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Wenn Pakete nicht ankommen Paketboom macht Gelegenheit für Diebe

Dieses Jahr werden weit über 200 Millionen Pakete verschickt. Die allermeisten kommen an. Doch regelmässig stehlen Gelegenheitsdiebe oder gar kriminelle Paketboten die bestellten Waren. Zum Ärger der Betroffenen.

Der Armreif aus Weissgold ist bei Frau Rossi nie angekommen. Auch das neue Smartphone für Herrn Müller ist nie eingetroffen. Häufig sind es Gelegenheitsdiebe, die Pakete aus Hauseingängen oder Briefkästen stehlen, beobachtet etwa die Kantonspolizei St. Gallen. Mediensprecher Florian Schneider: «Gelegenheit macht Diebe. Je mehr Pakete deponiert sind, desto mehr kommen weg.» 

Paketboom in der Schweiz

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Innerhalb von fünf Jahren ist die Zahl der verschickten Pakete (<20 Kilogramm) von 122 Millionen (2016) auf über 210 Millionen (2020) gestiegen. Dieses Jahr dürften es nochmals deutlich mehr sein, weil allein die Schweizerische Post mit über 200 Millionen Paketen rechnet. Aktuell seien es täglich über eine Million Stück. Der Marktanteil der Post beträgt gut 80 Prozent, private Anbieter wie DHL oder DPD kommen auf knapp 20 Prozent. (Quelle: Eidgenössische Postkommission, PostCom)

Die Paketdiebe lassen sich allerdings nur in den seltensten Fällen fest machen. «Die Täterschaft ist meistens unbekannt», heisst es beispielsweise bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Fast gleichlautend sind die Antworten von angefragten Polizeikorps.

Der Paketbote als Langfinger

Eine Ausnahme gibt es jedoch: Dann, wenn der Paketbote ein Langfinger ist. Zwar seien solche Fälle – gemessen an allen Paketdiebstählen – Einzelfälle, hält Florian Schneider von der Kantonspolizei St. Gallen fest, aber, «wenn solche Fälle aufgedeckt werden, kommt eine grosse Menge zusammen».  

Meist gehen kriminelle Angestellte von Paketlieferdiensten ganz gezielt vor, wie Gerichtsverfahren aus den vergangenen Jahren zeigen: Sie haben es auf Elektronikartikel, Bargeld oder Wertsachen abgesehen. So wie im grössten Fall, der bislang publik wurde: Ein Postangestellter hat in einem Verteilzentrum mindestens 48 Pakete von Schmuck- und Uhrenfirmen mit einem Gesamtwert von fast 800'000 Franken entwendet. In einem der Pakete war auch der besagte Armreif aus Weissgold.

Mehr Pakete – mehr Diebstähle?

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Es ist unklar, ob tatsächlich mehr Pakete gestohlen werden. Verlässliche Statistiken dazu gibt es nur wenige und die vorhandenen Zahlen sind zudem widersprüchlich. Florian Schneider von der Kantonspolizei St. Gallen sagt: «Paketdiebstähle sind immer mehr ein Thema geworden». Anders tönt es in Basel. Dort stellt die Staatsanwaltschaft keine generelle Zunahme fest: «Pro Jahr haben wir rund 190 Anzeigen, weil Pakete gestohlen worden sind.» Die Kantonspolizei Bern spricht von einer «leicht steigenden Tendenz», ähnlich tönt es bei der Stadtpolizei Zürich.

Die Post wiederum, die 8 von 10 Paketen in der Schweiz transportiert, schreibt: «Obwohl die Paketmengen in den letzten Jahren stark gestiegen sind, beobachten wir schweizweit prozentual keine Zunahme von Paketen, die den Empfänger nicht erreichen. Die Verlustquote bei Paketen ist seit Jahren stabil und liegt im tiefen einstelligen Promillebereich.»

