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Zahlen der Kantone Hundebisse in der Schweiz seit 2016 stark angestiegen

Seit Hundehalter keine Kurse mehr besuchen müssen, gibt es mehr Hundebisse. Besteht da ein Zusammenhang?

Denise Lehmann wird die Narben an ihrem Arm nicht mehr los. Vor einem Jahr wurde die 37-Jährige vom Hund einer Kollegin attackiert, auf den sie ab und zu aufpasste. Ein Angriff, der auch schlimmer hätte ausgehen können. «Mein Arzt sagte mir, fünf Minuten länger und ich hätte nicht überlebt. Die Verletzung an meinem Oberarm war sehr stark.»

Der Angriff beschäftigt Denise Lehmann noch immer stark. Sie hat Schmerzen, die von Taubheitsgefühlen begleitet werden. «Es gibt Tage, da spüre ich gar nichts, da auch die Nervenbahnen verletzt wurden.»

Gefahr der sozialen Isolation

Präsent ist das Ereignis auch stark bei Denise Lehmanns 5-jähriger Nichte. Sie wurde vom Hund ebenfalls angegriffen und verletzt. Beide nehmen heute die Hilfe von Hundeangst-Coach Oliver Weber in Anspruch.

Opfer von Hundebissen gehen teilweise nicht mehr einkaufen – weil es Hunde vor dem Einkaufszentrum hat.
Autor: Oliver Weber Hundeangst-Coach

Eine solche Attacke und die damit verbundene Angst vor Hunden, könne bei Betroffenen sehr grosse Folgen haben, sagt Weber. «Sie gehen teilweise nicht mehr einkaufen – weil es Hunde vor dem Einkaufszentrum hat. Oder sie machen keinen Sport mehr, weil es draussen Hunde hat.» Das könne in die soziale Isolation führen, sagt Weber.

19 Prozent mehr Vorfälle mit Hunden seit 2016

Denise Lehmann und ihre Nichte sind nur zwei von vielen Hundebiss-Opfern im vergangenen Jahr in der Schweiz. Eine Umfrage von SRF bei allen Kantonen zeigt, dass es im letzten Jahr schweizweit zu mehr als 7000 Vorfällen mit Hunden kam. Das sind 19 Prozent mehr als noch 2016.

Rund die Hälfte der Kantone unterscheidet in der Statistik zwischen Bissen an anderen Hunden und an Menschen. Auch bei den Menschen als Opfer zeigt sich mit 18 Prozent eine ähnliche Zunahme. Der Bestand der Hunde stieg jedoch nur um 4 Prozent seit 2016 – dem letzten Jahr, in dem noch ein nationales Kurs-Obligatorium für Hundehalterinnen und Hundehalter bestand.

Wie sinnvoll wäre eine Kurspflicht?

Zur Abschaffung des Kurs-Obligatoriums führte eine Motion des Zürcher Ständerats Ruedi Noser (FDP). Er denkt nicht, dass die Aufhebung der nationalen Kurspflicht zur grösseren Anzahl Hundebisse geführt hat. Er sieht als Grund dafür unter anderem, dass es mehr Hunde und eine höhere Sensibilität für entsprechende Meldungen gebe. «Ich bin dafür, dass die Kantone und Gemeinden das selbst regeln», sagt Noser.

Der Kanton Zürich hielt zum Beispiel am Hundekurs-Obligatorium fest. Die Kantonstierärztin Regula Vogel findet die Kurse sinnvoll. Sie möchte das Obligatorium erweitern und vereinfachen. Derzeit gilt es nur für grosse und massige Hunde. «Damit es nicht zu Vorfällen kommt, ist es wesentlich, dass die Hundehalter wissen, wie der Hund in einer bestimmten Situation zu führen ist», sagt Vogel. Dieses Wissen werde in den Kursen vermittelt.

Die Anzahl an gemeldeten Vorfällen ging im Kanton Zürich in den letzten drei Jahren leicht zurück. Anders im Kanton Thurgau: Hier stieg sie stark an – trotz ähnlichem Kursobligatorium. Dennoch findet auch die Kynologische Gesellschaft der Schweiz, dass eine Kurspflicht für Neuhalter Sinn ergebe. «Hundebisse können damit zu tun haben, dass sich Leute unüberlegt im Internet einen Hund anschaffen», sagt ihr Präsident Hansueli Beer. Diese Hunde könnten schlecht sozialisiert sein. Gerade für die Halterinnen und Halter solcher Hunde wäre ein Kurs aus Sicht von Beer sinnvoll.

10vor10, 12.10.2020, 21:50 Uhr ; 

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