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Wertstoffe am Meeresboden Gesucht: Regeln zum Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee

Am Meeresboden liegen Rohstoffschätze. Der Bundesrat hat beschlossen, dass sie vorläufig nicht abgebaut werden sollen.

Moratorium für Tiefseebergbau: Nach Meinung des Bundesrates soll die kommerzielle Nutzung des internationalen Meeresbodens gestoppt werden. Die Regierung begründet den Entscheid mit ihrem «Engagement gegen die Verschmutzung der Weltmeere und für deren nachhaltige Entwicklung», wie es in einer Mitteilung heisst. Sie will das Moratorium an einer internationalen Tagung verteidigen.

Ein blaues Tierchen wie eine Nacktschnecke mit einem langen Horn auf dem Meeresboden
Legende: Beim Abbau von Rohstoffen vom Meeresboden werden sämtliche Tiere miteingesaugt. Im Bild: eine Seegurke auf Manganknollen. SRF/zvg/geomar

Rohstoffe auf dem Meeresboden: Neben einer grossen biologischen Vielfalt der Flora und Fauna auf dem Meeresboden gibt es dort auch Rohstoffe, zum Beispiel Manganknollen. Diese Klumpen sind höchstens so gross wie eine Kartoffel und liegen 3000 bis 6000 Meter unter dem Meeresspiegel. Sie enthalten Kobalt, Kupfer und Nickel. Diese Stoffe werden etwa für den Bau von Batterien für Elektroautos benötigt.

Der Abbau: Für den Abbau dieser Manganknollen gebe es bereits Prototypenmaschinen, sagt Matthias Haecke. Er ist Geochemiker am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Man könne sich die Maschinen wie grosse Staubsauger vorstellen. «Sie saugen die obere Sedimentschicht zusammen mit allem, was darin und darauf lebt, einfach ab.»

Um diese Rohstoffe geht es:

Nicht nur die Knollen: Die Manganknollen sind in einer Schicht von vier bis fünf Zentimetern enthalten. Die gesamte belebte Schicht werde auf einer Fläche von 200 bis 300 Quadratkilometern Fläche pro Jahr zerstört. «Ob es die Tiere überleben, wenn sie einmal aufgesaugt und dann mit der Sedimentwolke wieder ausgestossen werden, wissen wir nicht. Erste Daten deuten darauf hin, dass sie es nicht überleben», so Haecke. Neben der Fläche, die abgesaugt wird, würden auch weitere Flächen beschädigt, wenn sich die Sedimente wieder ablagern.

Ein Stück Stein, das verschieden farbige Teile aufweist
Legende: Kobaltkruste: Kobaltkrusten sind steinharte, metallhaltige Beläge, die sich auf den Felshängen von untermeerischen Vulkanen, sogenannten Seebergen, bilden. Diese Krusten entstehen ähnlich wie Manganknollen, indem sich im Laufe von Jahrmillionen Metall­verbin­dun­gen im Wasser auf dem Gestein ablagern. SRF/zvg/geomar/Jan Steffen

Sehr hohe Biodiversität: «Wir können im Moment nicht quantifizieren, wie hoch die Biodiversität ist. Wir sehen nur, dass sie sehr hoch ist», hält der Forscher fest. Im Durchschnitt fänden die Meeresforscherinnen und -forscher bei jeder Forschungsfahrt 100 neue Arten, so Haecke. Das sei seit 30 Jahren so.

Das Hauptproblem mit den Regeln: «Man kann keine vernünftigen Regularien erlassen, wenn man das Schutzgut nicht wirklich kennt und das Ökosystem nicht wirklich verstanden hat», sagt der Forscher. Auch grössere Effekte, die vielleicht auftreten würden, könne man nicht quantifizieren. Haeckl hält ein Moratorium, wie es der Bundesrat propagieren will, für sinnvoll – sofern die Forschung weiterbetrieben wird.

Wir reden über Jahrhunderte bis Jahrtausende, die das Ökosystem braucht, um sich zu erholen.
Autor: Matthias Haecke Geochemiker

Die Kosten: Der Rohstoffabbau in der Tiefsee ist für Firmen nicht extrem teuer. Es brauche noch Investitionen, doch technisch sei es möglich, so der Experte. Die Konzentration der Rohstoffe ist auf dem Meeresboden höher als auf dem Land.

Die Folgen: Die Auswirkungen des Tiefseebergbaus bestehen langfristig. «Wir sprechen nicht von ein paar Jahrzehnten. Da reden wir über Jahrhunderte bis Jahrtausende, die das Ökosystem braucht, um sich zu erholen. So lange bleiben die Schäden dort unten», sagt der Experte. Deshalb ist wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge der Tiefseebergbau nicht mit den Umweltschutzanforderungen vereinbar und stellt eine Bedrohung für das Klima dar.

Die Regulierung bis jetzt: Die Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) hat bis jetzt nur Explorationslizenzen erteilt. Im Juli findet eine ISA-Tagung in Jamaika statt. Die meisten der ISA angeschlossenen Staaten sind aktuell der Auffassung, dass ohne einschlägiges Regelwerk kein kommerzieller Abbau von Bodenschätzen erfolgen darf.

Echo der Zeit, 02.07.2023, 18 Uhr ; 

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