Alain Rossier sitzt an der Nähmaschine und konzentriert sich auf die Nadel, die auf und ab fährt. Er näht einen Brotsack. Es ist eines der Produkte, die im Bill-Haus von den rund zehn Menschen mit Behinderung hergestellt werden, nebst Esswaren und Holzprodukten.
Seit 38 Jahren arbeitet Alain Rossier hier in geschütztem Rahmen. Die Arbeit gefällt ihm sichtlich. Doch im Sommer 2024 ist Schluss damit. Die Betreiberin, die Stiftung Heilpädagogische Tagesschule Biel, will das Bill-Haus schliessen.
«Ich will hier blieben, denn ich bin hier zu Hause», sagt Adrian Winkelmann. Er hat eine geistige Beeinträchtigung und arbeitet in der Holzwerkstatt.
Das Gesetz bringt uns wohl nicht mehr, sondern weniger Geld.
Was er zum Ausdruck bringt, sagen auch viele Eltern der Beschäftigten. «Ich finde es schlimm, dass man diese Institution schliesst», sagt Mutter Ruth Rossier. Seit der Bekanntgabe der Schliessung letzten Herbst haben sie und andere Angehörige viel unternommen, um das Haus zu retten. Doch all die Briefe und Telefonate haben nichts gebracht.
Zu wenig Geld, um Heim weiterzubetreiben
Warum die Schliessung? Wegen des Geldes, sagt Peter Stoepfer, der Präsident der Stiftung Heilpädagogische Tagesschule Biel: «In den letzten Jahren ist das Defizit stark gestiegen. Die Leute hier werden älter, sie brauchen mehr Betreuung.»
Doch auch das neue Behindertengesetz im Kanton Bern habe mitgespielt: «Wir haben gemerkt, dass uns das Gesetz nicht mehr Geld bringt, sondern wahrscheinlich weniger.» Es gebe wenig Hoffnung, dass die finanzielle Zukunft des Hauses gesichert sei, so Stoepfer.
Tatsächlich sieht das neue Gesetz eine Finanzierungslücke vor. Nach Darstellung der Regierung werden mehr Menschen mit Behinderung Leistungen erhalten. Beispielsweise haben rund 5000 Personen, die bisher zu Hause von Angehörigen betreut wurden, neu Anspruch auf Geld. Das verursacht Mehrkosten von 67 Millionen Franken pro Jahr. Pikant: Laut Regierung sind davon nur 20 Millionen Franken gedeckt.
Es bleibt also ein riesiges Loch. Und das droht auf die Institutionen zurückzufallen. Das schüre derzeit viel Unsicherheit, sagt Rolf Birchler, Geschäftsleiter von Socialbern, dem Verband der sozialen Institutionen im Kanton Bern.
Dass das Gesetz den Menschen mit Behinderung mehr Selbstbestimmung bringt, werde in der Branche sehr begrüsst. Aber: «Es wird mehr Geld gesprochen durch das Gesetz. Für Menschen in Heimen steht aber weniger Geld zur Verfügung.»
Heime müssen umdenken
Die Unsicherheit hat Auswirkungen: SRF weiss von mehreren Institutionen, die derzeit eine neue Ausrichtung suchen. Gestrichene Arbeits- und Betreuungsplätze gibt es nicht nur im Bill-Haus.
Die Eltern wollen weiterkämpfen für den Erhalt. «Man kann doch die Menschen nicht einfach auf die Strasse stellen», so Mutter Ruth Rossier. Stiftungspräsident Stoepfer kontert, man stelle niemanden auf die Strasse: «Wir haben eine Person angestellt, die mithilft, neue Orte für die Menschen zu finden.» Unterdessen habe knapp die Hälfte der Beschäftigten eine Lösung gefunden.
Was die Zukunft des Bill-Hauses am Rande von Biel betrifft: Hier scheint die neue Ausrichtung für Stoepfer klar: «Wir schaffen ein Angebot für Jugendliche, die eine Anschlusslösung nach der Schule suchen.» Da gebe es grossen Bedarf. Und: Weil es ein schulisches Angebot sei, falle man auch nicht mehr unter das Behindertengesetz.