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Wiederholungskurs Der 1. Mai: Wie sich die Berner Polizei auf Krawalle vorbereitet

Von Messerangriffen bis Petarden: Die Herausforderungen für die Polizei nehmen zu. Ein Training soll Sicherheit bringen.

Ein verletzter Polizist liegt am Boden, die anderen stellen sich schützend vor ihn. Was aussieht wie ein echter Einsatz, ist in Wahrheit eine Übung – ein sogenannter Wiederholungskurs der mobilen Grenadiere der Kantonspolizei Bern.

Nahaufnahme eines Polizisten hinter einem Helmvisier.
Legende: Automatisch richtig reagieren, wenn es brenzlig wird: Das müssen die mobilen Grenadiere immer wieder üben. SRF

Solche Spezialtrainings sind nötig. Denn: «Die Arbeit draussen ist schwieriger geworden», sagt Michael Bettschen, Gesamteinsatzleiter der Kantonspolizei Bern. Besonders an Tagen wie dem 1. Mai, wo mit Demonstrationen zu rechnen ist, seien gefährliche Einsätze Realität.

«Heute können über die sozialen Medien in kürzester Zeit viele Leute mobilisiert werden», sagt Bettschen. «Ausserdem schaffen soziale Medien verzerrte Bilder von Einsätzen – oft werden nur Ausschnitte gezeigt, die das Feindbild Polizei stärken.» Darum trainieren die Teilnehmenden im Wiederholungskurs den Ernstfall.

Mehrere uniformierte Polizisten nehmen einen weiteren Polizisten fest.
Legende: Festnehmen oder freilassen? Die Polizei muss oft sekundenschnell entscheiden. SRF

Die nächste Aufgabe: eine Festnahme. Drei Polizisten übernehmen die Rolle der Gegenseite – sie provozieren, schreien, werfen Gegenstände. Die anderen Polizisten müssen sekundenschnell entscheiden: Einschreiten oder abwarten?

Direkt neben meinem Helm explodierte eine Petarde. Am nächsten Tag begann es in meinem Ohr zu pfeifen.
Autor: Simon Würgler Chef der Berner Polizeischule

Wie rasch eine Situation gefährlich werden kann, weiss der Chef der Berner Polizeischule Simon Würgler aus eigener Erfahrung. Nach einem Fussballspiel kam es zu Ausschreitungen, zwei Fangruppen gerieten aneinander.

«Direkt neben meinem Helm explodierte eine Petarde. Zuerst spürte ich nichts, zu viel Adrenalin. Aber am nächsten Tag begann es in meinem Ohr zu pfeifen.» Die Diagnose: Tinnitus und Knalltrauma.

Kommunikation vor Gummischrot

Heute trägt Würgler ein Hörgerät. Trotzdem hegt er keinen Groll. Als Chef der Berner Polizeischule setzt er auf Reflexion und Kommunikation: «Unsere Polizistinnen und Polizisten sollen sich fragen: Wie denkt mein Gegenüber? Warum reagiert die Person so?»

Ziel sei es, eine Situation gezielt mit Kommunikation zu beruhigen. «Aber ich weiss auch, dass das nicht immer geht», sagt Würgler. «Manchmal braucht es andere Mittel.»

Polizisten stehen schützen vor einem Polizisten am Boden, der einen Verletzten mimt.
Legende: Im Ernstfall sind kontrollierte Abläufe bestimmend – nicht Emotionen. SRF

Im Wiederholungskurs setzen die Polizistinnen und Polizisten auf die sogenannte «Raumgewinn-Taktik». Dazu gehört lautes Gebrüll. «Das hat einen psychologischen Effekt», erklärt Bettschen. «Wenn wir damit erreichen, dass sich die Gegenseite zurückzieht, müssen wir nicht eingreifen – das ist unser Ziel.»

Wenn Kommunikation nicht reicht, stehen andere Mittel bereit: Gummischrot, Wasserwerfer – oder eben Festnahmen. Damit im Ernstfall alles sitzt, wird geübt – immer wieder.

Schweiz aktuell, 29.4.2025, 19 Uhr ; 

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