Mehrere Dutzend Kälbchen empfangen den Besucher auf dem Hof von Martin Schuler. Links und rechts der Hofeinfahrt stehen und liegen sie in ihren Einzel-Mast-Iglus aus weissem Kunststoff.
Auf der Weide grasen Rinder, während die Milchkühe in zwei grossen, mit Ventilatoren belüfteten Ställen liegen und Rauhfutter kauen. Im ganzen sind es gegen 300 Kühe, die rund 1,6 Millionen Kilogramm Milch pro Jahr geben.
Damit ist Bauer Schuler schon jetzt einer der grösseren Milchproduzenten im Land. Doch der 34-Jährige denkt bereits weiter: Er plane eine Erweiterung um 50 Prozent: «Zielgrösse sind 400 bis 450 Milchkühe. Plus Rinder», sagt er. Insgesamt sollen dereinst also zwischen 700 und 800 Tiere in einem einzigen, hochmodernen Stall stehen.
Ihre Milch soll direkt vor Ort in der eigenen Molkerei veredelt werden. Nur so könne der Betrieb überleben. Heute sei er schlicht zu klein, so Schuler. Wegen der tiefen Milchpreise müsse die Effizienz gesteigert werden. «Heute reicht es nicht.»
Ein Gebäude so gross wie zwei Fussballfelder
Die Lösung hat der Zuger im Ausland gefunden: Ein «all-in-one-Stall», in dem Jungtiere und Milchkühe zusammen gehalten werden, steigert die Effizienz. Und das mit dreimal mehr Platz als vom Tierschutzgesetz vorgeschrieben, mit transparentem Dach, damit viel Licht einfällt und mit ausgeklügelter Bauweise für eine optimale Belüftung.
Gebaut würde das 230 Meter lange, 50 Meter breite und 20 Meter hohe Stallgebäude auf der grünen Wiese hinter den bestehenden Gebäuden. Kosten würde das Projekt fünf Millionen Franken. Dafür erhielten die Tiere ein «Luxus-Resort», schwärmt Bauer Schuler.
Wenig Freude beim Landschaftsschutz
Oder handelt es sich doch eher eine «gigantische Tierfabrik», wie die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz das Grossprojekt «Chueweid» nennt? Nach einem Besuch in Hünenberg lobt Geschäftsführer Raimund Rodewald zwar viele Ideen Schulers. Aber das Projekt sei einfach viel zu gross und passe nicht in die Landschaft.
Der Bauer müsse deshalb noch einmal über die Bücher. «Bauer Schuler wäre mit einer kleineren Tierzahl und etwas angepassteren Weidewirtschaft – ohne in Abhängigkeit von Futterlieferanten und Gülle-Abehmern – vielleicht besser beraten», so Rodewald.
Ich wünsche mir eine Landwirtschaft, die das produziert, was mit den eigenen Ressourcen gemacht werden kann.
Das finden auch andere Umweltverbände. Die 35 Hektar Land, welche zum Hof von Bauer Schuler gehören, seien viel zu wenig für so viele Tiere. Bei der Futterversorgung und bei der Verwertung von Mist und Gülle hänge Schuler deshalb stark von umliegenden Betrieben ab, schreibt etwa Pro Natura.
Zumal es sich dabei um Betriebe handle, die zum Teil selber schon grosse Mengen an tierischem Dünger produzierten. Es sei fraglich, ob dann in der eh schon stark belasteten Reusstalebene die Futter- und Düngerbilanz noch aufgehe.
Das Stimmvolk entscheidet über Zonenplanänderung
Sicher ist: Die Gemeinde Hünenberg müsste für das Projekt Schulers eine spezielle Zone für Intensivlandwirtschaft schaffen. Ob das in dem Ort, der sich längst vom bescheidenen Bauerndorf in eine wohlhabende Vorortsgemeinde von Zug entwickelt hat, mehrheitsfähig ist, bleibt vorerst offen.
Letztlich geht es aber um die Frage, welche Art von Landwirtschaft wir in der Schweiz wollen. Für Landschaftsschützer Rodewald ist die Antwort klar: Er wünsche sich eine Landwirtschaft, die vor allem von den Ressourcen auf dem eigenen Hof leben könne. «Eine Landwirtschaft, die das produziert, was vor Ort, mit den eigenen Ressourcen, gemacht werden kann.» Das aber würde grosse Produzenten mit kleinem Landbesitz ausschliessen.
Es hat doch Platz sowohl für traditionelle Betriebe wie für leistungsstarke Grossbetriebe.
Dabei müsste es doch Platz für alle haben, findet Bauer Schuler; dazu gehörten sowohl traditionelle Höfe wie leistungsstarke Grossbetriebe. «Es gibt kein Richtig oder Falsch. Es hat doch Platz für beide.»
Bauer Schuler erwägt auszuwandern
Für ihn selber könnte der Platz in der Schweiz allerdings eng werden. Wenn er nicht ausbauen könne, überlege er sich auszuwandern, sagt Schuler. In Nord- oder Südamerika, aber auch in Frankreich oder Deutschland lasse sich als Herden-Manager in Betrieben mit vielen tausend Tieren durchaus gutes Geld verdienen.
Übrigens stösst das Projekt «Chueweid» nicht nur in Landschafts- und Umweltschutzkreisen auf Widerstand. Auch in bäuerlichen Kreisen ist es umstritten. So finden das Projekt laut einer Umfrage der Zeitschrift «Schweizer Bauer» bloss 43 Prozent der Teilnehmenden in Ordnung. Für gut die Hälfte ist das Projekt zu gross.