Die eidgenössischen Wahlen 2019 gingen als «Klimawahl» in die Schweizer Polit-Geschichte ein. Der Auftrag der Wählenden schien klar: mehr Klimaschutz. Auch heute steht das Thema weit oben auf der politischen Agenda. Im
letzten Sorgenbarometer von gfs.bern
wurden «Klima- und Umweltschutz» von den meisten Befragten als grösste Sorge genannt. Im
SRG-Wahlbarometer vom Juli 2023
wurde der Klimawandel von den befragten Wählenden insgesamt als «wichtigste politische Herausforderung» genannt – und von 27 Prozent sogar als relevant für ihren Wahlentscheid bezeichnet.
Doch was hat die Politik in den letzten vier Jahren im Klimaschutz erreicht? Wie manifestierte sich die Klimawahl?
SRF Data zeigt anhand verschiedener Variabeln und Grafiken
, wie Klimapolitik im Bundeshaus funktioniert, wer die zentralen Politikerinnen und Politiker dabei sind und was sich daraus lernen lässt.
Klimapolitik in der 51. Legislaturperiode – Was ist passiert?
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Die Erwartungen ans Parlament nach der «Klimawahl» waren gross. Umso grösser das Erstaunen, als im Sommer 2021 die Schweizer Stimmbevölkerung das CO₂-Gesetz mit 51.6% ablehnte. Das Gesetz sah eine Erhöhung der CO₂-Abgaben sowie eine Benzinpreiserhöhung vor. Für eine Mehrheit des Parlaments war jedoch klar: Dieses Nein an der Urne war keine generelle Absage an die Klimapolitik, es ging nur darum, die richtigen Mittel zur Erreichung der Klimaziele zu finden.
Klimaschützer legten grosse Hoffnung in den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative, die im November 2019 eingereicht wurde. Der Gegenentwurf soll die Schweiz von der Abhängigkeit der fossilen Energien befreien und eine sichere Energieversorgung ermöglichen. Dazu wurden Netto-null-Fahrpläne und -Zwischenziele festgelegt. Da die SVP das Referendum ergriff, stimmte die Schweiz im Juni dieses Jahres über den Gegenentwurf unter dem Namen «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KIG)» ab. Das KIG wurde mit 59% deutlich angenommen.
Im Rahmen des KIG wurde im Parlament ein weiteres Gesetz zur sicheren Energieversorgung ausgearbeitet: die Solaroffensive. Diese soll vor allem im Rahmen des Ukraine-Kriegs kurzfristig (bis 2025) für mehr Energiesicherheit sorgen und zur Erreichung von Netto-Null 2050 beitragen. Nach 2025 soll die Solaroffensive vom Mantelerlass zur Energie- und Stromversorgung abgelöst werden, über den zurzeit noch beraten wird.
Eine Flut an Vorstössen – mit bescheidenem Erfolg
Ein einfaches Instrument für Politikerinnen und Politiker, um ein politisches Anliegen voranzutreiben, sind Vorstösse wie Motionen, Postulate oder parlamentarische Initiativen. Damit ein Vorstoss im Parlament weiter besprochen oder dem Bundesrat ein Auftrag überwiesen werden kann, muss er vorher von einer Mehrheit unterstützt werden. Vorstösse sind damit eine Art Gradmesser dafür, wer welche Themen aufs politische Parkett bringen will – und was die Mehrheit im Parlament überhaupt für diskussionswürdig hält.
Das kleine Vorstoss-Lexikon
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Postulat:
Ein Postulat fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob es zu einem bestimmten Sachverhalt ein neues Gesetz oder eine andere Massnahme braucht. Der Bundesrat gibt in Form eines Berichts Antwort.
Motion:
Mit der Annahme einer Motion wird der Bundesrat beauftragt, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten oder bestimmte Massnahmen zu ergreifen.
Parlamentarische Initiative:
Mit einer parlamentarischen Initiative wird ein Entwurf für ein Gesetz eingereicht. Das Parlament stimmt darüber ab, ob der Entwurf weiterverfolgt und ausgearbeitet werden soll.
