- Deutschland will auch Asylsuchende zurückweisen – noch ist das an der Schweizer Grenze nicht geschehen.
- Justizminister Beat Jans reagiert dennoch scharf und spricht von möglichen Gegenmassnahmen.
- «Unsere Hebel sind grösser als man denkt», sagt Jans an die Adresse Deutschlands.
Für den Moment gibt Beat Jans Entwarnung: «Es hat bis jetzt keine illegalen Rückweisungen gegeben», sagt der Justizminister in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF. Auch hätten die deutschen Grenzkontrollen nicht massgeblich zugenommen. War die Ankündigung der neuen deutschen Bundesregierung am allerersten Amtstag bloss ein Sturm im Wasserglas? «Wir werden sehen», sagt Jans. Die Ankündigung aber gefalle der Schweiz überhaupt nicht.
«Die Schweiz akzeptiert das nicht»
Jans’ Departement hatte bereits vergangene Woche die Erklärung der deutschen Regierung, wonach die Behörden ab sofort auch Asylsuchende abweisen würden, ungewöhnlich scharf kritisiert. Der neue deutsche Innenminister Alexander Dobrindt habe gesagt, dass sich Deutschland nicht mehr an Abmachungen, Verträge und internationale Abkommen halten werde, sagt Beat Jans: «Das akzeptiert die Schweiz nicht.»
Bundesrat prüft Gegenmassnahmen
Bei seinen scharfen Worten will es der Bundesrat nicht bewenden lassen. Er prüft Massnahmen für den Fall, dass Deutschland tatsächlich Menschen in die Schweiz zurückweist, die in Deutschland ein Asylgesuch stellen wollten. «Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Unsere Hebel sind grösser als man denkt», sagt Jans. Ins Detail gehen will er allerdings nicht: «Ich kündige jetzt nicht Drohungen an, bevor wir direkt miteinander geredet haben.»
Er werde noch diesen Monat nach Berlin fahren und mit Innenminister Dobrindt mögliche Gegenmassnahmen im direkten Gespräch erörtern, so Jans. Vorher aber werde er dem deutschen Minister aufzeigen, dass sich die irreguläre Migration besser gemeinsam auf europäischer Ebene bekämpfen lasse als gegeneinander.
Nach der scharfen ersten Reaktion der Schweiz hatten Jans und Dobrindt letzte Woche bereits telefoniert. «Ich hatte am Telefon den Eindruck, dass Herr Dobrindt uns sehr ernst nimmt», bilanziert der Justizminister.
Deutschland hält Zurückweisungen für rechtens
Deutschlands Regierung hält Zurückweisungen von Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen möchten, nicht für rechtswidrig. Sie verweist auf eine Klausel im EU-Vertrag von Lissabon und darauf, dass die Nachbarstaaten Deutschlands sichere Drittstaaten seien.
Bundesrat Jans sieht es anders und bezeichnet mögliche Zurückweisungen als illegal. Es werde die Genfer Flüchtlingskonvention verletzt, die in jedem Fall eine Prüfung eines Asylgesuchs vorschreibe. «Wahrscheinlich verstossen solche Rückweisungen aber auch gegen das Rückübernahme-Abkommen, das wir mit Deutschland abgeschlossen haben.»
Stehen Privilegien der deutschen Grenzpolizei auf dem Spiel?
Neben dem Rückübernahme-Abkommen gibt es weitere Vereinbarungen zum Grenzverkehr. So ermöglicht ein Abkommen aus dem Jahr 1961 Deutschland, Grenzkontrollen auch auf Schweizer Boden durchzuführen – und umgekehrt. Auch dürfen deutsche Polizisten und Grenzbeamte auf bestimmten Tram- und Zuglinien Kontrollen auf Schweizer Territorium vornehmen.
Ob die Schweiz solche Abmachungen im aktuellen Grenzstreit als Druckmittel einsetzt, ist offen. Weder Beat Jans noch die zuständigen Bundesstellen wollen sich näher zu möglichen Gegenmassnahmen äussern.