Das Wichtigste in Kürze
- Eine klare Mehrheit im Nationalrat gibt die Vorlage zu mehr Wettbewerb auf dem Schweizer Schienennetz an den Bundesrat zurück .
- Liberaliserungsvorschläge für die Eisenbahn scheiterten in der Schweiz bis jetzt immer.
- Die Euphorie über eine Liberalisierung der Bahn ist abgeflaut. Der Kunde profitiert nicht davon, für ihn wird es komplizierter.
Manchmal ist es im Parlament ein gutes Zeichen, wenn niemand so richtig zufrieden ist. Weil dann niemand so richtig unzufrieden ist. Heute war das anders. «Der einzige Punkt, bei dem sich alle einig sind, ist die Unzufriedenheit», sagte Regula Rytz von den Grünen.
«Die Kosten könnten mit einer guten Organisation der Bahninfrastruktur wirklich minimiert werden.»
So fand eine klare Mehrheit, der Bundesrat und die Verwaltung müssten nochmal darüber brüten, wie man das mit den Schienen und ihrer Zuteilung an mögliche Konkurrenten besser regeln könnte. Denn SVP-Verkehrspolitiker Ulrich Giezendanner ist überzeugt: «Die Kosten könnten mit einer guten Organisation der Bahninfrastruktur wirklich minimiert werden.»
Die Vorschläge des Bundesrates wären keine Bahnrevolution gewesen. Eine unabhängige Trassee-Vergabe-Stelle hätte entschieden, welches Unternehmen wann fahren darf, damit es zu keinen Benachteiligungen kommt.
«Der Berg hat eine Maus geboren»
Matthias Finger ist Professor für das Management von Infrastrukturen wie der Eisenbahn an der ETH Lausanne. Finger sass zwar selbst in der Expertenkommission, die dem Bundesrat Vorschläge zur Bahnreform machte. Er sagt aber heute: «Wir waren uns da nicht immer einig. Ich fand, am Schluss hat dieser Berg eine Maus geboren.»
Wir sind ja in der Schweiz eigentlich eine einzige grosse S-Bahn. Bei solchen Bahnen gibt es weltweit keinen Wettbewerb.
So oder ähnlich ist es seit den frühen 90er Jahren manchen Vorschlägen zur Reform des Schweizer Eisenbahnsystems ergangen. Sie wurden ad acta gelegt, wiederbelebt, aufgeschoben. Unterdessen hat die Liberalisierungsdiskussion aber merklich an Fahrt verloren.
Das sei kein Wunder, sagt Experte Finger. Aus Kundensicht spreche nichts für den freien Markt auf der Schiene. «Wir sind ja in der Schweiz eigentlich eine einzige grosse S-Bahn. Bei solchen Bahnen gibt es weltweit keinen Wettbewerb.»
Billetts würden etwas billiger, vielleicht
Freier Markt in so einem System würde bedeuten, das hätten Studien gezeigt, dass es nicht besser werde, sondern teurer, komplizierter und dass wahrscheinlich die Qualität sinken würde.
Finger ist 61. Er ist erfahrener Forscher auf seinem Gebiet. Sein gut 20 Jahre jüngerer Kollege von der Hochschule Luzern, Widar von Arx, kommt zu ähnlichen Schlüssen. Zwei bis drei Prozent billiger würden die Billets im freien Markt, vielleicht, sagt er.
«Wettbewerb kann aber auch bedeuten, dass man sich mehr informieren muss, dass man dem billigsten Preis nachrennen muss, dass man nicht einfach einsteigen kann, dass man Reservationen vornehmen muss, usw. Das wollen die Leute nicht.»
Bei Pannen gäbe es Probleme
Und es bräuchte eine zentrale Überwachung und klare Abmachungen unter den verschiedenen Bahnunternehmen.
Von Arx macht ein Beispiel: «Wenn die eine Bahngesellschaft in Genf eine Lokschaden hat, müsste eine andere beim Reparieren helfen und wenn die dort dann kein Personal hat, hätten sie ein Problem. Es müsste sehr viel sichergestellt werden, damit das System funktioniert und kein Chaos ausbricht.»
Wettbewerb geht nicht von heute auf morgen
Am meisten interessiert an mehr Wettbewerb sind zurzeit zwei Bahngesellschaften, die BLS und Südostbahn. Sie wollen künftig gewisse Fernverkehrsstrecken der SBB befahren.
Wettbewerb kann aber auch bedeuten, dass man dem billigsten Preis nachrennen muss, dass man Reservationen vornehmen muss, usw. Das wollen die Leute nicht.»
Von Arx glaubt aber nicht, dass es so zu einem grossen Wechsel kommt, nur schon aus Zeitgründen: «Man kann erst im September das Gesuch einreichen und im Januar muss man schon fahren, das ist unmöglich. Man muss ja Rollmaterial kaufen, das dauert Jahre, bis es hergestellt ist und man muss Lokführer ausbilden, usw. Da gibt es viele offene Fragen.»
Wenn es dereinst mehr Konkurrenz gäbe auf den Schweizer Schienen, müsste das anders vor sich gehen, sagt von Arx. Eine Bahngesellschaft übernähme von einer Konkurrentin eine Strecke, nach langer Vorbereitung. Und zwar würde sie die Strecke möglichst zusammen mit den Loks und Wagen, den Lokführern und den Zugbegleitern übernehmen. Das wäre für Bahnexperte von Arx ein guter Wettbewerb. Der Kunde würde davon nichts merken.