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Zuckerrübenernte Bauern fordern Einsatz von verbotenem Pestizid

Im Berner Seeland und der Westschweiz grassiert ein Virus, das die Zuckerrübenernte bedroht. Um grossflächige Einbussen zu verhindern, soll ein erst gerade verbotenes Pestizid wieder eingesetzt werden können. Die Kritik daran lässt nicht auf sich warten.

Markus Lüscher ist Zuckerrübenproduzent im Berner Seeland. Er rechnet in diesem Jahr mit einem erheblichen Ernterückgang und Ertragseinbussen. Pro Hektare Zuckerrüben beläuft sich der Ertrag im Durchschnitt normalerweise auf rund 4’500 Franken. Jetzt schätzen die Produzenten, dass es 2020 im Durchschnitt nur knapp 3’500 Franken sein werden, also rund 22 Prozent weniger. Mindestens 80 Prozent der Felder im Berner Seeland seien vom Virus betroffen, schätzt Lüscher, Vorstandsmitglied im Berner Bauernverband. Um den Schädling bekämpfen zu können, fordert der Verband nun eine Notfallzulassung des Pestizids, befristet auf drei Jahre.

Das Produkt namens «Gaucho», wurde noch bis 2019 als Pflanzenschutzmittel eingesetzt, dann vom Bund verboten. Auch in der EU ist es nicht mehr zugelassen, da es giftige Nicotinoide enthält.

«Höchst giftiger Stoff»

Andreas Bosshard vom Verein «Vision Landwirtschaft», hält nichts davon, das Spritzverbot aufzuheben. Der Geschäftsführer dieser «Denkwerkstatt unabhängiger Agrarfachleute» ist selber Biobauer im Aargau und kritisiert, dass die Zuckerbranche jahrelang keine Anstrengungen in Richtung von alternativem Pflanzenschutz betrieben habe. Für Bosshard wäre es ein grosser Fehler, wenn wieder auf den verbotenen Stoff zurückgegriffen werden könnte. «Wir sehen das sehr kritisch, der Stoff ist nicht umsonst verboten. Es ist eines der giftigsten Pestizide und Insektizide überhaupt.» Alternativen sieht Bosshard im biologischen Anbau oder in der integrierten Produktion (IP-Suisse), die wenige, und nur wenn zwingend, Pflanzenschutzmittel einsetzt.

Bio-Anteil verschwindend klein

Pro Jahr werden derzeit in der Schweiz auf rund 17’500 Hektaren Fläche Zuckerrüben angebaut. Nur auf ungefähr 150 Hektaren wachsen Bio-Zuckerrüben. Gegen 1’500 Hektaren werden nach IP-Suisse-Kriterien bewirtschaftet, also ohne Fungizide und Insektizide, nur noch zum Teil mit Herbiziden und Kunstdünger, wo unbedingt nötig. Der Bio-Anbau ist jedoch im Vergleich zum konventionellen Anbau sehr viel arbeitsintensiver und teils weniger rentabel. Es sei jedoch das Ziel, den Bio-Anteil jedes Jahr zu verdoppeln, erklärt Josef Meyer, Präsident des Schweizerischen Verbandes der Zuckerrübenpflanzer (SVZ).

Ein Thema für die Öffentlichkeit

Für Markus Lüscher ist klar, dass es sich bei der Notfallzulassung für das Pestizid «Gaucho» um eine Übergangslösung handelt. «Wir müssen auch in Züchtungen und anderen Pflanzenschutz investieren, sodass die Produktion möglichst wenig Einfluss auf die Umwelt hat. Doch das passiert nicht von heute auf morgen». Andreas Bosshard hingegen ist der Meinung, dass dies schon lange hatte passieren müssen. Zumal die Zuckerrübenproduktion «sehr hoch subventioniert» werde und ein grossflächiger Einsatz gefährlicher Pestizide nicht den Erwartungen der Bevölkerung entspreche. Diese wird ein Wort mitreden, wenn die Pestizid- und Trinkwasserinitiativen 2021 an die Urne kommen werden.

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