- Patientinnen und Patienten mit akuten Erkrankungen sollen künftig vermehrt zu Hause statt im Spital behandelt werden.
- Der Kanton Baselland investiert knapp 10 Millionen Franken, um «Hospital at Home» zu etablieren.
- Am neuen Versorgungsmodell gibt es jedoch auch Kritik.
Die 74-jährige Rita Hinderling aus Laufen erhält an diesem Morgen Besuch. Zwei Mitarbeitende des Kantonsspital Baselland KSBL nehmen eine Blutprobe, geben ihr intravenös Antibiotika und hören die Lunge ab. Hinderling hat regelmässig Lungenentzündungen. Immer wieder wurde sie deswegen in der Vergangenheit im Spital behandelt.
Ein Aufenthalt im Spital ist für mich immer wieder mit Stress verbunden.
Dass sie nun zu Hause bleiben kann, sei eine Erleichterung. «Ein Aufenthalt im Spital ist für mich immer wieder mit Stress verbunden.» Dreimal pro Tag schaut eine Pflegefachkraft vorbei, einmal pro Tag kommt zudem ein Assistenz-Arzt und dreimal pro Woche eine Oberärztin.
Alles ohne viel Technik geht
Hinderling sei ein typischer Fall für «Hospital at Home», sagt der leitende Arzt Severin Pöchtrager – sie würden vor allem ältere Leute behandeln, die an Entzündungen, einer schweren Grippe- oder Coronainfektion oder einer Herzschwäche leiden. «Alles, was man auf der Normalstation ohne grossen technischen Aufwand machen kann, geht auch zu Hause.»
EGK- und Ultraschall-Geräte seien mittlerweile so klein, dass sie bei der Visite im Rucksack immer dabei sind. Und bei Bedarf können mittels Armbanduhr und Brustkleber die Vitalzeichen eines Patienten rund um die Uhr vom Spital aus überwacht werden.
Das Versorgungsmodell ist in Ländern wie Norwegen, Japan, USA oder Australien längst weit verbreitet und etabliert. In der Schweiz gibt es erst einzelne Pilotprojekte, vor allem Privatspitäler testen das Modell.
Im Baselbiet setzt nun erstmals auch ein Kantonsspital auf die Spitalpflege zu Hause. Getestet wurde das Modell in Arlesheim und im Laufental, nun soll es möglichst auf den ganzen Kanton ausgeweitet werden. Dafür hat das Kantonsparlament vor den Sommerferien knapp 10 Millionen Franken bewilligt.
Patienten, die zu Hause behandelt wurden, müssen weniger oft wieder ins Spital.
Die Behandlung in den eigenen vier Wänden habe verschiedene Vorteile, sagt Nicolas Geigy von der Geschäftsleitung des KSBL: «Patienten, die zu Hause behandelt wurden, müssen weniger oft wieder ins Spital.» Daheim käme es zu weniger Zuständen an Verwirrtheit bei Patienten und es gäbe auch weniger Stürze.
Kritik: Rechtliche Grauzone
Die Baselbieter Regierung verspricht sich durch das Modell Einsparungen: Die Fallpauschale liegt rund 10 Prozent unter jener einer stationären Behandlung. Der Regierungsrat rechnet mit einem Einsparpotenzial von 670'000 Franken über drei Jahre – weitere 6 Millionen könnten durch weniger Reha-Aufenthalte eingespart werden.
Doch es gibt auch kritische Stimmen. Urs Roth, SP-Landrat und bis vor kurzem Geschäftsführer des Baselbieter Spitex-Verbandes warnt vor rechtlichen Grauzonen: Die aktuelle Abrechnungspraxis sei nicht mit dem Krankenversicherungsgesetz vereinbar, da Spitäler ihre Leistungen nicht ausserhalb ihres Standorts erbringen dürften. Zudem fehle eine vollständige wissenschaftliche Evaluation und man habe bestehende Organisationen wie die Spitex zu wenig in das Modell eingebunden.
Politische Mehrheit für das Modell
Trotz der Einwände stimmten FDP, Mitte, GLP und SVP dem Projekt zu. Sie sehen darin eine innovative Antwort auf steigende Gesundheitskosten und eine Chance, die Versorgung effizienter und näher an der Patientin zu gestalten – so wie bei Rita Hinderling aus Laufen.