In der Scheune von Bauer Andreas Schwab im bernischen Walperswil stehen drei grosse Wagenanhänger. Sie sind bis auf den Rand gefüllt mit Kartoffeln.
Es war ein gutes Kartoffeljahr: Milde Temperaturen und Regen zur richtigen Zeit boten den Knollen ideale Bedingungen. «Als Bauer freut man sich zuerst einmal, wenn etwas gelingt», sagt Andreas Schwab.
Die gute Ernte hat aber eine Kehrseite: Bauer Schwab bleibt auf Tonnen von Kartoffeln sitzen. Denn: Mit der Genossenschaft Inoverde besitzt er einen Abnahmevertrag für 200 Tonnen Kartoffeln.
40 Tonnen überschüssige Kartoffeln – das hat Folgen
Aus dem Boden geholt hat er aber rund 240 Tonnen. Die überschüssigen Kartoffeln landen hauptsächlich im Futtertrog der eigenen Kühe und der Kühe eines Berufskollegen im Jura.
Wenn man auf dem Feld entscheiden muss, dass die Kartoffeln verfüttert werden: Das tut schon weh.
Das tue ihm schon weh. Aber: «Es ist die zweitbeste Lösung.» Die beste wäre es, wenn Menschen die Kartoffeln essen würden. Aber auch in einem guten Kartoffeljahr: In der Schweiz landen nicht plötzlich mehr Rösti, Pommes Frites oder Gschwellti auf dem Teller.
Auch wenn die Kartoffeln den Kühen verfüttert werden: Bauer Schwab kriegt dafür etwas Geld. Rund 20 Franken pro 100 Kilogramm Kartoffeln. Das ist weniger als halb so viel, als er im Handel erhalten würde.
Kartoffelkontrolleur checkt künftiges Viehfutter
Doch zuerst müssen die Kartoffeln noch kontrolliert werden – genauso, wie wenn er die Kartoffeln in den Handel geben würde. Für die Kontrolle ist Hans Aeschbacher verantwortlich. Im Auftrag der Firma Qualiservice ist er als neutraler Kartoffelkontrolleur unterwegs. Seine Aufgabe ist es, den Speiseanteil der Kartoffeln festzustellen.
Dafür steigt er auf einen der drei Wagenanhänger, füllt einen Plastikkorb mit 10 Kilogramm Kartoffeln und rüstet diese auf einem Tisch. Die Kartoffeln von Bauer Andreas Schwab haben einen Speiseanteil von 99 Prozent. Das heisst, es gibt fast die volle Entschädigung von 20 Franken pro 100 Kilogramm.
Solidaritätsfonds für Kartoffeln als Rettungsanker
Das Geld stammt aus einem Solidaritätsfonds. «Das ist eine einzigartige Lösung in der Schweiz, wenn nicht sogar in Europa oder weltweit», sagt Niklaus Ramseyer, Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Kartoffelproduzenten. Wer Kartoffeln produziert, verarbeitet oder handelt, bezahlt einen Betrag in den Fonds ein.
Einen solchen Fonds gibt es in keiner anderen Branche.
Die Beiträge werden jährlich neu festgelegt. In diesem Jahr bezahlen Produzentinnen und Produzenten 25 Rappen pro 100 Kilogramm Kartoffeln, Handels- und Industriebetriebe bezahlen 5 Rappen. Verwaltet wird der Fonds von der Vereinigung der Schweizer Kartoffelproduzenten gemeinsam mit der Branchenorganisation Swisspatat. Die Einzahlung ist freiwillig, aber fast alle würden mitmachen, so Ramseyer.
Mit Farbe gegen Kartoffeltrickserei
Bevor Andreas Schwab das Geld aus dem Entschädigungsfonds erhält, muss er die Kartoffeln färben. «Wir verlangen das, weil sonst getrickst wird», sagt Kontrolleur Hans Aeschbacher. Das sei in der Vergangenheit schon passiert: Dass Betriebe ihre entschädigten Kartoffeln trotzdem noch verkauft haben.
Bauer Schwab steigt deshalb mit einer Leiter auf einen der drei Wagenanhänger. Mit einer Spritzkanne schüttet er orange Lebensmittelfarbe auf die Kartoffeln. Es sei schon schade, die qualitativ guten Kartoffeln mit Farbe zu überschütten und den Tieren zu verfuttern, so Schwab. Aber: «Die gute Ernte haben wir ja verkauft. In diesem Sinn ist es immer noch ein gutes Kartoffeljahr.»