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Zettel als Wahlwerbung «Für die Schweiz ist kein Effekt von Online-Werbung nachgewiesen»

Trotz des digitalen Wandels scheint der Wahlkampf für die Parlamentswahlen im Oktober vor allem analog geführt zu werden. Politologe Oliver Strijbis hat erforscht, wie sich verschiedene Abstimmungs- und Wahlkampagnenarten auswirken. Für ihn ist papierene Wahlwerbung im Briefkasten ein klassisches Mittel für Kandidierende – auch wenn deren Effekt nicht nachgewiesen werden kann.

Oliver Strijbis

Professor für Politologie an der privaten Franklin-University in Lugano

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Strijbis ist assoziierter Professor für Politolgie an der privaten Franklin Universität Switzerland in Lugano. Er hat an der Universität St. Gallen promoviert und ein Nationalfondsprojekt zum Einfluss von Events in einer politischen Kampagne in der direkten Demokratie geleitet.

SFR News: Wieso setzen Kandidierende im Zeitalter von Social Media immer noch auf Wahlwerbung aus Papier?

Oliver Strijbis: Flyer sind nicht das Nonplusultra. Es ist vermeintlich ein bewährtes Mittel für Wahlwerbung, und solange man nicht so genau weiss, welche Form der Werbung am effektivsten ist, greift man gern auf das Altbewährte zurück. Typischerweise geht man davon aus, dass es in der Vergangenheit auch funktioniert hat, sonst hätte man es nicht gemacht. Das muss aber nicht unbedingt so sein; es kann durchaus sein, dass spezifisch auf Personen zugeschnittene Online-Werbung effizienter ist.

Es ist schwierig zu sagen, welche Form von Werbung einen stärkeren oder einen weniger starken Effekt hat.
Autor: Oliver Strijbis Assoziierter Professor der Franklin University in Lugano

Gibt es Studien über die Effizienz von Wahlwerbung?

Ja, es gibt einige Studien, aber sie lassen noch keine klaren Rückschlüsse zu. Sie zeigen, dass Geld durchaus einen Einfluss auf Wahlen hat. Dies deutet darauf hin, dass Werbung einen gewissen Effekt hat. Es ist aber schwierig zu sagen, welche Form von Werbung einen stärkeren oder einen weniger starken Effekt hat.

Ein Wahlplakat und Schachteln mit Flyern der SP Genf.
Legende: Zettel in Briefkasten erinnern die Menschen daran, dass sie noch wählen sollten. Auf den Wahlentscheid selbst haben sie keinen grossen Einfluss. Keystone/Martial Trezzini

Das heisst: Diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten, die in Flyer und Plakate investieren, wissen gar nicht, ob es etwas bringt?

Ja, das ist sicher so. Es fällt auch Politologinnen und Politologen schwer, genau zu wissen, was die effizienteste Strategie wäre, um Wahlwerbung zu machen. Auch für Kandidierende ist es schwierig.

Flyer im Briefkasten bringen Menschen nicht dazu, ihren Wahlentscheid nochmals zu überdenken.
Autor: Oliver Strijbis Assoziierter Professor der Franklin University in Lugano

Doch Wahlflyer erinnern die Menschen daran, dass bald Wahlen anstehen und dass man den Wahlzettel ausfüllen sollte. Sie rufen einem in Erinnerung, welche Parteien man bevorzugt und welche eher weniger. Das ist der Effekt. Sie bringen Menschen aber nicht dazu, ihren Wahlentscheid nochmals zu überdenken.

Auch Online-Werbung bringt nicht viel?

Ich denke tatsächlich, dass Online-Werbung nicht so viel auslöst. Es gibt Studien, die kleine Effekte nachweisen. In Berlin hat man ein Experiment gemacht und Effekte gefunden, aber diese sind meistens gering und nicht grösser, als wenn man eine Telefonwerbekampagne führt oder gezielt Mailings verschickt. In der Schweiz hat man bis jetzt noch gar keine Auswirkungen von Online-Wahlwerbung nachweisen können.

Das Gespräch führte Romana Kayser.

SRF 4 News, 28.09.2023, 06:20 Uhr ; 

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