24 Parteien, 11 Nationalratswahlen, 2345 Gemeinden, 40 Jahre: Das ist Stoff für viele lokale Besonderheiten. Da gibt es Gemeinden, in denen seit Jahrzehnten die gleiche Partei über 80 Prozent der Stimmen holt. Gemeinden, die ihre politische Couleur alle vier Jahre auf den Kopf stellen. Und Gemeinden, in denen sich eine Partei über die Jahre vom Zaungast zur Königin hochgekämpft hat – auf Kosten anderer.
Von Orange zu Grün
Das SRF hat erstmals die Stimmenanteile der Parteien bei den Nationalratswahlen der Jahre 1971–2011 ausgewertet – auf der Ebene der Gemeinden. Die detaillierten Daten des Bundesamtes für Statistik (BfS) zeigen: Die Parteienlandschaft der Schweiz ist ein bunter Flickenteppich, der seine Farben alle vier Jahre wechselt.
Gesamtschweizerisch fällt ein Trend auf: die Ausbreitung der SVP. Die Partei, die 1971 aus der «Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB)» hervorgegangen ist, hat eine bemerkenswerte geografische Entwicklung hinter sich. Bis in die Neunzigerjahre konzentrierten sich ihre Hochburgen in den Kantonen Bern und Graubünden. Bei den Wahlen im Jahr 1999 dann der Durchbruch, als die Partei auf einen Schlag 7,6 Prozentpunkte zulegen konnte.
Seither ist sie in immer mehr Kantonen die wählerstärkste Partei: Auf Zürich folgte der Thurgau, dann Schwyz, St. Gallen und Schaffhausen. In der Waadt erstritt die Partei in den letzten beiden Wahlen viele Gemeinden von der FDP und ringt nun mit der SP um die Dominanz im Kanton.
Diese Entwicklung bedingt naturgemäss Verluste bei den anderen Parteien. Vor allem bei der CVP, die in den Siebzigerjahren noch die Mehrheit der Gemeinden beherrschte, und sich heute fast nur noch im Wallis und im Kanton Luzern als dominierende Partei halten kann. Die Karte wechselt an vielen Orten von Orange zu Grün – gut sichtbar ist dies zum Beispiel im Kanton Schwyz. Ob ehemalige CVP-Anhänger tendenziell zur SVP überlaufen können die vorliegenden Daten jedoch nicht beantworten.
Steiler Aufstieg und tiefer Fall
Horw in der Agglomeration von Luzern ist ein Beispiel für eine Gemeinde, in der sich die Machtverhältnisse zwischen CVP und SVP grundlegend geändert haben. Die CVP hatte jahrzehntelang einen Wähleranteil von über 40 Prozent, bis die SVP im Jahr 1995 erstmals zur Wahl antrat – und schlagartig 14 Prozentpunkte holte. Seither muss sich die CVP mit Werten um 20 Prozent zufrieden geben.
Die SP ist eine weitere Partei, die auf Kosten der SVP in manchen Gemeinden stark Wähleranteile einbüssen musste. Dies zeigt sich am Beispiel von Arbon. In der Gemeinde am Bodensee überzeugten die Sozialdemokraten bis im Jahr 1999 regelmässig zwischen 30 und 40 Prozent der Wähler. Im Gegensatz zu Horw ist die SVP hier jedoch schon seit 1971 aktiv. Langsam aber stetig kämpfte sie sich hoch – bis sie 1999 erstmals gleichauf mit der SP war. Bei den Nationalratswahlen im Jahr 2007 kam die Volkspartei auf 37,5 Prozent – die SP auf lediglich 22,5.
Weniger Hochburgen, mehr Diversität – und Durchschnitt
Die Zeiten, als eine Gemeinde geschlossen hinter einer Partei stand, sind vorbei. Ausnahmen bilden Gemeinden in ländlichen und Bergregionen. Hier existieren teilweise noch parteipolitische Hochburgen mit Wähleranteilen von teils über 80 Prozent. Dazu zählen die der CVP im Walliser Bezirk Leuk, die der FDP im Kanton Uri, und die der SVP im südlichen Emmental.
Im Gegenzug gibt es heute viele Gemeinden, in denen sich die Parteien ein heisses Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. So zum Beispiel in den Vororten von Genf: In den Gemeinden Versoix, Thonex und Bernex lagen alle grossen Parteien – CVP, FDP, SVP, SP und Grüne – bei den letzten Wahlen mehr oder weniger gleich auf.
Die Stadt Frauenfeld ist übrigens die «durchschnittlichste» Gemeinde der Schweiz. Gemittelt über die letzten 11 Wahlen sind hier die Unterschiede zum nationalen Ergebnis am kleinsten.