Während auf Bundesebene die vom Parlament beschlossene Unternehmenssteuerreform mit AHV-Zusatz einem möglichen Referendum entgegengeht, ist der Kanton Waadt schon bedeutend weiter. Dieser setzt nämlich die Reform auf kantonaler Ebene in eigener Regie bereits ab 2019 um und senkt dabei die Unternehmenssteuern von heute 22 auf unter 14 Prozent.
Mit der Abschaffung des Sonderregimes für international tätige Firmen in der Waadt fallen auch die Steuern für Schweizer Firmen massiv. Das sorgt am Genfersee für ein deartiges Ungleichgewicht, dass jetzt der Kanton Genf unter Zugzwang gerät.
Unternehmer-Präsident Slatkine warnt
Um zu verstehen, wie angespannt die Lage im Kanton Genf ist, lohnt sich ein Besuch bei Ivan Slatkine, Spross einer traditionsreichen Genfer Verlegerfamilie und Präsident des Westschweizer Unternehmerverbandes. Der Verleger sitzt in einem Sitzungszimmer der Verlagsräumlichkeiten, die sich in einem der ersten Dörfer nach der Grenze zur Waadt befinden.
Hier im Waadtland wird produziert, das Entscheidungszentrum befindet sich aber in Genf und dort werden auch Steuern bezahlt. Wegen der Unternehmenssteuerreform denkt Slatkine aber offen über eine Verlegung des Geschäftssitzes in die Waadt nach: «Der Sitz meines Unternehmens ist zwar in Genf, aber ich würde ihn für drastisch tiefere Steuern in die Waadt zügeln und ich kenne viele Unternehmer, die sich dasselbe überlegen.»
Waadt hat den Kompromiss gefunden
Die Unternehmenssteuern sind ein heikles Thema am Genfersee, weil es viele internationale Unternehmen gibt. Beide Kantone wollen diese Unternehmen halten und müssen deshalb steuerlich attraktiv bleiben. Die Waadt kann sich das Vorpreschen mit der massiven Senkung der Firmensteuern leisten, steht sie doch praktisch schuldenfrei da und hat zudem einen mustergültigen Kompromiss mit den Linken geschlossen: Tiefere Steuern, dafür im Gegenzug mehr sozialer Ausgleich.
Heikle politische Ausgangslage im Kanton Genf
Deshalb steht Genf unter Zugzwang, hat aber noch keine Vorlage präsentiert, obwohl die Wirtschaft sehnlichst darauf wartet. Das ist aber nicht das Ende der Genfer Probleme: Die Linke macht mit einer Volksinitiative Gegendruck. Thomas Wenger, Fraktionschef der SP im Genfer Grossen Rat, machte bereits deutlich, dass die kantonale Umsetzung nicht einfach wird: «Linksparteien und Gewerkschaften haben die Initiative gemeinsam eingereicht und fordern möglichst kleine oder gar keine Steuerausfälle.»
«Verspätung» befürchtet
Als weiterer Nachteil kommt hinzu, dass die Genfer Linken und vor allem Gewerkschaften letztes Jahr vehement gegen die Unternehmenssteuerreform III kämpften. Genf lehnte die Vorlage ab. Ein Teil der gleichen Kräfte macht nun auch gegen den Steuer-AHV-Deal mobil.
«Eines kann sich Genf nicht leisten – Verspätung», betont Verleger Slatkine: Eine Frist von einem Jahr zur Angleichung der Genfer Steuersätze auf ein tieferes Niveau könnten die Unternehmen wohl noch verkraften: «Doch wenn es länger geht, fangen vernünftige Unternehmer zu rechnen an.»
FDK-Präsident Juillard: Föderalismus-Risiko
Der Präsident der Finanzdirektorenkonferenz, Charles Juillard, stellt fest: «Es besteht das Risiko, dass es jetzt einen Wettbewerb um Firmen am Genfersee gibt. Das ist aber ein Risiko, das man in einem föderalistischen Land wie der Schweiz in Kauf nehmen muss», sagt der jurassische Finanzvorsteher. Für die Westschweizer Kantone und vor allem für Genf heisst das: Entweder können sie die Unternehmenssteuerreform rasch umsetzen oder sie werden Firmen und damit Steuergelder verlieren.