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Wohnen auf kleinem Raum Der Weg ins Tiny House führt durch ein Labyrinth

Tiny Houses sind eine Nischen-Bewegung, die auch die Schweiz erreicht hat. Corona könnte ihr sogar etwas Auftrieb geben. Doch das Wohnen auf kleinem Raum bleibt vorerst kompliziert.

«Wohnen bedeutet mir viel», sagt Kevin Rechsteiner. «Aber ich brauche die Fläche nicht.» In seinem 20 Quadratmeter-Haus fehlt es darum nicht an Komfort und nicht an Qualität: Der Boden ist aus Eichenholz, für die Küchenablage, die Fenster und die Möbel hat er hochwertige Materialien gewählt.

Auch ökologische Aspekte sind ihm wichtig geworden – aber erst im Verlaufe der Zeit. Denn anfänglich, sagt Rechsteiner, habe er keine besonderen Anliegen gehabt. «Ausser kleiner wohnen.»

Auf den Geschmack gekommen ist er auf einer Reise durch die USA im VW-Bus. Zurück in der Schweiz, empfand er die 180 Quadratmeter grosse Loft-Wohnung als viel zu gross, als Turnhalle. Auf der Suche nach neuen Wohnformen hat er sich einen alten Zirkuswagen gekauft und diesen umgebaut. Seine Arbeit hat er auf Youtube und auf einem Blog dokumentiert. Seither gilt er als eines der Aushängeschilder der Tiny-House-Bewegung.

Ganz normale Leute

Die Bewegung hat viele Gesichter. «Die Motive für ein Tiny House sind sehr unterschiedlich», sagt Rechsteiner. Nachhaltigkeit und Ökologie sind vielen ein Anliegen. «Hauptsächlich geht es aber um das Sparen», sagt Rechsteiner.

Die meisten sind ganz normale Leute, die weniger Geld fürs Wohnen ausgeben wollen.
Autor: Kevin Rechsteiner Besitzer eines Tiny House

Tiny-House-Interessenten seien weder Öko-Freaks noch Aussteiger oder Hippies. «Die meisten sind ganz normale Leute, die weniger Geld fürs Wohnen ausgeben wollen», sagt er. Auch andere Experten und Expertinnen, die sich mit Motiven der Tiny-House-Bewegung auseinandergesetzt haben, sprechen von finanziellen Motiven. «Mietwohnungen sind wahnsinnig teuer geworden», so Rechsteiner.

Wohnen im Tiny House: eine Nische oder ein Trend?

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Im Durchschnitt lebt eine Person in der Schweiz auf 46 Quadratmetern. «Im Wohneigentum sind es sogar 53 Quadratmeter», so Robert Weinert vom Immobilien-Beratungsunternehmen Wüst&Partner.

In ländlichen Regionen liegt der Verbrauch höher als in Städten. Dennoch stellt Weinert auch eine Gegenbewegung fest: In den letzten Jahren seien bei den Neubauten auch kleinere Wohnungen erstellt worden. Dies, weil es vermehrt Einzel-Haushalte gibt.

Zudem sei die Nachfrage nach kleineren Häusern gestiegen. «Das sieht man bei den Such-Abos. Die Suche nach kleineren Objekten bis zu maximal 4.5 Zimmern hat in den letzten Jahren zugenommen», sagt er. Minihäuser seien eine Nische, die von einzelnen gesucht werden. Vereinzelt seien dafür Baubewilligungen gesprochen worden.

Weinert beziffert diese auf rund 20 in den letzten Jahren. Zuvor sei der Begriff nirgends in Baubewilligungen aufgetaucht. Allerdings lässt sich aufgrund der Baubewilligungen nicht darauf schliessen, wie viele Tiny Houses es in der Schweiz gibt, denn die meisten stehen nicht auf festem Boden in Bauzonen, sondern auf Rädern an Standplätzen, an denen sie vorübergehend sein dürfen.

Tatsächlich: In der Schweiz gibt man durchschnittlich 20 bis 25 Prozent der Ausgaben fürs Wohnen aus. «Im Verhältnis zum Einkommen sind es monatlich rund 15 Prozent des Einkommens», so Robert Weinert vom Immobillien-Beratungsbüro Wüst&Partner.

