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«Ich halte ein WhatsApp-Verbot an Schulen für realitätsfremd und nicht für zielführend»
Aus HeuteMorgen vom 04.06.2018.
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Whatsapp-Verbot an Schulen? «Man sollte Whatsapp nicht verteufeln»

Dürfen Lehrerinnen und Lehrer noch Whatsapp-Chats für Schulklassen einrichten, um Hausaufgaben zu besprechen oder eine Schulreise zu organisieren? Nein, hiess es gestern in der «SonntagsZeitung». Denn seit einer Woche gilt die neue Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO). In deren Rahmen hat Whatsapp das Mindestalter seiner Nutzer von 13 auf 16 Jahre erhöht. Laut Rechtsexperte Martin Steiger stellen sich Fragen rund um das Thema Lehrer und Datenschutz nicht erst seit der neuen EU-Verordnung.

Martin Steiger

Martin Steiger

Jurist

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Martin Steiger ist Rechtsanwalt und Sprecher der «Digitalen Gesellschaft». Der Verein setzt sich für Bürger- und Konsumentenschutz im digitalen Zeitalter ein.

SRF News: Die Nutzung von Whatsapp an Schulen ist für unter 16-Jährige ohne Zustimmung der Eltern gemäss schweizerischem Datenschutzrecht – unabhängig von der DSGVO – nicht rechtmässig. Wahr oder falsch?

Martin Stieger: So einfach ist es nicht. Der Zürcher Datenschutzbeauftragte sieht das so. Der Datenschutzbeauftragte für die Kantone Jura und Neuenburg aber sagt: ‹Wir empfehlen Whatsapp nicht, aber wir empfehlen einen pragmatischen Umgang damit.› Whatsapp an Schulen sei nicht illegal.

Wie sehen Sie das als Spezialist für Rechtssprechung im digitalen Raum?

Man muss eine Gesamtbetrachtung vornehmen: Einerseits ist es Realität, dass fast alle Schülerinnen und Schüler, die Whatsapp schon haben, es auch untereinander verwenden. Da ist es sehr schwierig, den Lehrern oder Schulen zu verbieten, Whatsapp zur Kommunikation mit ihren Schülern zu verwenden. Andererseits gibt es Alternativen. In der Schweiz zum Beispiel Threema.

Wenn Schülerinnen und Schüler, die noch nicht 16 sind, Whatsapp nutzen, zum Beispiel um mit ihren Lehrern und Klassenkameraden zu chatten, machen sie sich aber genau genommen strafbar?

Nein, sie machen sich nicht strafbar. Wenn sie die Einwilligung ihrer Eltern nicht haben, verletzen sie allenfalls die AGB von Whatsapp. Das ist nicht besonders schlimm. Es ist auch nicht besonders schön, aber das ist nun mal die Realität.

Wenn der Oberlehrer der Schweiz solche Aussagen macht und quasi Whatsapp wie Atommüll behandelt, dann haben wir ein Problem.

Wir müssen damit leben, dass gerade Teenager sich nicht immer an das halten, was ihre Eltern oder auch ihre Lehrer als das Richtige sehen.

Möglich wäre ja, dass eine Lehrperson vorher die Eltern um Erlaubnis fragt, eine Whatsapp-Gruppe zu gründen. Damit wäre das Problem gelöst, nicht?

Das macht es nicht wirklich besser. Wichtig ist, dass man keine Eltern oder Schüler unter Druck setzt, Whatsapp zu verwenden. Umgekehrt: Wenn Schüler Whatsapp schon haben, dann dürfen die Lehrpersonen davon ausgehen, dass die Eltern damit einverstanden sind. Es ist bei Minderjährigen völlig normal, dass die Eltern die Verantwortung tragen.

Welche Alternativen haben die Lehrer denn? Die gute alte Telefonkette?

Eine Rückkehr zum Telefonalarm wäre keine gute Idee. Auch SMS sind keine gute Idee, diese sind nicht einmal verschlüsselt. Man muss das an den Schulen klären. Dort kann man darüber diskutieren, dort kann man informieren und dann eine eigene Lösung finden. Threema kann eine solche Lösung sein. Aber am Schluss bleibt es häufig – ob man will oder nicht – bei Whatsapp.

Beat Zemp, Präsident des Lehrerdachverbands, spricht sich im «Tagesanzeiger» gegen die Verwendung von Whatsapp an Schulen aus. Er empfiehlt, dass die Lehrpersonen über sichere E-Mail-Adressen kommunizieren oder einen anderen Anbieter verwenden als Whatsapp, bei dem der Datenschutz höher gewichtet wird. Wie beurteilen Sie das?

Es gibt Alternativen, die gangbar sein können. Gleichzeitig haben mich Zemps Äusserungen erstaunt. Sie klingen vordigital, gar rückständig. Ich denke, wenn der Oberlehrer der Schweiz solche Aussagen macht und quasi Whatsapp wie Atommüll behandelt, dann haben wir ein Problem. Man muss pragmatisch und realistisch sein. Man sollte Whatsapp nicht verteufeln und sich gut überlegen, was man will, und welches die beste Lösung ist.

Also Sie finden, ein Verbot von Whatsapp an Schulen bringt nichts?

Nein, ein Verbot wäre realitätsfremd und nicht zielführend. Aber man kann über Alternativen nachdenken, die es ja gibt: Threema aus der Schweiz, aber auch andere Applikationen wie Signal zum Beispiel gelten als empfehlenswert.

Das Gespräch führte Hans Ineichen.

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