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Mangelware Wohnraum - die Reportage
Aus Rendez-vous vom 19.01.2022. Bild: Keystone
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Wohnung gesucht Die verzweifelte Suche nach Wohnraum im Engadin

Trotz Zweitwohnungsgesetz hat die Zahl der Ferienwohnungen zugenommen. Das Nachsehen haben die Einheimischen.

Bezahlbare Wohnungen für Einheimische sind im Engadin schon lange Mangelware. Doch in den letzten Jahren hat sich das Problem deutlich verschärft. Weil viele alte Wohnungen zu Ferienwohnungen umgebaut wurden, fehlen diese nun als Wohnraum für Einheimische.

Nora Saratz Cazin ist Präsidentin der Oberengadiner Gemeinde Pontresina. Sie erhalte immer häufiger E-Mails von Einwohnerinnen und Einwohnern auf Wohnungssuche, «Einwohner, die die Kündigung erhalten haben und denen mitgeteilt wurde, dass ihre Wohnung verkauft werde.»

Häuser
Legende: Wohnraum für Einheimische – ein rares Gut. Keystone

Die Suche nach einer Bleibe wird für viele zur Odyssee. Riet Fanzun ist Architekt und Sprecher des noch jungen Vereins «Anna Florin». Dieser kämpft im Unterengadin für mehr Wohnraum. Mit Sorge beobachtet er, wie alte Engadiner Häuser an eine zahlungskräftige Klientel aus dem Unterland verkauft werden.

Preise schiessen in die Höhe

Es komme zu Bieterkämpfen zwischen Einheimischen und Ferienwohnungsinteressenten. «Das treibt die Preise in die Höhe», so Fanzun. Der Einheimische könne sich meist nicht leisten, soviel zu bieten wie der Fremde.

Seelandschaft
Legende: Eine Bleibe zu finden ist im ganzen Engadin noch schwieriger geworden. Keystone

Zahlen des Bundes zeigen: Der Anteil an Zweitwohnungen ist im Engadin in den letzten fünf Jahren um einige Prozentpunkte gestiegen, gleichzeitig ist der Anteil an günstigem Wohnraum gesunken. Doch wie ist das möglich, trotz angenommener Zweitwohnungsinitiative? Die Initiative forderte ja, dass in Gemeinden mit mehr als 20 Prozent Ferienwohnungen keine neuen gebaut werden dürfen.

Pandemie und Zweitwohnungsgesetz als Gründe

Damian Jerjen ist Direktor des Schweizer Raumplanungsverbands EspaceSuisse. Das Zweitwohnungsgesetz lasse Umnutzungen bei sogenannt altrechtlichen Wohnungen zu, die bereits bei der Annahme der Zweitwohnungsinitiative existierten. «So kann es sein, dass der Zweitwohnungsanteil in einer Gemeinde steigt, obwohl dieser schon bei über 20 Prozent liegt», sagt Jerjen.

Pontresina
Legende: In Pontresina will die Gemeinde etwas gegen die Wohnungsnot machen. Keystone

Für die Gemeindepräsidentin von Pontresina ist klar, dass diese Regelung im Zweitwohnungsgesetz das Wohnungsproblem verschärft hat. Sie spricht von einer «unerwarteten und unerwünschten Folge der Zweitwohnungsinitiative».

Diese Zweitwohnungen führen oft dazu, dass die Abwanderung noch verstärkt wird.
Autor: Damian Jerjen Direktor Schweizer Raumplanungsverband

Nora Saratz Cazin ist aber auch überzeugt, dass die Coronapandemie ihren Teil beigetragen hat. Die Nachfrage nach Ferienwohnungen sei deutlich gestiegen. «Homeoffice ist möglich, man hat gesehen, was es für Vorteile hat, auf dem Land zu arbeiten, ohne den Job in der Stadt aufgeben zu müssen», sagt die Gemeindepräsidentin.

Problem existiert auch andernorts

Ähnlich sieht es auch Raumplanungsexperte Jerjen. Betroffen sei längst nicht nur das Engadin. In den touristischen Regionen, im Wallis, im Tessin oder im Berner Oberland, existiere das Problem ebenfalls. Besonders stark treffe es Gemeinden, die sowieso schon mit Bevölkerungsrückgang zu kämpfen hätten.

