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Wähleranteile waren falsch Bund verrechnet sich: FDP liegt jetzt doch vor der Mitte

Das Bundesamt für Statistik hat sich verrechnet. Die FDP ist bezüglich der Wähleranteile doch stärker als die Mitte.

Das ist passiert: Der Bund hat am Wahlsonntag falsche Parteistärken bei den Nationalratswahlen publiziert. Das wurde bei Qualitätskontrollen festgestellt. Die Korrektur hat keine Auswirkungen auf die Verteilung der Sitze und die gewählten Nationalrätinnen und Nationalräte.

So haben sich die Wähleranteile verändert: Gemäss korrigierten Zahlen bleibt die FDP nun entgegen früherer Angaben vor der Mitte und somit die drittstärkste politische Kraft im Land. Das Ergebnis der FDP wurde um 0.13 Prozentpunkte auf 14.3 Prozent nach unten korrigiert.

Weil die Stärke der Mitte-Partei am Sonntag sogar um 0.52 Prozentpunkte zu hoch angegeben wurde, fällt sie nun hinter die Freisinnigen zurück. Die Mitte kommt gemäss korrigierten Zahlen auf einen Wähleranteil von 14.1 Prozent. Es wäre das erste Mal gewesen, dass die Mitte die FDP bezüglich Wähleranteil überholt hätte.

Gerhard Pfister und Thierry Burkart
Legende: FDP-Präsident Thierry Burkart (r.) kann doch noch lachen: Seine Partei bleibt bei den Wähleranteilen vor der Mitte. Keystone

Am grössten ist die Differenz bei der SVP. Sie kommt auf einen Wähleranteil von 27.9 Prozent – statt wie angegeben auf 28.6 Prozent. Die SP kommt auf 18.3 Prozent – statt wie angegeben auf 18.0 Prozent.

So reagiert die FDP: «Dass das BFS am Sonntagabend nicht korrekte Wähleranteile publizierte, ist irritierend», schreibt die Partei auf X (vormals Twitter). FDP-Vize und Ständerat Andrea Caroni zeigt sich auf X zufrieden, dass seine Partei wieder die drittstärkste ist. 

Das sagt die Mitte: Parteipräsident Gerhard Pfister schreibt auf X, dass die Mitte ihr Wahlziel erreicht und das Fusionsergebnis mit 14.1 Prozent übertroffen habe. «Das freut uns.»

Seine Aussagen zur Zusammensetzung des Bundesrats sieht Pfister nicht als erledigt an. Über die Zauberformel müsse man weiter diskutieren. Gemessen an den Nationalratssitzen bleibt die Mitte stärker als die FDP: Die Mitte hat 29 Mandate, die FDP 28. «Ich bin für unsere gewählten Nationalrätinnen und Nationalräte froh, dass die Korrektur der Parteistärken keine Auswirkungen auf die kantonalen Wahlergebnisse hat», wird Pfister in einer Mitteilung der Mitte zitiert.

Golder: «Politische Statistik ist wichtig für Demokratie»

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Politologe Lukas Golder vom Forschungsinstitut GFS Bern ordnet den Verrechnungsfehler des BFS ein. «Die politische Statistik ist äusserst wichtig für die Demokratie», sagt er gegenüber SRF. «Es ist wichtig, dass sie stimmt – selbst wir bei der Wahlhochrechnung basierten auf diesen falschen Zahlen.» Das habe einen falschen Eindruck erweckt.

Für ihn sei nun die Bundesratsfrage klar vom Tisch, da die FDP bezüglich Wähleranteilen wieder vor der Mitte steht. «Trotzdem ist die Mitte eher im Aufwind und die FDP weiterhin unter Druck.»

Das ist der Grund für den Fehler: Die falschen Zahlen entstanden nach Angaben des BFS wegen einer fehlerhaften Programmierung im Datenimportprogramm für die beiden Appenzell und Glarus. Alle drei verfügen über je einen Sitz im Nationalrat und übermitteln ihre Daten in einem anderen Format als die restlichen Kantone. So wurden die Stimmen der in den drei Kantonen angetretenen drei Parteien drei- bis fünffach gezählt.

Diesen Parteien wurden demnach zu viele Stimmen zugerechnet, was sich in einer zu hohen nationalen Parteistärke der SVP, der Mitte und der FDP niederschlug. Mit der Berechnung der korrekten Werte sinkt der nationale Wähleranteil dieser Parteien und die Stärke der anderen Parteien ändert sich entsprechend.

So reagiert das BFS: Das Bundesamt veröffentlichte eine korrigierte Statistik der Parteistärken. Die Zahlen seien mehrfach nachberechnet und kontrolliert worden, schrieb es dazu und äusserte sein Bedauern über den Fehler.

BFS-Direktor nimmt Stellung

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Das Computerprogramm wurde extra für diese Wahlen geschrieben – dabei sei dem Programmierer ein Fehler unterlaufen, erklärt BFS-Direktor Georges-Simon Ulrich gegenüber SRF. Er habe quasi bei einer Kolonne einen Namen genommen und bis zu vervierfacht. «Das hatte einen grossen Einfluss auf die nationale Parteistärke.» Da das Programm aber bei den Wahlen 2023 das erste Mal verwendet wurde, könnten Fehler bei vorgängigen Wahlen oder Abstimmungen ausgeschlossen werden.

Aufgefallen sei dem BFS dieser Fehler erst jetzt, Tage nach den Wahlen, bei einer Qualitätskontrolle. Das dürfe nicht mehr passieren, sagte Amtsdirektor Ulrich.

Den Schaden, den das Vertrauen der Bevölkerung in die Wahlen genommen habe, könne er nicht beurteilen, sagte Ulrich vor den Medien. «Wir erheben die Daten, wir publizieren die Daten, wir kommunizieren die Daten.» Wie der Fehler in der Bevölkerung ankomme, sei schwierig abzuschätzen. Die Panne am Wahlsonntag sei die grösste seit den 1990er-Jahren, hiess es an der Medienkonferenz weiter.

Es will zudem die Prozesse «in diesem sensiblen Statistikbereich» anpassen. Dazu gehöre einerseits eine umfassendere, automatisierte Plausibilitätsprüfung der Berechnungen. Andererseits will das BFS am Wahltag mehr Kontrollpersonal einsetzen und Abläufe und Kontrollmodalitäten integral überprüfen. Bundespräsident Alain Berset, Chef des zuständigen Departements des Innern, ordnete umgehend eine Administrativuntersuchung an.

Solothurn: Kommission untersucht eigene Panne am Wahlsonntag

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Im Kanton Solothurn hat der Ausfall der Wahlplattform am Wahlsonntag ein politisches Nachspiel. Die Spezialkommission Digitalisierung des Kantonsrats nimmt sich der Thematik an und sucht nach Lösungen. Die Resultate konnten am vergangenen Wahlsonntag über einen längeren Zeitraum nicht über die Plattform sostimmt.so.ch abgerufen werden.

Die Spezialkommission wolle nun die Ursache des Problems zusammen mit der Staatskanzlei eruieren. Die Kommission lege Wert auf eine funktionierende Wahlplattform und setze sich deswegen für eine schnelle und effiziente Lösung des Problems ein.

SRF 4 News, 25.10.2023, 12:30 Uhr ; 

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