Die Tiny-House-Bewegung hat denn auch ihren Ursprung in den USA, als Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer während der Finanzkrise nach 2008 ihre Häuser verloren haben, weil sie die Hypothekarkredite nicht mehr zurückbezahlen konnten.

Gerade in Zeiten der Pandemie suchen viele nach anderen Lebensformen.
Autor: Kevin Rechsteiner Besitzer eines Tiny House

Hierzulande sei ein wachsendes Interesse festzustellen an Tiny Houses als Zweitwohnungs-Objekt oder als Büro. «Gerade in Zeiten der Pandemie suchen viele nach anderen Lebensformen», vermutet Rechsteiner.

Tiny Houses sind allerdings kein Synonym für Billig-Häuser. Die Anschaffungskosten variieren je nach Qualität. Kevin Rechsteiners hat beim Umbau seines eigenen Wagens ab Fr. 60'000 aufgehört, genau zu zählen.

«Meine Arbeitsstunden sind da noch nicht eingerechnet», sagt der IT-Unternehmer. Für seinen Standplatz hingegen bezahlt er nur 300 Franken pro Monat. Er steht auf dem Land eines benachbarten Bauern, dessen Werkstatt er mitbenützen darf.

Die Crux bei den Tiny Houses: die Definition

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Für Tiny Houses gibt es keine einheitliche Definition. Robert Weinert vom Immobilien-Beratungsunternehmen Wüst&Partner. nennt 10 bis 50 Quadratmeter als Grössenordnung. «Wobei 50 Quadratmeter schon eher gross ist».

Beim Verein Kleinwohnformen spricht man von Tiny Houses, wenn das Haus oder der Wagen nicht grösser als 40 m2 Fläche bietet. Die fehlende Definition der Grösse alleine ist aber nicht das Hauptproblem. Viel mehr fallen Tiny Houses durch die gesetzlichen Raster, wenn sie mobil sind und auf Rädern stehen. Dann nämlich gelten sie nicht als Immobilien, nicht als Haus. Es gelten die Vorschriften aus dem Strassenverkehr – was wiederum die Möglichkeiten des Ausbaus beschränkt.

Der Verein Kleinwohnformen setzt sich darum ein, dass es für Kleinwohnformen – mobile Häuser oder Gefährte – eine einheitliche Definition gibt. Damit wäre ein erster Schritt getan, um die Mini-Häuser einzuordnen und schneller passende Bauzonen respektive Standplätze zu finden.

Ein Tiny House in freier Natur hinzustellen wäre nicht erlaubt. Ist das Haus auf Land gebaut, braucht es entsprechende Baubewilligungen. Allerdings stehen grosse Landflächen und kleine Häuser im Widerspruch zu den raumplanerischen Anforderungen nach verdichtetem Bauen.

Kleinere Grundstücke hingegen sind schwer zu bekommen. Für mobile Häuser, also solche, die wie Rechsteiners Wagen, braucht es ebenfalls Bewilligungen und sie müssen diversen Vorschriften entsprechen. Tiny-House-Interessenten sprechen von einem Labyrinth und einem Hürdenlauf durch Gesetze und Vorschriften.

Abhilfe schaffen will der Verein «Kleinwohnformen Schweiz», in dem er sich als Anlaufstelle anbietet für Interessierte und Behörden. Rechsteiner hat den Verein mitbegründet, ist heute aber nicht mehr im Vorstand. Er hat aber Pläne für seine Region. «Mir schwebt in Zukunft eine Art Beratungsstelle vor». Er kann sich vorstellen, dass Tiny Houses ideal wären für die Zwischennutzungen auf Grundstücken, die während einer gewissen Zeit sowieso brach liegen.

Interdisziplinäre Forschung

Durch den Dschungel der Vorschriften helfen könnte dereinst auch eine Forschungsarbeit der Hochschule Luzern. Ein interdisziplinäres Team aus Architektinnen, Fachleute der soziokulturellen Entwicklung, Innovation und Technologiemanagement klären gemeinsam vielfältige Fragen, die das Kleinwohnen betreffen.

Das Projekt schafft die Grundlage, damit sogenannten Kleinwohnformen nachhaltig finanziert, geplant, entwickelt, umgesetzt, betrieben und bewohnt werden können.

Trend, 08.05 2021, 07.33 Uhr

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