Eine Analyse aller eingereichten Vorstösse zeigt: Das Thema Klima hat bei allen Parteien – unabhängig von ihrer klimapolitischen Ausrichtung – über die letzten drei Legislaturperioden (2011 bis 2023) an Präsenz gewonnen. Von SVP bis Grüne hat sich der Anteil Klimavorstösse in etwa verdoppelt. Das zeigt: Spätestens mit der Klimawahl ist die Hauptsorge der Schweizerinnen und Schweizer im Tagesgeschäft des Parlaments angekommen.
Dass die Mitte besonders erfolgreich Kompromisse schmiedet, hat unterschiedliche Gründe: Einerseits liegt es in ihrem Naturell als Mitte-Partei, dass sie kaum radikale oder grundlegende Veränderungen fordert. Andererseits haben Mitte-Parteien, anders als Pol-Parteien, eine bessere Ausgangslage zur Mehrheitsbildung. Oft kann die Partei so das «Zünglein an der Waage» spielen und damit entscheidend zum Erfolg oder Absturz eines Klimavorstosses beitragen.
Eine Analyse der Erfolgschancen unterschiedlicher Themenbereiche in den Klimaabstimmungen zeigt: Nicht alle haben es gleich einfach oder gleich schwer. Von 38 Vorstössen zur internationalen Klimapolitik kam genau einer durch. Dasselbe bei Klimavorstössen, die den Finanzplatz Schweiz betreffen: Von 24 wurde nur einer angenommen. Ein ganz anderes Bild bei Klimavorstössen, die die Verkehrs- oder Energiepolitik betreffen: Gut jeder vierte Vorstoss fand hier eine Mehrheit.
In diesem Zusammenhang lässt sich die Rolle der Mitte-Partei als «Zünglein an der Waage» bei Abstimmungen exemplarisch aufzeigen. Die folgenden Grafiken teilen die Stimmen ein in solche, die sich für
mehr Klimaschutz(Pro)
und
weniger Klimaschutz(Kontra)
einsetzen.
Doch Vorstösse sind nur ein politisches Instrument – und, wenn vom Parlament angenommen, auch nur der Anfang einer Diskussion.
Seilziehen im Takt der Mitte-Parteien
Denn das eigentliche Seilziehen findet oft im parlamentarischen Prozess statt, in dem ein Gesetz formuliert wird. Zuerst wird ein Geschäft in der Kommission besprochen. Wegen des Kommissionsgeheimnisses wird aber oft nicht transparent, welche Politikerinnen und Politiker welche Rolle einnehmen.
Klar wird es wieder bei der Schlussabstimmung im Rat. Während die Pole ein regelrechtes Seilziehen veranstalten und versuchen, die Mitte-Parteien auf ihre Seite zu bringen, geben diese den Takt der Klimapolitik an.
Auch nach der Klimawahl zeigt sich: Politik in der Schweiz ist eine Politik der kleinen Schritte. Dementsprechend moderat fielen auch viele Entscheide des Parlaments aus. Und als den Grünen mit der Verschärfung des CO₂-Gesetzes unter anderem durch Flugticket-Abgaben ein Coup gelang, wurde dieser im Juni 2021 an der Urne abgelehnt. Momentan ist eine Neuauflage des CO₂-Gesetzes in Beratung. Das Parlament und der Bundesrat haben aus der letzten Niederlage gelernt: Es gibt nun keine neuen Abgaben. Dafür gezielte Förderung, klimafreundliche Investitionen und Chancen auf Erfolg.
Daten und Methodik
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Die Analysen von SRF umfassen hauptsächlich Daten zur 51. Legislaturperiode von 2019 bis 2023. Als Cut-off-Datum wurde der 30. Juni 2023 gewählt. Um ein Bild zum Verlauf über die Zeit zu erhalten, wurden an einer Stelle auch Vorstösse der 50. und 51. Legislaturperiode berücksichtigt.
