In der Schweiz hat sich mit «Stop Inzest» eine nationale Plattform gebildet, die sexuelle Gewalt innerhalb von Familien sichtbarer machen und wirksam bekämpfen will.
Die Organisation versteht sich als Kompetenzzentrum und Dachverband, der Opfer unterstützt, Prävention fördert und den gesellschaftlichen Diskurs anstösst.
Tabus brechen – Opfern eine Stimme geben
Das Schweigen ist ein zentrales Hindernis: Viele Übergriffe bleiben im Verborgenen, weil die Opfer sich schämen oder keine Unterstützung finden. Wie die 52-jährige Jeanne. Sie erzählt, dass sie als Sechsjährige von ihrem älteren Stiefbruder systematisch missbraucht wurde: «Er rief mich in sein Zimmer und sagte mir, dass das unser Geheimnis sei. Dass dies in unserem engsten familiären Umfeld passierte, war für mich besonders schlimm.»
Erst mit fünfzehn traute sie sich, ihrer Mutter von den Übergriffen zu erzählen – doch diese leugnete alles. «Das hat mich zusätzlich traumatisiert», sagt Jeanne.
«Stop Inzest» will Betroffenen zuhören, professionelle Hilfe vermitteln und den öffentlichen Raum für das Thema öffnen.
Prävention und Professionalisierung
Ein entscheidender Schwerpunkt der Vereinigung ist die Prävention: In den Schulen sollen die Kinder gezielt für das Thema Inzest sensibilisiert werden – mit altersgerechten Programmen und klaren Botschaften.
Zugleich richtet sich «Stop Inzest» an die Öffentlichkeit und will dabei mit einem falschen Bild aufräumen, das von den Urhebern solcher Übergriffe existiert: «Nicht alle Missbrauchstäter sind «Monster», sondern oft Menschen mit einer Überforderung oder mangelndem Bewusstsein für ihr schädigendes Verhalten», erklärt Kinder- und Jugendpsychologe Allan Guggenbühl.
Politische Sensibilisierung
«Stop Inzest» will auch politisch aktiv werden und fordert eine stärkere gesetzliche Verankerung des Inzest-Straftatbestandes sowie eine konsequentere Strafverfolgung. Die Vereinigung möchte erreichen, dass Inzest als Thema auf nationaler Ebene ernst genommen wird – nicht nur in Präventionsprogrammen, sondern auch in Forschung und Strafrecht.
Die Organisation ist ein Kompetenzzentrum, das als Bindeglied zwischen Fachstellen, Behörden und zivilgesellschaftlichen Akteuren fungiert.