieder hätten Gemeinderat und Parlament im Budget kommunale Leistungen gekürzt. Diesem Trend wollen 1400 Wettingerinnen und Wettinger entgegenwirken. Sie haben eine linksgrüne Volksinitiative unterzeichnet.

Die Idee: Klare Regeln, wofür Geld ausgegeben wird

Diese verlangt, dass gewisse Aufgaben der Gemeinde unantastbar wären. Ein fixer Prozentsatz der Steuereinnahmen sollte zum Beispiel für Kultur, Musik oder Altersprogramme aufgewendet werden. «Wettingen hat seine Beiträge an das Badener Kurtheater gestrichen oder den Beitrag an die Musikgesellschaft halbiert», sagt Leo Scherrer. Das möchte er künftig verhindern.

Die Initiative ist ein Gegenpunkt zur Sparhysterie.
Autor: Leo Scherrer Einwohnerrat Wettigrüen

In der Gemeinde Wohlen im Freiamt steht eine andere Forderung im Raum. Auch hier will der Gemeinderat langfristig die Steuern erhöhen. Ein Kommunalpolitiker der Mitte verlangt per Vorstoss, dass man allfällige Steuererhöhungen aber ausschliesslich für den Schuldenabbau verwenden dürfe. Eine fixe Regelung in der Gemeindeordnung soll Klarheit schaffen.

Blick vom Weinberg auf die Gemeinde Wettingen, viele Häuser und Hochhäuser im Hintergrund
Legende: Wettingen liegt bei Baden und hat gut 21'000 Einwohnerinnen und Einwohner. Seit Jahren diskutiert die Gemeinde über ihre Finanzen, unter anderem wegen der teuren Sanierung der Sportanlagen Tägerhard. SRF/Stefan Ulrich

Die Initiative in Wettingen kommt am 27. November zwar vors Volk. Allerdings in einer abgeschwächten Variante. Denn: Die Forderung des Initiativkomitees ist gar nicht erlaubt. «Im Finanzrecht gibt es ein Zweckbindungsverbot für Steuern», sagt Leo Scherrer. Neu wird in Wettingen deshalb nur über «Richtwerte» für bestimmte Aufgaben abgestimmt.

Der Vorstoss in Wohlen wird vom Gemeinderat ebenfalls abgewiesen. Begründung: «Zweckgebundene Steuerfussprozente sind gemäss den rechtlichen Bestimmungen weder vorgesehen noch möglich». Rechtlich ist die Situation also klar: Eine fixe Zuteilung von Steuergeldern für gewisse Aufgaben ist im Aargau verboten.

Die (umstrittene) Lösung: Richtwerte statt Fixwerte

Die Volksabstimmung in Wettingen könnte trotzdem Signalwirkung haben. Gemäss Angaben der zuständigen Kantonsbehörden wäre es die erste Gemeinde, welche zumindest Richtwerte festlegt für gewisse Aufgaben und Ausgaben. Wenn die Initiative beim Stimmvolk durchkommt, dann könnten Politikerinnen und Politiker in anderen Gemeinden diese Idee kopieren wollen.

Denn sie scheint verlockend: Solche klare Regelungen machen alljährliche Diskussionen bei der Budget-Debatte überflüssig. Gewisse Aufgaben wären quasi immer «im Trockenen». Allerdings: Damit wird der Handlungsspielraum der Politik natürlich stark eingeschränkt.

Wir wollen auch eine attraktive Gemeinde. Aber das ist der falsche Weg.
Autor: Marco Keller Einwohnerrat GLP

Aus diesem Grund hat die Mehrheit im Wettinger Parlament die linksgrüne Initiative denn auch abgelehnt. «Wir müssen reagieren können auf technologische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Entwicklungen», sagt der grünliberale Marco Keller. Wenn die Musikgesellschaft plötzlich nicht mehr existiert zum Beispiel, dann braucht sie ja auch keine Gemeindebeiträge mehr.

Es ist also eine grundsätzliche Frage, über die das Stimmvolk in Wettingen am 27. November entscheidet. Vordergründig geht es zwar um Finanzpolitik, um «Sparen oder nicht». Dahinter aber liegt die Frage, wie viel Einfluss Gemeinderegierung und Parlament künftig noch haben sollen.

Nur indirekte Steuern sind zweckgebunden

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Legende: Raucherinnen und Raucher finanzieren die Altersvorsorge und Invalidenversicherung mit gut zwei Milliarden Franken jährlich mit. KEYSTONE/DPA/Armin Weigel

Auch auf kantonaler und nationaler Ebene sind Steuergelder nicht zweckgebunden. Dies zum Beispiel im Gegensatz zu Gebühren, welche direkt für eine Gegenleistung bezahlt werden müssen.

Ausnahmen gibt es bei sogenannten «indirekten Steuern», welche auf Produkte erhoben werden. So fliessen zum Beispiel die Einnahmen der Tabaksteuer vollständig und Teile der Mehrwertsteuer zwingend in die AHV/IV-Kasse.

Im Aargau gab es bis vor etwa zehn Jahren eine Art Zweckbindung für Kulturgelder. Ein Prozent der Staatssteuern sollte dafür verwendet werden. Diese Regelung wurde allerdings inzwischen aus dem Kulturgesetz entfernt. Nun werden auch Kulturgelder alljährlich mit einem normalen Kredit vergeben, über den das Kantonsparlament entscheiden kann.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 26.10.2022, 12:03 Uhr;

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