Zum Inhalt springen

Wilhelm Tell als Botschafter Apfelschuss auf dem Handy: Altdorf lanciert neuen Themenweg

Der Urner Hauptort widmet dem Nationalhelden einen neuen Themenpfad. Der Tellsweg eröffnet pünktlich zum 1. August.

«Tell war derjenige, der einen Apfel vom Kopf seines Sohnes geschossen hat, oder?»: Die junge Frau runzelt die Stirn. So wie ihr geht es mehreren Urner Schülerinnen und Schülern, die für eine Vorpremiere des neuen Tellswegs nach Altdorf eingeladen sind. Der Name Wilhelm Tell ist ihnen bekannt, nicht aber seine ganze Geschichte.

Drei Mädchen stehen vor einer schwarzen Tafel und schauen auf ein Handy.
Legende: «Vieles schon gewusst, aber wieder vergessen.» Schülerinnen frischen auf dem Themenpfad ihr Wissen über Wilhem Tell auf. SRF/David Kunz

Ein neuer Themenweg in Altdorf soll das ändern. Doch interessiert sich das junge Publikum überhaupt für diesen alten Stoff? «Viele Leute fragen sich noch heute, ob es okay war, dass Tell den Gessler erschossen hat», meint ein Schüler.

Der Tellmythos in Kurzform

Box aufklappen Box zuklappen
Eine bronzene Figur eines Mannes mit Armbrust.
Legende: Das Urner Telldenkmal in Altdorf Keystone/Sigi Tischler

Im 14. Jahrhundert lässt der Habsburger Landvogt Hermann Gessler in Altdorf einen Hut aufstellen. Diesen müssen alle Vorbeigehenden grüssen. Nur einer weigert sich: Wilhelm Tell.

Gessler stellt Tell daraufhin eine Aufgabe. Er soll mit der Armbrust einen Apfel vom Kopf seines Sohns Walter schiessen. Verfehlt er den Apfel, wird er hingerichtet. Tell trifft aber.

Als Gessler erfährt, dass Tell noch einen zweiten Pfeil bei sich trägt, wird er wütend. Mit diesem wollte Tell den Vogt erschiessen, sollte er nicht treffen. Tell wird festgenommen, kann sich aber schliesslich befreien.

In der Hohlen Gasse zwischen Immensee und Küssnacht SZ kommt es zum Showdown: Tell lauert Gessler auf, zückt seinen zweiten Pfeil und erschiesst ihn.

Die Geschichtsschreibung ist sich heute einig, dass Wilhelm Tell nie existierte. Ähnliche Heldenmythen gibt es auf der ganzen Welt.

Die Schweizer Fassung wurde von Aegidus Tschudi (1505-1572) geprägt. Der deutsche Schriftsteller Friedrich Schiller machte die Geschichte berühmt.

Quellen: Schweizer Nationalmuseum , Historisches Lexikon der Schweiz

Der Tellsweg erzählt den Mythos an zwölf verschiedenen Stationen – vom Gesslerhut, über den Apfelschuss, bis zur Hohlen Gasse. Eingebaut sind auch Anekdoten aus neuerer Zeit. Etwa, dass Wilhelm Tell es bis ins Postauto geschafft hat. Der einprägsame Dreiklang aus der Oper «Wilhelm Tell» von Gioachino Rossini diente nämlich als Inspiration für das «Dü-Da-Do» des Postautos. Auf dem Tellsweg lässt sich die Oper via QR-Code abspielen.

Wegen neuem Bahnhof kämpft Tell gegen das Lädelisterben

Auch dass der Tellsweg gerade jetzt eröffnet wird, hat seinen Ursprung in einer neuen Entwicklung. Seit der Eröffnung der Gotthard-Basisstrecke ist Altdorf besser ans Zugnetz angebunden. So finden viel mehr Personen den Weg in den Bergkanton.

«Im Vergleich zu früher kommen 3.5 Mal mehr Leute nach Altdorf. Das ist eine gewaltige Steigerung», sagt Gemeinderat Ruedi Bomatter. Da der Bahnhof etwas ausserhalb vom Zentrum liege, sei in Altdorf schnell klar gewesen, dass Zug und Zentrum eine Verbindung benötigen. Auf diese Weise soll das Lädelisterben im Dorf gebremst werden.

Ein Mann sitzt auf einem Esel aus Holz.
Legende: «Wilhelm Tell ist ein Markenbotschafter, nicht nur für Altdorf, sondern für ganz Uri», findet Gemeinderat Ruedi Bomatter. SRF/David Kunz

Dazu gab es verschiedene Ideen – von einem Torbogen, über eine grosse Statue eines Uristiers, bis zum selbstfahrenden Tram. Am Schluss habe sich die Idee des Tellsweges durchgesetzt.

Dass der Nationalheld damit für kommerzielle Zwecke missbraucht werde, glaubt Bomatter nicht: «Tell ist Teil der Geschichte von Altdorf, zumindest unserer Mythologie.» Wichtig war der Gemeinde, dass der alte Stoff auf dem Tellsweg in die heutige Zeit übersetzt werde. Inhaltlich, durch Verbindungen zum aktuellen Weltgeschehen, aber auch durch digitale Komponenten auf dem Handy.

Auf einem Screenshot steht «Grüss Gessler Game». Darunter folgt die Spielanleitung.
Legende: Punkte sammeln fürs Hut-Grüssen: Die Tellgeschichte wird über Handygames erzählt. Tellsweg.ch/Screenshot

So lassen sich mit dem Smartphone viele Zusatzinfos abrufen – auch Spiele oder eine Fotoapp. In «Grüss Gessler!» müssen möglichst viele Spielfiguren den Gesslerhut grüssen, in einem anderen Spiel kann man sich als Armbrustschütze üben. Bei den Schülerinnen und Schülern kommen die Handyfunktionen besonders gut an: «Oft kann man nur lesen. Es ist cool, dass wir hier etwas machen können.»

Regionaljournal Zentralschweiz, 29.7.2024, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel