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Zürich SP will 250 Millionen Franken für gemeinnützige Wohnungen

Die SP will per Initiativen günstige Wohnungen in Zürich fördern. Und muss sich deshalb auch Vorwürfe gefallen lassen.

Bis im Jahr 2050 soll ein Drittel aller Wohnungen in Zürich gemeinnützig sein. Dieses Ziel wurde vor zehn Jahren vom Stimmvolk definiert. Mit der Umsetzung läuft es allerdings nicht nach Wunsch. Bis heute sind gut ein Viertel der Liegenschaften in gemeinnützigem Besitz. Eine signifikante Steigerung konnte in den letzten Jahren nicht herbeigeführt werden.

Nun will die SP das Ruder herumreissen. Die Partei hat am Freitag ein Massnahmenpaket vorgestellt, um den Anteil gemeinnütziger Wohnungen erhöhen zu können. Dabei will sie einerseits gemeinnützige Stiftungen fördern und Immobilienkonzerne am Kauf von Liegenschaften hindern:

  • Die Stadt Zürich und ihre Stiftungen sollen jedes Jahr 500 Wohnungen kaufen und bezahlbar vermieten. Dafür sollen die Stiftungen für preisgünstigen Wohn- und Gewerberaum (PWG), für Alterswohnungen (SAW) und «Kinderreiche» total 250 Millionen Franken erhalten.
  • Gemeinden im Kanton Zürich sollen ein Vorkaufsrecht für fast alle Liegenschaften erhalten.
  • Die Rendite von Immobilienkonzernen soll im ganzen Kanton Zürich beschränkt werden.
  • Um Wohnraum für die Bevölkerung zu sichern, sollen Business-Apartments und kommerzielle Airbnb-Wohnungen stark eingeschränkt werden.

Um diese Ziele zu erreichen, lanciert die SP mehrere städtische und kantonale Initiativen. Die Partei zeigt sich überzeugt: Grosse Immobilienkonzerne würden Haus um Haus kaufen, Neubauten bauen und hohe Mieten verlangen. «Wer heute in der Stadt Zürich eine Wohnung sucht, zahlt doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren», sagt SP-Gemeinderat Florian Utz.

Eine Karte, auf der der gemeinnütze Wohnraum in Zürich gekennzeichnet ist.
Legende: In der Stadt Zürich ist erst gut ein Viertel der Liegenschaften gemeinnützig. Das Volk hat das Ziel von einem Drittel bis 2050 definiert. Stadt Zürich

Gehe diese Entwicklung wie in den letzten zehn Jahren weiter, würde bis 2050 zudem jede zweite Mietwohnung in Zürich einem Immobilienkonzern gehören, glaubt die SP. Deshalb sei nun – 10 Jahre nach der Abstimmung – die Zeit zum Handeln gekommen.

Initiativen just im Wahlkampf

Der Zeitpunkt für das Bündel an Initiativen ist für die SP aber auch aus einem zweiten Grund ideal. Rund zweieinhalb Monate vor den städtischen Regierungs- und Parlamentswahlen bewirtschaftet die Partei damit eines ihrer grössten Wahlkampfthemen. Warum auch sonst sollte die SP als wählerstärkste Partei der Stadt gleich mehrere Initiativen einreichen, das politische Mittel der Opposition? Diesen Vorwurf lässt Florian Utz nicht gelten: «Es ist nicht Wahlkampf, sondern es geht darum, ein existierendes Problem anzupacken und zu lösen.»

Anders sieht dies der Zürcher Hauseigentümerverband. Direktor Albert Leiser sagt, dass diese Initiativen allesamt «Luftheuler für die Wahlen» seien. Er ist der Ansicht, dass nicht einfach Geld ausgeschüttet werden soll, sondern dass gezielt dort unterstützt werden muss, wo Hilfe nötig ist – also dort, wo Einkommen und Mieten zu stark auseinanderdriften. «Wir müssen mit dem 33 Prozent-Ziel nicht einem Drittel der Stadt helfen», ist Leiser überzeugt.

Der Direktor des Zürcher Hauseigentümerverband stört sich daran, dass die SP keinerlei Lösungen aufzeigt, wie eine gute Durchmischung mit Eigentum hergestellt werden kann. Grundsätzlich müssten laut Leiser mehr Wohnungen gebaut werden, sodass das Angebot grösser wird als die Nachfrage. Und um dieses Ziel zu erreichen, müsse zwingend auch die Agglomeration miteinbezogen werden.

Interview mit dem Stadtzürcher Finanzvorsteher Daniel Leupi

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Zürichs Finanzvorsteher Daniel Leupi informiert vor einem Modell des neuen Kochareals über günstigen Wohnraum.
Legende: Zürichs Finanzvorsteher Daniel Leupi informiert vor einem Modell des neuen Kochareals über den Bau von gemeinnützigem Wohnraum. Keystone

SRF News: Daniel Leupi, haben Sie zu wenig gemacht, um den Anteil gemeinnütziger Wohnungen zu vergrössern?

