Darum geht es: Etwas mehr als eine von 100 Wohnungen in der Schweiz steht leer – der Leerwohnungsbestand beträgt derzeit 1.3 Prozent. Schon in wenigen Jahren könnten in der Schweiz 50'000 Wohnungen fehlen, so das Bundesamt für Wohnungswesen.
Das wird gefordert: Der Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz verlangt vom Bund, nicht mehr benötigte Areale für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Auch soll dieser den wohnungspolitischen Handlungsspielraum der Gemeinden erweitern, indem er ihnen ein Vorkaufsrecht für geeignete Areale einräumt.
Braucht es in der Schweiz mehr Genossenschaftswohnungen? Die Meinungen dazu von Urs Hauser, Direktor von Wohnbaugenossenschaft Schweiz, sowie Ökonom Marco Salvi von der Denkfabrik Avenir Suisse gehen weit auseinander.
«Es braucht mehr gemeinnützigen Wohnungsbau»
«Wir befinden uns aktuell in einer Wohnungsknappheit. Es braucht mehr gemeinnützigen Wohnungsbau, welcher sicherstellt, dass diejenigen Menschen, welche darauf angewiesen sind, auch bezahlbaren Wohnraum erhalten.» Durchschnittlich seien Genossenschaftswohnungen 20 Prozent günstiger als Marktwohnungen, so Hauser. «Genossenschaften bieten zudem eine soziale Durchmischung und Wohnsicherheit.»
Hauser findet, dass Förderungsprogramme geschaffen werden müssten, welche es ermöglichen würden, den gemeinnützigen Wohnraum zu fördern. «Das kann auf Bundes-, Kantons- oder Gemeindeebene sein. Wir sind der Meinung, dass der aktuelle Anteil an Genossenschaftswohnungen mindestens verdoppelt werden müsste.» Die Abgabe von Land im Baurecht wäre für ihn eine sinnvolle Massnahme.
Das Verbandsmitglied widerspricht dem Vorwurf, in Genossenschaftswohnungen würden auch viele Menschen wohnen, welche gar nicht darauf angewiesen seien. «Darüber gibt es verschiedene Studien. Diese sagen, dass in gemeinnützigen Wohnanlagen vor allem Menschen mit einem tieferem Einkommens- und Bildungsniveau wohnen; viele Familien und auch ältere Menschen.»
«Für alle anderen entstehen Kosten»
Einer, der dem Vorschlag des Verbandes eher kritisch gegenübersteht, ist Marco Salvi. «Es ist ein Geschäft für diejenigen Personen, welche in den Genossenschaften wohnen. Für alle anderen entstehen Kosten.» Der Umschlag an Wohnungen nehme ab, denn wohne man einmal in einer solchen Wohnung, werde man nicht mehr ausziehen, so der Ökonom. «Solche Wohnungen verschwinden vom Immobilienmarkt und für alle anderen heisst es somit: länger warten. Das ist ein volkswirtschaftliches Problem.»
Unabhängige Studien zeigten, dass sich Bewohner von Genossenschaftswohnungen nicht gross von anderen unterscheiden. «Die Wohnfläche in Genossenschaften ist tatsächlich kleiner, aber bei dieser Art von Wohnbauten hat es ausserhalb häufig grosse Flächen. Rechnet man diese Flächen dazu, sieht es ein bisschen anders aus.»
Salvi ist gegen eine vergünstigte Abgabe von Land im Baurecht. «Es entgehen den Gemeinden wichtige Einnahmen, weil die Baurechte zu vergünstigten Konditionen abgegeben werden. Geld, das man anderweitig brauchen könnte, beispielsweise für Spitäler oder Schulen. Das ist ein ungezieltes sozialpolitisches Instrument.»