Datenquellen sind die offiziellen Parlamentsdienste sowie die Datenbanken von Smartvote.
Kräfteverhältnisse im Parlament
Zur Veranschaulichung der Kräfteverhältnisse im Parlament wurden alle Politiker und Politikerinnen berücksichtigt, welche in der 51. Legislaturperiode aktiv waren. Trat jemand während der 51. Legislaturperiode zurück und wurde durch jemand Neues ersetzt, werden beide aufgeführt. Die effektiven Sitzverhältnisse im Parlament findet man
hier
.
Vorstösse
Berücksichtigt wurden nur Motionen, Postulate und Parlamentarische Initiativen (PaIv), die von Parlamentarier:innen oder Fraktionen eingereicht wurden.
Ein Vorstoss oder eine PaIv galt als klimarelevant, wenn er oder sie in einem ersten Schritt eines von mehreren Schlüsselwörtern enthielt. Die Schlüsselwörter wurden parteiunabhängig gewählt und reichen von «Emission» bis «Mineralölsteuer». In einem zweiten Schritt wurden die so identifizierten Vorstösse für die 51. Legislaturperiode händisch gefiltert. Die Analyse enthält damit nur Vorstösse, die entweder versuchen, auf das Klima Einfluss zu nehmen
(Neustart Luftfahrt. Moratorium, kein Kapazitätsausbau im Flugverkehr, Grüne)
, oder sich mit den Konsequenzen des Klimawandels und der Klimapolitik auseinandersetzen
(Zeitgemässe Gewichtsbeschränkungen für alle Wohnmobile, SVP)
.
Parlamentarische Initiativen wurden als erfolgreich gewertet, wenn sie durch die erste Phase kamen. Motionen und Postulate wurden als erfolgreich gewertet, wenn sie angenommen wurden. Erfolglos waren die Geschäfte, die zurückgezogen, abgelehnt oder abgeschrieben wurden. Von 440 eingereichten Klimavorstössen sind 189 noch hängig.
Unterschiedliche Subthemen innerhalb der Klimapolitik wurden anhand der Kategorisierung der Parlamentsdienste vorgenommen und bei der Kategorie Finanzwesen händisch auf Finanzplatz-relevante Vorstösse gefiltert.
Abstimmungen
In Zusammenarbeit mit smartvote.ch wurden besonders klimarelevante Schlüsselabstimmungen identifiziert. Ob ein «Ja»- oder ein «Nein»-Votum klimafreundlich war, wurde durch die Sichtung der Parlamentsdokumente (Fahnen und Transkripte der Debatten) händisch bestimmt. Die insgesamt 28 Abstimmungen beinhalteten hauptsächlich Schluss- und Gesamtabstimmungen (Indirekter Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative), aber auch Eintretens- (Kerosinsteuer auf Flugtickets) und Detailabstimmungen (Rundstreckenrennverbote im neuen Strassenverkehrsgesetz).
«Ja»- und «Nein»-Stimmen wurden auf 0 oder 1 gemappt und zur Klima-Position gemittelt.
Smartvote
Im Smartvote-Fragebogen zu den Eidgenössischen Wahlen 2019 wurden acht klimarelevante Fragen bestimmt und verschieden gewichtet.
Soll der Bund erneuerbare Energien stärker fördern?
erhielt eine Gewichtung von 100%, während
Wie beurteilen Sie die folgende Aussage: «Ein stärkerer Umweltschutz ist notwendig, auch wenn er zulasten des Wirtschaftswachstums durchgesetzt werden muss.»?
mit 50% gewichtet wurde. Die Antworten der Parlamentarierinnen und Parlamentarier (zwischen 0 und 100) wurden durch ein gewichtetes Mittel zu ihrer Klimaposition verrechnet.
Alles zu den Wahlen 2023
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Aktuelle Informationen und Hintergründe zu den Nationalrats- und Ständeratswahlen am 22. Oktober 2023 finden Sie unter
Schweizer Wahlen 2023
.
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