Man muss schauen, ob es Liegenschaften gibt, die die Gemeinde übernehmen könnte.
Autor: Nora Saratz Cazin Gemeindepräsidentin Pontresina

«Diese Zweitwohnungen führen oft dazu, dass die Abwanderung noch verstärkt wird», sagt Jerjen. Es gebe Mittel, um dieser Entwicklung entgegenzutreten. «Es könnten Zonen, ausschliesslich für Erstwohnungen, ausgeschieden werden.» Denkbar seien auch finanzielle Anreize oder Lenkungsmassnahmen, um die Umnutzung von Wohnungen zu steuern.

In Pontresina macht man sich im Gemeindevorstand Gedanken, selbst im Immobilienmarkt aktiv zu werden. «Man muss schauen, ob es Liegenschaften gibt, die die Gemeinde übernehmen könnte», sagt die Gemeindepräsidentin. So könnte sichergestellt werden, dass diese Wohnungen weiterhin als Erstwohnungen für Einheimische erhalten bleiben.

 

SRF 1, Rendez-vous, 19.01.2022;

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38 Kommentare

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  • Kommentar von SRF News (SRF)
    Guten Abend liebe Community
    Vielen Dank fürs Mitdiskutieren. Wir wünschen Ihnen nun einen schönen Abend und schliessen die Kommentarspalte. Liebe Grüsse, SRF News
  • Kommentar von Thomas Leu  (tleu)
    Das Problem ist strukturell. Die Kaufkraft der "Unterländer" und des Restes der Welt wird die Kaufkraft der Einheimischen immer bei weitem übersteigen. Die Einheimischen werden also in einem Bieterwettbewerb nie den Hauch einer Chance haben, gegen die Bieter aus dem Rest der Welt. Die Lösung kann nur darin liegen, dass man zwei Märkte etabliert. Also in definierten Zonen dürfen nur Einheimische mitbieten, so ähnlich wie das heute mit Landwirtschaftsland gemacht wird. Der Rest ist frei bietbar.
    1. Antwort von Pascal Odermatt  (PDOdermatt)
      Ich denke das ist nicht umsetzbar. Was die Bauernlobby erreichen kann für sich, heisst nicht, dass andere Kreise das auch können. Wenn Bauern gewisse Regeln auferlegt werden sollen, z.B. betrf. Pestizideinsatz, wird argumentiert, dass dann jeder einzelne so viel mehr bezahlen muss für eine bessere Umwelt. Wenn der Wohnungsmarkt aufgeteilt werden soll, werden die Argumente: 'es ist kein Menschenrecht, dort zu leben wo man es sich nicht leisten kann' u.ä. rezykliert.
    2. Antwort von Pascal Odermatt  (PDOdermatt)
      Da würden dann vrmtl v.a. Genossenschaften bauen in den billigen Gebieten mit tiefen Renditen. So praktisch mehr bezahlbares Wohnen aber nur für Einheimische. Das hätte wahrscheinlich eher eine Chance als Initiative, als die links grüne 'Mehr bezahlbares Wohnen' Volksinitiative, dann sind es wenigstens nur die sympathischen alt-eingesessenen, welche profitieren würden. Ob es verfassungskonform wäre, müsste man sich auch noch überlegen.
    3. Antwort von Thomas Leu  (tleu)
      @ Pascal Odermatt: Nichts tun ist auch keine Option, denn dann haben wir in den touristischen Gebieten der Schweiz bald Zustände wie in Monaco, wo ein Einheimischer als folkloristische Attraktion durchgeht. Man muss selbstverständlich juristisch detailliert abklären, was genau verfassungskonform ist. Das sollte ja sowieso eine Selbstverständlichkeit sein. Diejenigen, deren Grundstück für Einheimische umgezont wird, müssen finanziell entschädigt werden. Das haben Sie heute schon bei Auszonungen.
  • Kommentar von Felix Meyer  (gegen unwahre Wahrheit)
    Wieder mal bestätigt sich die Meinung/Aussage vieler "Finanzgläubigen", der Markt wird es schon richten, als Bumerang. Dafür wird gestaunt, oder sogar gemeckert, wandern die Menschen Richtung Städte ab. Die Zweitwohnungsbesitzer:innen sollten viel schärfere Auflagen erhalten. Das Haus/die Wohnung müsste zwingend eine zu definierende Zeit (mehrere Monate im Jahr) von ihnen selber bewohnt werden. Klar erhöhte Steuern/Abgaben in der Zeit, in der Erst-und Zweitwohnsitz von ihnen nicht bewohnt sind.