Zum Inhalt springen

Zug So arbeiten die Fachleute für häusliche Gewalt bei der Polizei

Nach dem Polizeieinsatz vor Ort begleitet in Zug die «Fachstelle Häusliche Gewalt» betroffene Familien. Ein Gespräch.

Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt sind weit verbreitet. Laut einem Bericht des Bundes stirbt in der Schweiz alle zweieinhalb Wochen eine Frau an den Folgen eines solchen Übergriffs. Schätzungsweise 27'000 Kinder sind jedes Jahr mitbetroffen. 2020 wurde ein neuer Höchststand im Bereich der häuslichen Gewalt registriert.

Auch die Zuger Polizei rückt wegen Gewalt in den eigenen vier Wänden täglich aus. Nach dem Einsatz der Polizei vor Ort werden die Betroffenen weiterhin begleitet. Dies übernimmt die Fachstelle Häusliche Gewalt.

SRF News: Die Polizei geht vor Ort, wenn in einer Wohnung etwas vorgefallen ist. Sie von der Fachstelle lesen deren Berichte durch. Werden Sie nur aktiv, wenn Gewalt im Spiel ist oder auch, wenn es sich um einen Streit ohne Gewalt handelt?

Nicole Argenton: Wir werden in beiden Fällen aktiv. Wenn strafrechtlich nichts vorgefallen ist, schauen wir die Familie trotzdem genauer an: Wer lebt in diesem Haushalt, sind Kinder involviert? Wir machen weitere Abklärungen bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Dasselbe machen wir natürlich auch in den Fällen, in denen strafbare Handlungen vorgefallen sind.

Wie nehmen Sie mit den Betroffenen Kontakt auf?

Wir haben mit allen Beteiligten ein paar Tage nach der polizeilichen Intervention mindestens telefonisch Kontakt. Wenn es zur häuslichen Gewalt mit strafbaren Handlungen gekommen ist, kann es auch sein, dass wir Präventivansprachen durchführen. Das heisst: Die Beteiligten werden auf den Polizeiposten vorgeladen. Diese Gespräche führen wir dann immer in Zusammenarbeit mit der Fachstelle Gewaltschutz.

Wie erfolgreich sind Ihre Interventionen?

Die Erfahrung zeigt, dass Wiederholungsfälle rückläufig sind. Bei den Telefongesprächen versuchen wir die Ursache der Eskalation herauszufinden und machen die Beteiligten frühzeitig auf Hilfs- und Beratungsangebote aufmerksam.

Die Erfahrung zeigt, dass Wiederholungsfälle rückläufig sind.

Wenn es einen Wiederholungsfall gibt, laden wir immer Opfer und Täter zu einem Gespräch ein. Es geht dabei auch darum, eine klare Grenze zu ziehen. Zu zeigen, dass wir dieses Verhalten nicht tolerieren.

Bei häuslicher Gewalt sind die Mehrheit der Opfer Frauen. Wie wichtig ist es, dass die Opfer eine Frau als Ansprechpartnerin haben?

Das ist zentral. Vor allem beim Polizeieinsatz vor Ort. Die ersten Einvernahmen finden immer geschlechtergetrennt statt. Und bei uns auf der Fachstelle Häuslicher Gewalt sind wir drei Polizistinnen, welche die telefonischen Kontakte herstellen.

Erleben Sie auch Bedrohung?

Nein, wenn wir ein paar Tage nach dem Polizeieinsatz anrufen, sind die Betroffenen meistens überrascht und manchmal auch nicht sehr erfreut, dass sich die Polizei im Nachgang nochmals meldet. Aber die Mehrheit findet es gut, dass wir nochmals nachfragen. Ein Polizeieinsatz vor Ort ist eine einschneidende Situation und ein Eingriff in die Privatsphäre. Die Polizei interveniert und geht wieder. Wir haben später nochmals Kontakt und können dann auch noch viele Fragen beantworten.

Dass die Opfer das schätzen, ist nachvollziehbar. Wie aber reagiert ein mutmasslicher Täter?

Das ist unterschiedlich. Wenn Täter nach häuslicher Gewalt für zehn Tage weggewiesen werden, sind sie oft sehr sensibel: Sie sind nicht mehr im gewohnten Umfeld, können niemandem erzählen, was passiert ist. Wir sind in dieser Zeit ein wichtiger Gesprächspartner. Wir machen auf die Konsequenzen aufmerksam. In dieser Zeit können wir sie auch motivieren, die Gewaltberatung aufzusuchen, damit sie das Verhalten ändern können.

Das Gespräch führte Mirjam Breu

Regionaljournal Zentralschweiz, 12.12.20021, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel