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Zehn Jahre Kesb Von der Vormundschaftsbehörde zur Kesb: Kritik verschwindet nicht

Seit 2013 sind die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden im Einsatz. Auch nach dieser Zeit verstummt die Kritik nicht.

Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden Kesb zerstörten Familien und verschleuderten Steuergelder. Solche Vorwürfe sind zu hören, seit die Kesb vor zehn Jahren in den Kantonen die Vormundschaftsbehörden ablösten.

Nur wenige Fremdplatzierungen

Aktuell begleiten die Kesb in der Schweiz rund 145'000 Menschen. Zwei Drittel sind hilfsbedürftige Erwachsene, ein Drittel Kinder. «Bei Kesb und Kindern denkt man sofort an Fremdplatzierungen – dass sie Kinder aus der Familie nimmt. Das ist aber weitaus die geringste Schutzmassnahme», sagt Stefan Armenti. Er ist Präsident der Kesb Region Solothurn. Die Kesb könne zum Beispiel Eltern bei der Erziehung unterstützen – mit Hilfspersonen oder Kursen.

«Wir kümmern uns im grössten Teil unserer Arbeit um betagte, demenzbetroffene Menschen, die sturzgefährdet und einsam daheim leben», so Armenti. Demente Personen unterstützt die Kesb etwa bei finanziellen Angelegenheiten oder setzt einen Beistand ein.

Schweizweit sind 3.4 Prozent aller Kesb-Fälle Fremdplatzierungen. Solche Einzelfälle werden allerdings oft medial aufgegriffen.

«Wie ein Boxer mit gefesselten Händen»

Über den Kanton Solothurn hinaus sorgte der «Fall Nathalie» für Schlagzeilen. Einem Vater wurde vorgeworfen, seine Tochter bei satanistischen Ritualen missbraucht zu haben. Die Behörden seien untätig geblieben. Später wurde der Vater vollständig entlastet. Dem Mädchen waren die Missbräuche eingeredet worden.

Wegen Persönlichkeitsschutz dürfen wir nichts sagen. Und uns wird vorgeworfen, wir versteckten uns hinter dem Persönlichkeitsschutz.
Autor: Stefan Armenti Präsident Kesb Region Solothurn

Während des ganzen Verfahrens gaben die Behörden keine Auskunft. Die Kesb dürften zu einzelnen Fällen nichts sagen, meint Kesb-Präsident Stefan Armenti. «Ich komme mir dabei vor wie ein Boxer im Ring mit gefesselten Händen. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes dürfen wir nichts sagen. Und uns wird vorgeworfen, wir versteckten uns hinter dem Persönlichkeitsschutz.» Dabei gehe es darum, die Schwächsten zu schützen.

Haarsträubende Sorgerechtsfälle

Das System der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden sei besser als früher mit den Vormundschaftsbehörden in den einzelnen Gemeinden, meint Kesb-Solothurn-Präsident Armenti. Oft entschied vorher der Gemeinderat als Behörde – in Fällen, bei denen sich die Beteiligten manchmal gut kannten. Die Kesb seien nun gewollt weiter weg. Und es seien erfahrene Fachleute am Werk.

Weniger positiv sieht die ganze Sache die Solothurner Mitte-Kantonsrätin Sarah Schreiber. Als Anwältin hatte sie früher mit den Kesb zu tun. Und heute vernehme sie als Politikerin immer wieder von haarsträubenden Fällen – auch mit Kindern. Im Streit ums Sorgerecht würden oft beide Elternteile Anwälte beiziehen. Es komme zu aggressiven Szenen und langen Verfahren.

«Es braucht Feingefühl und Pragmatismus»

Eine weitere Kritik von Schreiber: Oft setzten die Kesb zu schnell auf Profi-Beistände. «Da bracht es Feingefühl und Pragmatismus. Wenn Angehörige unterstützen wollen, sollte dies möglich sein.»

Wenn Angehörige unterstützen wollen, sollte dies möglich sein.
Autor: Sarah Schreiber Solothurner Kantonsrätin die Mitte

Berufsbeistände betreuten zudem meist zu viele Fälle gleichzeitig, meint Kantonsrätin Schreiber. Bei 80 Fällen bleibe pro Person noch 1.5 Stunden Zeit im Monat.

Diesen Punkt erwähnt auch die Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (Kokes), die Vereinigung der Kantone auf diesem Gebiet. Die Kesb brauchten genügend Ressourcen, schreibt die Kokes in einer Mitteilung zum zehnjährigen Bestehen. Pro Person sollten es höchstens 60 Fälle mit Erwachsenen sein oder 50 mit Kindern.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 20.01.2023, 17:30 Uhr ; 

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