«Tell war derjenige, der einen Apfel vom Kopf seines Sohnes geschossen hat, oder?»: Die junge Frau runzelt die Stirn. So wie ihr geht es mehreren Urner Schülerinnen und Schülern, die für eine Vorpremiere des neuen Tellswegs nach Altdorf eingeladen sind. Der Name Wilhelm Tell ist ihnen bekannt, nicht aber seine ganze Geschichte.
Ein neuer Themenweg in Altdorf soll das ändern. Doch interessiert sich das junge Publikum überhaupt für diesen alten Stoff? «Viele Leute fragen sich noch heute, ob es okay war, dass Tell den Gessler erschossen hat», meint ein Schüler.
Der Tellsweg erzählt den Mythos an zwölf verschiedenen Stationen – vom Gesslerhut, über den Apfelschuss, bis zur Hohlen Gasse. Eingebaut sind auch Anekdoten aus neuerer Zeit. Etwa, dass Wilhelm Tell es bis ins Postauto geschafft hat. Der einprägsame Dreiklang aus der Oper «Wilhelm Tell» von Gioachino Rossini diente nämlich als Inspiration für das «Dü-Da-Do» des Postautos. Auf dem Tellsweg lässt sich die Oper via QR-Code abspielen.
Wegen neuem Bahnhof kämpft Tell gegen das Lädelisterben
Auch dass der Tellsweg gerade jetzt eröffnet wird, hat seinen Ursprung in einer neuen Entwicklung. Seit der Eröffnung der Gotthard-Basisstrecke ist Altdorf besser ans Zugnetz angebunden. So finden viel mehr Personen den Weg in den Bergkanton.
«Im Vergleich zu früher kommen 3.5 Mal mehr Leute nach Altdorf. Das ist eine gewaltige Steigerung», sagt Gemeinderat Ruedi Bomatter. Da der Bahnhof etwas ausserhalb vom Zentrum liege, sei in Altdorf schnell klar gewesen, dass Zug und Zentrum eine Verbindung benötigen. Auf diese Weise soll das Lädelisterben im Dorf gebremst werden.
Dazu gab es verschiedene Ideen – von einem Torbogen, über eine grosse Statue eines Uristiers, bis zum selbstfahrenden Tram. Am Schluss habe sich die Idee des Tellsweges durchgesetzt.
Dass der Nationalheld damit für kommerzielle Zwecke missbraucht werde, glaubt Bomatter nicht: «Tell ist Teil der Geschichte von Altdorf, zumindest unserer Mythologie.» Wichtig war der Gemeinde, dass der alte Stoff auf dem Tellsweg in die heutige Zeit übersetzt werde. Inhaltlich, durch Verbindungen zum aktuellen Weltgeschehen, aber auch durch digitale Komponenten auf dem Handy.
So lassen sich mit dem Smartphone viele Zusatzinfos abrufen – auch Spiele oder eine Fotoapp. In «Grüss Gessler!» müssen möglichst viele Spielfiguren den Gesslerhut grüssen, in einem anderen Spiel kann man sich als Armbrustschütze üben. Bei den Schülerinnen und Schülern kommen die Handyfunktionen besonders gut an: «Oft kann man nur lesen. Es ist cool, dass wir hier etwas machen können.»