Auch die Rückmeldungen der Versicherungen ergeben ein ähnliches Bild. Stellvertretend die Beobachtung der Helvetia Versicherung: «Eine besondere Häufung von Paketdiebstählen stellen wir nicht fest.»

Unklar ist die Situation auch deshalb, weil viele Betroffene oft gar keine Anzeige erstatten.

Die Paketlieferdienste geben nur ungern Auskunft über kriminelle Mitarbeitende. Stefan Dauner, Mediensprecher der Post betont: «Bei der Post arbeiten rund 54'000 Angestellte. Aber man muss sehen, dass es absolute Einzelfälle sind.» Auch die anderen Paketlieferdienste sprechen von einer «Randerscheinung». DHL schreibt auf Anfrage: «Inhouse Diebstahl ist ein äusserst seltenes Ereignis, welches entsprechend geahndet wird.»  

Grosse Schäden bei Einzelfällen

Gleichwohl ist es ein Phänomen, das regelmässig vorkommt: Praktisch jedes Jahr gibt es einen oder mehrere Verfahren, die zu einem Gerichtsurteil führen. Im vergangenen Jahr hat die Post in rund 40 Fällen Anzeige wegen Paketdiebstahl erstattet – knapp 20 Mal davon gegen eigene Angestellte. 

Diebische Angestellte

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Gerichtsverfahren gegen Angestellte, die Pakete gestohlen haben:

Januar – Juli 2020: Bei einem privaten Kurierdienst stiehlt ein Angestellter weit über 100 Pakete. Gesamtwert der gestohlenen Waren: 44'000 Franken.

April 2018 – Dezember 2019: Ein Paketbote der Post entwendet mindestens 29 Pakete, Gesamtwert: 14'000 Franken.

2018 wird ein Postmitarbeiter verurteilt, weil er zwischen 130 und 225 Briefsendungen und Pakete gestohlen hatte. Schadenssumme: knapp 100'000 Franken.

Januar – Oktober 2018: Ein Fahrer einer Transportfirma lässt mindestens 57 Pakete mit einem Wert von 66'000 Franken mitgehen.

2015 – 2017: Ein Postangestellter stiehlt mindestens 48 Pakete mit Schmuck und Wertsachen ab. Gesamtwert: 778'000 Franken.

Januar – März 2016: In einem Briefzentrum der Post behält ein Angestellter internationale Bargeldsendungen für sich. Der Schaden beläuft sich auf mindestens 122'000 Franken.

Strenge Sicherheitsmassnahmen in den Paketzentren

Die Unternehmen haben nicht zuletzt deswegen in ihren Verteilzentren umfangreiche Sicherheitsmassnahmen installiert und für Mitarbeitende gelten strenge Regeln: DHL etwa überwacht seine Sortieranlagen mit Videokameras. Bei der Post darf das Personal zudem nur durchsichtige Taschen auf sich tragen und wird beim Ausgang regelmässig vom Sicherheitspersonal durchsucht.

Gerichtsfälle zeigen, dass diebische Paketboten auch auf ihren Zustelltouren gewisse Sendungen mitlaufen lassen. Das Scannen von Sendungen sei deshalb ein wirksames Mittel, um den Weg eines Pakets nachzuverfolgen, so Post-Mediensprecher Stefan Dauner: «Wir wissen, welches Paket wann und von wem geliefert wurde – oder eben auch nicht.» Zudem verfügen alle Paketlieferdienste über interne Ermittlungsteams, die bei Verdacht auf Betrug oder Diebstahl gezielt Nachforschungen anstellen. Viele Fälle von kriminellen Angestellten sind so aufgeflogen. 

Gleichzeitig reagieren aber auch die Firmen, die Pakete verschicken: Um Dieben grundsätzlich das Handwerk zu erschweren, setzen sie beispielsweise nur noch auf neutrale Verpackungen und verzichten auf einen Werbeaufdruck – in der Hoffnung, dass beim nächsten Mal der Armreif ankommt.

Echo der Zeit, 18.12.2021, 18 Uhr

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