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Wahlkämpfchen statt Wahlkampf «Typisch Schweiz» – warum die leisen Töne dominieren

In 20 Tagen wählen wir ein neues Parlament. Dass Wahlkampf ist, merkt man aber vor allem daran, dass überall die Kandidierenden zu sehen sind: auf Plakaten, Flugblättern und in den sozialen Medien. Mit dem politischen Gegner gerungen wird aber kaum. Das sei systembedingt, erklärt Politologin Martina Mousson. Denn um Inhalte gestritten werde in der Schweiz fortwährend – nicht nur alle vier Jahre.

Martina Mousson

Politologin

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Martina Mousson ist Politologin beim Forschungsinstitut gfs.bern. Dort betreut sie unter anderem die Umfragen zu nationalen Abstimmungen im Auftrag der SRG.

SRF News: Teilen Sie den Eindruck, dass es ein zahmer Wahlkampf ist?

Martina Mousson: Prinzipiell ja. Es ist aber typisch für die Schweiz. Im Unterschied zu England oder den USA gehen die Kandidaten hier nicht aufeinander los. Wir haben ein anderes System.

Der Grundstein der Streitkultur ist im System verankert.

Hat das mit der direkten Demokratie zu tun? Wir entscheiden ja ohnehin in regelmässigen Abständen darüber, in welche Richtung das Land geht.

Ja. Parteien und ihre Exponenten können sich im Abstand von drei Monaten sehr deutlich zu Sachfragen äussern und müssen das nicht konzentriert im Wahlkampf machen.

Es hat in den letzten Wochen kurze Empörungsmomente gegeben, etwa das Wurmplakat der SVP. Inhaltlich um Positionen gerungen wird aber nicht. Und wenn es jemand macht – wie kürzlich die CVP, die sich im Internet mit anderen Parteien verglichen hat – wird sie rundum gescholten. Warum diese Hemmung?

Man hat sich durchaus pointiert zu Sachthemen geäussert – bei Abstimmungen und natürlich im Parlament. Dort geschieht das durchaus heftig, emotional und personenbezogen. Der Grundstein der Streitkultur ist im System verankert.

Zudem haben wir im Wahljahr 2019 eine Art Über-Thema, nämlich die Ökologie. Es beschäftigt die Bürgerinnen und Bürger, vor allem die Jüngeren. Es ist ein Thema, bei dem man sich über die Parteigrenzen hinweg einig ist. Oder zumindest Einigkeit zur Schau stellt. Denn daran will sich niemand die Finger verbrennen.

Aber nicht alle sind der gleichen Meinung. Die SVP zum Beispiel findet das alles unnötig.

Die SVP ist die einzige Partei, die hier eine pointierte Gegenposition einnimmt. Es scheint derzeit, als ob man versucht, die SVP möglichst nicht ins Zentrum zu rücken. Das war ja eine Stärke der Partei.

Ihr wurde durch teils provokative Auftritte viel Aufmerksamkeit und auch Empörung entgegengebracht. Das half ihr aber letztlich: Es transportierte die SVP in die Medien und die Köpfe der Menschen.

Die SVP stillschweigen, Einigkeit beim Klima – ist es nicht ein Reichtum für ein demokratisches Land, wenn man die Klingen kreuzen kann?

Dieser Reichtum wurde in den letzten vier Jahren oft genug zur Schau gestellt. Es ist nun nicht nötig, das in provozierender Weise zu tun. Die Positionen der Parteien sind bekannt. Man weiss, mit wem man es zu tun hat.

Der Wahlkampf wird auch verlagert: Weg von Plakatwänden ins Internet, wo potenzielle Wählerinnen und Wähler gezielt angesprochen werden.

Das ist ein grosser Trend der Wahl 2019. Vor vier Jahren steckte man noch in den Kinderschuhen verglichen mit dem Ausland. Jetzt geben die meisten Parteien Vollgas. Sie gehen gezielt auf Leute verschiedenen Alters, Geschlechts und Ausrichtung. Dank der sozialen Medien ist das heute sehr einfach und kostengünstig möglich.

Wahlkampfplakate vor Stop-Schild.
Legende: Bis hierhin und nicht weiter? Politologin Mousson findet nicht, dass es der Schweiz an politischer Streitkultur fehlt. Nur werden die Gefechte nicht zwingend im Wahljahr am heftigsten ausgetragen. Keystone

Sollte man nicht auch Leute erreichen, die gerade nicht in der eigenen Blase sind?

Es gibt durchaus Parteien, die das versuchen. Gerade, weil soziale Medien doch immer noch ein Phänomen jüngerer Leute sind. Über 70-Jährige sind weniger auf Facebook zu finden. Es gibt aber immer noch andere Formen des Wahlkampfs. Die SP arbeitet etwa mit Telefon-Marketing, die FDP geht dieses Jahr von Tür zu Tür.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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