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Wie weiter, Gesundheitswesen? Mit Experimenten gegen die Kostenexplosion

In Bern fand die fünfte Nationale Gesundheitskonferenz statt. Die Teilnehmer diskutierten Massnahmen, die das Kostenwachstum im Gesundheitswesen dämpfen sollen.

Der Zeitplan von Bundespräsident Berset: «Seit Jahren steigen die Kosten im Gesundheitswesen stärker als die Preise und Löhne.» Dieses Zitat aus einer Botschaft des Bundesrats nutzte Berset als Einstieg in die Konferenz – es ist 26 Jahre alt. «Sie kennen die Geschichte», sagte Berset zu den Anwesenden. Die Kosten seien seither sehr stark gestiegen.

Das würden sie auch in den nächsten Jahren tun, das sei unabwendbar. Die entscheidende Frage sei: «Steigen sie aus den richtigen Gründen? Oder steigen sie, weil das System Fehlanreize setzt?» Es sei jetzt wichtig, dass alle Akteure rasch und energisch handeln und zusätzliche Massnahmen ergreifen, die das Wachstum der Kosten dämpfen.

Einen Zeitplan gab Berset sogleich vor. Die Erkenntnisse aus der Konferenz werden in die Arbeit des Gesamtbundesrats einfliessen. Bis zum Frühling will dieser die prioritären Massnahmen definiert haben, damit im Herbst eine erste Vernehmlassung lanciert werden kann.

Wo laut Bundesrat gespart werden kann: Als Tagungsgrundlage diente der Bericht der Expertengruppe, der im Oktober präsentiert wurde. Er zeigte auf, wo am meisten Kosten eingespart werden können. Nicht viel Neues – aber «eine kalte Dusche für alle», sagte Berset zu den Ergebnissen, und zählte auf:

  • Der Spielraum für kostendämpfende Innovationen wird nicht ausgenutzt.
  • Revisionen werden seit Jahren verschleppt.
  • Effizienzgewinne werden nicht an die Versicherten weitergegeben.

Aus den 38 Massnahmen aus dem Expertenbericht gab es zwei übergeordnete, die an der Konferenz im Zentrum standen:

Vorschlag 1: Das obligatorische Krankenpflegeversicherungsgesetz (OKP) soll um einen sogenannten Experimentierartikel ergänzt werden. Kantone oder Versicherer sollen dabei Projekte entwickeln können, die der Kosteneindämmung dienen, aber im Krankenversicherungsgesetz eigentlich nicht vorgesehen sind. Es soll also einfacher werden, innovative Projekte durchzuführen.

Vorschlag 2: Für das Kostenwachstum sollen verbindliche Zielvorgaben in den verschiedenen Leistungsbereichen festgelegt werden – in der Diskussion wurde von einem Globalbudget gesprochen.

Vorschlag 1: Experimentierartikel: Thomas Heiniger, Zürcher Gesundheitsdirektor und Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -Direktoren (GDK), ist demgegenüber skeptisch. «Ich möchte keinen Arzt, der mit mir experimentiert», sagte Heiniger. Experimente gehörten nicht ist Gesundheitswesen.

Dennoch unterstütze die GDK diesen Artikel, solange die Experimente nicht unumkehrbare Zustände schaffen würden. Die Experimente sollen zudem kostendeckend sein und die Zustimmung der betroffenen Kantone benötigen.

Zustimmung findet der Vorschlag beim Präsidenten des Krankenkassen-Verbands santésuisse, Nationalrat Heinz Brand. «Im Gesundheitswesen liegen die Lösungen nicht in der Theorie», sagte er. In der Praxis könne man den Tatbeweis für eine mögliche Massnahme antreten – oder die Idee beerdigen. Und der Vizepräsident des Spitalverbands H+ und Spitaldirektor des Universitätsspitals Basel, Werner Kübler, schlug – absichtlich provokativ – vor, eine kantonale Einheitskasse zu testen.

Vorschlag 2: Globalbudget: Der Waadtländer Gesundheitsdirektor Pierre-Yves Maillard (SP) setzte sich vehement für diese Massnahme ein. Es sei die einfachste und effizienteste Massnahme. Man arbeite immer wieder in Teilen am Tarifsystem – das sei aber, wie wenn man bei einem Dampfkochtopf mit einem zu kleinen Deckel versuche, das Austreten des Dampfes zu verhindern.

Maillard lieferte sich eine hitzige Diskussion mit Michel Matter. Der Präsident der Ärztevereinigung des Kantons Genf und Mitglied des FMH-Zentralvorstands befürchtet bei einem solchen Globalbudget eine Zweiklassengesellschaft und lange Wartefristen, Beispiele aus Deutschland und Frankreich würden dies nahelegen. Es könne nicht sein, dass jemand mit Kopfschmerzen im Januar erst im März zum Arzt gehen könne.

So geht es weiter: Nach den Podiumsgesprächen diskutierten die Teilnehmer in Gruppen weitere Massnahmen aus dem Expertenbericht. Die Diskussionen wurden aufgezeichnet und fliessen nun in die Arbeit des Bundesrats ein.

Bersets Ärger über Ärztelöhne

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Nundespräsident Berset ärgerte sich nach dem Podium über Jahreslöhne von «einer Million oder mehr» bei Spezialärzten. Im Interview mit dem Westschweizer Fernsehen sagte er: «Das ist inakzeptabel. Das heisst konkret: Bis zu 90'000 Franken Lohn im Monat, auf dem Buckel der Prämienzahler.» Die Behörden hätten reagiert, die Reaktion der Ärzte sei: Streik. Die jetzige Situation sei inakzeptabel.

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