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Zehn Jahre Campus Galli In Deutschland wird der St. Galler Klosterbezirk nachgebaut

Ein St. Galler Klosterplan aus dem 9. Jahrhundert löste ein grosses Projekt aus. Gebaut wird wie damals im Mittelalter.

Der St. Galler Stiftsbezirk gehört seit 40 Jahren zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die markanten Türme der Kathedrale, die historischen Gebäude oder die Stiftsbibliothek sind das Zentrum und Wahrzeichen der Stadt.

Heute sieht der Klosterbezirk im südlichen Teil der Altstadt allerdings nicht so aus, wie er einst geplant wurde. Aus dem frühen 9. Jahrhundert existiert ein St. Galler Klosterplan. Laut Angaben des Projekts ist dieser die älteste überlieferte Architekturzeichnung Mitteleuropas, gezeichnet um 825 n. Chr. auf der Insel Reichenau im Untersee bei Konstanz.

Klosterplan von St. Gallen aus dem 9. Jahrhundert
Legende: Dieser Klosterplan stammt aus dem 9. Jahrhundert und soll in Messkirch (De) originalgetreu nachgebaut werden. Dargestellt sind rund 50 Gebäude inklusive grosser Abteikirche. imago/epd

Der Plan war seinerzeit nicht in die Tat umgesetzt worden. Heute wird er in der Stiftsbibliothek aufbewahrt. Abzubilden, wie es im Mittelalter in St. Gallen hätte aussehen sollen, ist das Vorhaben des Grossprojekts «Campus Galli – Karolingische Klosterstadt Messkirch», das etwa eine Autostunde nördlich des Bodensees umgesetzt wird.

Vor über 60 Jahren stiess der deutsche Geschäftsmann Bert Geurten in einer Ausstellung auf den Klosterplan und wollte diesen nachbauen. 2013 verwirklichte sich der Traum dieses Riesenprojekts.

Seit zehn Jahren wird in Rohrbach bei Messkirch in Baden-Württemberg gebaut. Und zwar im Massstab 1:1 und mit Werkzeugen wie damals. Das Geld kommt von Sponsoren und Spenden sowie Firmen, die gratis Dinge anliefern oder ihr Fachwissen beisteuern. Fünf Jahre lang konnte der Initiant noch miterleben, wie aus einem Stück Wald ganz langsam ein Klosterbezirk wird.

«Wir roden da, wo der Platz benötigt wird. Das Holz wird dann auch frisch verarbeitet», erklärt Sonja Fecht, die seit Baubeginn im Campus Galli arbeitet. Aus dem Holz werden dann Balken, Böden, Schindeln, Nägel oder Geschirr gemacht. Abfall gebe es keinen.

50 Leute arbeiten in der Karolingischen Klosterstadt

Die Erfahrung mache schneller, sagt Fecht. «Bei der Scheune waren wir schon viel effizienter als zum Beispiel bei der kleinen Kirche.» Diese wurde als erstes gebaut. Daneben gibt es unter anderem Ställe und Gehege für Tiere, eine Töpferei, einen Heilkräutergarten oder eine Weberei. «Alles, was man schon einmal gemacht hat, gehört irgendwann in den Alltag mit rein», erklärt die Arbeiterin in mittelalterlicher Kleidung.

Eindrücke aus dem Campus Galli

Menschen wohnen keine auf dem Campus. Rund 50 Leute arbeiten hier, die Hälfte ist vom Verein «Karolingische Klosterstadt» als Handwerkerinnen und Handwerker angestellt, die anderen für die Administration und die Betreuung von Besucherinnen und Besuchern.

Gebaut wird noch jahrzehntelang

Die Klosterbaustelle soll aber nicht nur ein Museum sein. Das Grossprojekt soll auch der archäologischen Forschung Erkenntnisse über frühmittelalterliche Arbeits- und Baumethoden liefern.

Erkenntnisse für die Archäologie

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Die Museumspädagogin Sonja Fecht erklärt, dass man im Vergleich zu Originalfunden wisse, welche Methoden man nun beispielsweise beim Töpfern verwende. Es gäbe viele weitere solche Beispiele. Sei dies zum Beispiel, dass man aus Eisenresten, die zum Ausebnen des Bodens verwendet wurden, nicht zwingend auf ein grosses Eisenverarbeitungswerk schliessen dürfe.

Oder, wie wichtig die Anordnung der Gebäude sei. Sonja Fecht sagt: «Ich habe mich persönlich immer gefragt, warum wir den Hühnerstall direkt neben der Scheune haben. Jetzt ist es mir klar: Die Hühner räumen nachher die Scheune auf.»

Vom Campus Galli kann die Forschung noch lange profitieren. Das Projekt läuft seit zehn Jahren und wird von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet. Wann es fertig ist, steht in den Sternen. Weil eben alles so gemacht wird wie vor über 1000 Jahren. Wohnraum, eine Schule, ein Gästehaus, ein Spital und ganz am Schluss die grosse Abteikirche – das sind die Pläne für die nächsten zehn, 20 oder 50 Jahre.

SRF1 Regionaljournal Ostschweiz, 7.8.2023, 17:30 Uhr ; 

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