Bei der gross angelegten Polizeirazzia im Tessin wurde am Mittwoch auch ein türkisch-schweizerischer Doppelbürger verhaftet. Tessiner Medien beschreiben den Mann als eher unauffällig. Unterlagen aus Italien legen allerdings nahe, dass Verbindungen zu einer IS-Unterstützerszene in Norditalien bestehen.
Denn letzte Woche hat ein Gericht in Mailand ein Urteil gefällt: Schuldig wegen internationalem Terrorismus, sechs Jahre Haft.
Der Hauptbeschuldigte ist ein Kickboxmeister, der auch in einem Club nahe Lugano trainierte, bis die Schweizer Behörden im März 2016 ein Einreiseverbot gegen ihn ausgesprochen haben. Drei weitere Personen wurden verurteilt. Sie lebten alle in Norditalien nahe der Grenze zur Schweiz und gehörten zu einer IS-Zelle in der Lombardei und im Piemont.
«Der Türke» als Randfigur in Mailänder Prozess
Mit dieser Szene stand der vorgestern in Lugano verhaftete türkisch-schweizerische Doppelbürger offenbar in Kontakt. Mehr noch: Er soll sie unterstützt haben, steht im Erlass des Haftrichters in Mailand. Er erscheint in den Unterlagen vom 26. April 2016 als Randfigur: Einmal bezeichnet das Gericht den Mann mit seinem bürgerlichen Namen, ein anderes Mal ist es ein Aliasname oder einfach «il turco» («Der Türke»).
Dieser sogenannte Türke in Lugano war Thema bei einem abgehörten Gespräch zwischen dem Kickboxer und einem weiteren IS-Sympathisanten. Die beiden wollten als Krieger und Märtyrer nach Syrien reisen. Der Türke in Lugano könne eine Syrienreise ohne besondere Probleme aufgleisen, heisst es in einem Abhörprotokoll.
Offenbar Kontakte zu einem Dschihadreisenden
Auch in einem zweiten Zusammenhang taucht der Name des vorgestern in Lugano verhafteten Mannes im Hafturteil aus Mailand auf: Er soll jener Schleuser gewesen sein, welcher einem Kämpfer des IS die Reise nach Syrien ermöglicht habe. Nach einer Wegweisung aus Italien war der nachmalige Kämpfer zu seiner Frau ins Tessin gezogen, erhielt erst eine Aufenthaltsbewilligung, wurde dann aber weggewiesen. Daraufhin reiste er im August 2015 in den Krieg und starb.
Bundesanwaltschaft: «Unschuldsvermutung gilt»
Seither wird er in der norditalienischen Islamistenszene als «Märtyrer» verehrt. Die Bundesanwaltschaft äussere sich nicht weiter zu dem hängigen Strafverfahren, heisst es auf Anfrage. Und sie betont, dass weiterhin die Unschuldsvermutung gelte.
Das Urteil aus Mailand legt nahe, dass von Lugano aus Hilfe geleistet worden ist bei der Reise des Märtyrers in den heiligen Krieg. Dass der Kickboxer und der Märtyrer sich zeitweise im Tessin aufgehalten haben, ist erwiesen. Dies sind eine ganze Reihe von Spuren: Sie alle führen von Lugano zur Terrorhelferszene in Norditalien.