Daniel Leupi: Ob man zu wenig gemacht hat, ist die Frage nach dem halbvollen oder halbleeren Glas. Klar ist: Die Nachfrage nach günstigem Wohnraum ist gross, der Preisdruck ist riesig und die Mieten werden teilweise immer teurer. Auf der anderen Seite hat die Stadt in den letzten zehn Jahren so viel gemacht wie seit den 1960er-Jahren nicht mehr – was eigene Wohnsiedlungen angeht oder die Vergabe von Baurecht. Und wenn wir schauen, was dazu noch Wohnbaugenossenschaften gemacht haben, ist das Angebot in absoluten Zahlen sehr stark ausgebaut worden. Aber die Nachfrage ist nach wie vor grösser und das wird wahrscheinlich auch so bleiben, weil die Stadt attraktiv ist und immer mehr Menschen kommen.

In absoluten Zahlen ist die Zahl der gemeinnützigen Wohnungen gestiegen, in Relation mit dem, was Private gebaut haben, jedoch nicht. Der Anteil gemeinnütziger Wohnungen ist in den letzten zehn Jahren nicht grösser geworden. Obwohl dies damals 76 Prozent der Stimmbevölkerung verlangt haben…

Das ist so. Wir haben mit unseren Bemühungen gerade mal den Bestand halten können. Die Bestimmungen in der Gemeindeordnung haben sicher dazu geführt, dass die Stadt mehr tut als früher und so gesehen nehmen wir das Ziel auch sehr ernst. Man muss aber auch sehen: Der Nachfragedruck auf dem Immobilienmarkt ist – anders als vor zehn Jahren – nochmals massiv gestiegen, die Zahlungsbereitschaft von Privaten für Liegenschaften, die auf den Markt kommen, ist fast schon unendlich hoch und da kommen die Stadt und Wohnbaugenossenschaften an ihre Grenzen.

Grosse Immobiliengesellschaften – und auch die Pensionskassen – konnten sich mehr Zürcher Boden sichern. Vor zehn Jahren betrug ihr Anteil 25 Prozent, heute 33 Prozent. Gibt Ihnen das nicht zu denken, wenn die Privaten so zulegen können?

Es gibt auf diese Weise zu denken: Viele Menschen, die durch einen Erneuerungsprozess ihre Wohnung verlieren, haben wirklich Mühe, eine neue Wohnung in ihrem Budgetbereich zu finden. In diesem Punkt hat die Stadt Zürich ein soziales Problem und da bemühen wir uns auch, Wohnungen zu schaffen. Und in diesem Sinn sind auch die Forderungen, die jetzt kommen, ein Ausdruck davon, dass die Stadt die Problematik ernst nehmen und weiter günstige Wohnungen schaffen muss.

Und wie wollen sie das machen? Mit welchen Instrumenten?

Also in erster Linie versuchen wir sicher unsere eigenen Areale zu entwickeln – wie zum Beispiel auf dem Koch-Areal, das wir kaufen konnten und wo jetzt ein paar hundert gemeinnützige Wohnungen entstehen. Die Stadt begutachtet Areale, die bald saniert werden müssen, und erörtert dort, was an zusätzlichem Wohnraum erstellt werden könnte. Zudem hat die Stadt seit einem halben Jahr die Kompetenz, direkt auf dem Liegenschaftsmarkt zu kaufen. Aktuell stellen wir deshalb Leute ein, die dort für die Stadt auftreten. Das sind ein paar Beispiele, wie wir versuchen, die Ziele zu erreichen.

Die Stadt hat noch 21 Jahre Zeit, das Ziel von einem Drittel gemeinnütziger Wohnungen zu erreichen. Gemäss Ihren Aussagen dürfte dies aber ein äusserst steiniger Weg werden…

Man hat schon damals gesagt, dass es eine Herausforderung wird. Seit der Abstimmung sind zehn Jahre vergangen und wir sind noch dabei – in einem sehr harten Umfeld, mit sehr harter Konkurrenz, die fast unermessliche, finanzielle Mittel besitzt. Wir werden uns bemühen, weiterhin für möglichst viele Menschen mit geringem Einkommen Wohnraum zu schaffen. Wir müssen aber auch sehen: Die Stadt Zürich hat einen so grossen Bestand an gemeinnützigen Wohnungen wie keine andere Stadt in der Schweiz. Von daher ist das Glas mehr als halbvoll. Und wir werden versuchen, es zu drei Viertel zu füllen.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 17:30 Uhr ; 

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