Wir sind in einem schmucklosen Gebäude im Grenchner Industriegebiet. Hier hat der Pilzverein Grenchen seine Räumlichkeiten. Wer Pilze gesammelt hat und sich nicht sicher ist, ob er nun die fehlende Zutat für ein schmackhaftes Gourmetmenu gefunden hat oder doch eher ein Ticket zur nächstgelegenen Notfallstation, der ist hier richtig.
Hier ist Seleno Campagna fast jedes Wochenende im Einsatz, um Pilze zu kontrollieren. Gerade kommt ein junger Mann mit einem Korb voller Pilze vorbei. Der Kontrolleur breitet die Fundstücke auf seinem Kontrolltisch aus und mustert jeden einzelnen Pilz akribisch.
Im Korb waren zum Beispiel Pfifferlinge oder Schopftintlinge. «Dieser Schopftintling ist nicht mehr gut, den werde ich weglegen», sagt Campagna dem jungen Mann. Dieser ist ein regelmässiger Sammler, er kennt seine Pilze und doch kommt er immer zur Kontrolle. «Zur Sicherheit», sagt er. Am Schluss erstellt Campagna für den Sammler ein Protokoll, in dem er alle Pilzarten vermerkt.
Gefährliche Arbeit, aber nicht für den Kontrolleur
Ein Pilzkontrolleur müsse sich seiner Verantwortung bewusst sein, denn die Gesundheit von Menschen hängt von seinem Urteil ab, sagt Seleno Campagna. «Im Zweifelsfall werfe ich die Pilze lieber weg.» Ein kleiner Fehler könne fatale Folgen haben. Es sei ihm aber noch nie einer unterlaufen.
Einmal musste eine Frau trotz Kontrolle wegen eines Pilzes ins Spital. Deren Ehemann habe allerdings lediglich drei Pilze aus einer grossen Sammlung vorbeigebracht, sagt Campagna. «Die restlichen Exemplare habe ich nicht begutachten können.» Unter diesen befand sich ein giftiger Tigerritterling. Die Frau musste drei Tage im Spital verbringen.
Was Konsumenten auch ins Spital oder gar ins Grab bringen könnte, ist der grüne Knollenblätterpilz. Diesen findet man ab und zu im Wald. Er landet auch hin und wieder auf Campagnas Kontrolltisch. Der Pilz ist tödlich. «Manche wollen den Knollenblätterpilz mit nach Hause nehmen, dazu müssen sie aber ein Formular unterschrieben», sagt Campagna. Denn dieser Pilz könnte auch als Waffe eingesetzt werden – um jemanden zu vergiften.
Seit 40 Jahren im Einsatz
1987 hat Seleno Campagna die Prüfung zum Pilzkontrolleur bestanden. Seither ist er in der Region Grenchen in mehreren Gemeinden im Einsatz. «Damals war die Atomkatastrophe von Tschernobyl ein grosses Thema für die Pilzsammlerinnen und -sammler», erinnert er sich. Radioaktives Cäsium wurde damals bis in die Schweiz getragen und in Pilzen nachgewiesen. Die Verunsicherung war gross.
Dieses Problem gibt es zwar heute nicht mehr, dennoch sei das Pilzsammeln früher schöner gewesen, sagt Campagna. Wo man früher frei durch den Wald streifen konnte, muss man heute oft nach nur 20 Metern umkehren, weil es wegen Dornen- und Brombeersträucher kaum noch ein Durchkommen gäbe. Trotzdem würden die Leute weiterhin gerne in den Wald gehen.
Pilze sammeln und Töfffahren
Sileno Campagna kontrolliert seit fast 40 Jahren Pilze. «Wenn ich bis zu meinem 70. Geburtstag Pilze kontrollieren kann, warum nicht?» Er hat bereits einige junge Leute ausgebildet, die seine Arbeit übernehmen können. Spätestens mit 70 Jahren möchte der Pilzkontrolleur seine Arbeit in neue Hände übergeben. Und sich vermehrt seinem anderen Hobby widmen, dem Töfffahren.