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Zweiter Wahlgang Regierungsrat «Der Kanton muss bei den Spitälern stärker steuern»

Am 24. November stellen sich Yvonne Feri (SP) und Jean-Pierre Gallati (SVP) zur Wahl in die Aargauer Regierung. Gallati hat im ersten Wahlgang am meisten Stimmen geholt und gilt als Favorit.

Es ist ein Duell zwischen links und rechts um das Aargauer Gesundheitsdepartement. Denn voraussichtlich übernimmt das neu gewählte Regierungsmitglied dieses Departement, welches von der glücklosen ehemaligen SVP-Regierungsrätin Franziska Roth im Sommer verlassen wurde.

Deshalb stehen auch im Wahlkampf Fragen rund um das Gesundheitswesen im Zentrum. Gallati legt den Fokus dabei auf die beiden Kantonsspitäler.

Jean-Pierre Gallati

Regierungsrat SVP Aargau

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Jean-Pierre Gallati (Jahrgang 1966) ist Rechtsanwalt und wohnt in Wohlen. Er besuchte in Aarau die Alte Kantonsschule, studierte Rechtswissenschaften in Zürich und machte 1994 das Anwaltspatent. Von 2006 bis 2015 sass er im Einwohnerrat der Gemeinde Wohlen. Von 2009 bis 2019 war er für die SVP Mitglied des Aargauer Kantonsparlaments (Grosser Rat), von 2015 bis 2019 leitete er die Fraktion. 2019 wurde Jean-Pierre Gallati zuerst in den Nationalrat und dann auch in die Aargauer Regierung gewählt (Ersatzwahl F. Roth). Er absolvierte eine Session als Nationalrat (2.-20.Dez. 2019). Mitte Dezember 2019 trat er sein Amt als Regierungsrat an.

SRF: Sie gelten als leidenschaftlicher Parlamentarier, immer wieder auch im Kampf gegen «die Mächtigen». Nun wollen Sie die Seite wechseln, müssen den Konsens suchen, das war bisher - würden Ihre politischen Gegner wohl sagen - eher nicht Ihr Steckenpferd?

Jean-Pierre Gallati: Meine politischen Gegner erzählen noch viel. Ich bin seit 25 Jahren Anwalt, Verwaltungsrat, Mitglied von Vereinen oder Stiftungsräten. Und dieses berufliche Leben besteht vor allem darin, Kompromisse und Konsens zu erzielen und die vom Gremium beschlossenen Lösungen nach aussen zu vertreten. Das ist für mich nichts Neues, sondern seit Jahrzehnten Alltag.

Lösungen braucht es auch im Gesundheitswesen, im Kampf gegen die steigenden Kosten. Wo muss man den Sparhebel ansetzen?

Im Gegensatz zu allen anderen Kandidierenden habe ich bereits im August ein Programm mit sechzehn ganz konkreten Forderungen präsentiert. Der Fokus bei den Gesundheitskosten liegt klar im stationären Bereich, also bei den Spitälern. Der Kanton bezahlt an jede stationäre Behandlung 55 Prozent der Kosten. Diese Kosten sind zwischen 2008 und 2018 im Aargau um 140 Prozent gewachsen. Da muss und will wahrscheinlich der Regierungsrat intervenieren.

Wird also einfach zu viel operiert in den Kantonsspitälern?

Es gibt einige Studien, die diese Frage mit «Ja» beantworten. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viel Prozent der Operationen überflüssig sind. Das Kostenwachstum in diesem Bereich liegt aber weit über dem Wirtschaftswachstum im Kanton. Es gibt einige Stellhebel, die man bedienen könnte.

Ihre Konkurrentin Yvonne Feri fordert zum Beispiel einen Lohndeckel für Chefärzte. Sind die Chefärzte das Problem?

Im Aargau aktuell nicht. Die Kantonsspitäler sind weggekommen von umsatzabhängigen und exorbitant hohen Löhnen. Das ist nicht der Grund für die Kostenexplosion.

Sie fordern hingegen eine Art Globalbudget. Ein Spital darf zum Beispiel nur noch eine bestimmte Anzahl Hüftoperationen pro Jahr durchführen. Wer zu spät kommt, der darf sich nicht mehr operieren lassen. Gegner sprechen von einer Zweiklassenmedizin.

Es gibt viele Ausflüchte, vor allem in der Ärzteschaft, dagegen, dass der Kanton bei Menge und Kosten steuert. Notfälle wird man immer operieren können, ich will auch kein Globalbudget einführen, obwohl dies gemäss Gesetz vorgesehen wäre.

Ich würde das natürlich nicht einfach befehlen.

Ich glaube aber, dass der Kanton als Eigentümer der beiden grossen Spitäler in der Lage ist, Mengenziele oder Mengenrichtwerte zu vereinbaren. Und wenn eine solche Vereinbarung nicht gelingt, dann würde ich das natürlich nicht einfach befehlen. Man könnte es ja auch mit einem Anreizsystem verbinden. So dass Ärzte, die weniger Kosten verursachen, dafür belohnt werden. Also einfach mit der Brechstange kann man das nicht machen, wir müssen versuchen alle Involvierten von solchen Lösungen zu überzeugen.

Zu Ihren Wahlchancen: Sie haben die stärkste Partei im Rücken. Schon nur aus diesem Grund gelten Sie als Favorit. Ist das ein gutes Gefühl?

Ich fühle mich überhaupt nicht als Favorit und bin auch ein schlechter Prophet. Aber ich sehe die Chancen von Yvonne Feri und mir bei 50 zu 50.

Und wenn Sie dann gewählt werden, dann gibt es keine einzige Frau mehr in der Aargauer Regierung.

Das Wahlvolk entscheidet zwischen Feri und mir, zwischen Frau und Mann, zwischen links und rechts. Wer gewinnt, hat quasi nur Probezeit, ist nur für etwa elf Monate gewählt. Im Oktober 2020 stehen ja wieder Wahlen für den gesamten Regierungsrat an. Dann kann das Wahlvolk auch die Frauenfrage neu beurteilen für die nächsten vier Jahre.

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