Alt Bundesrat Flavio Cotti ist tot. Der CVP-Politiker starb am Mittwoch im Alter von 81 Jahren an Komplikationen im Zusammenhang mit einer Corona-Erkrankung. Wie war Cotti als Politiker? Der Kommunikationsberater Iwan Rickenbacher war während Cottis Amtszeit im Bundesrat Generalsekretär der CVP und kannte ihn gut.
SRF News: Wie war Flavio Cotti als Politiker?
Iwan Rickenbacher: Ich erinnere mich an harte Auseinandersetzungen im Departement des Innern, bei denen er auch Mitarbeitern etwas an den Karren fahren konnte – und sich nachträglich bei ihnen bedankte für ihre guten Beiträge und sich für sein harsches Vorgehen entschuldigte. Cotti war ein Mann, der die Leistung der Menschen vor seinen sonstigen Gefühlen zu schätzen wusste.
Also auch jemand, der ein harter Chef sein konnte?
Flavio Cotti war ein Bundesrat, der sehr viel gefordert hat von seinen Mitarbeitern. Aber er war auch einer, der starke Personen um sich schätzte. Mit starken Bundesamtsdirektoren wie zum Beispiel Thomas Zeltner im Bundesamt für Gesundheit schuf er dann auch seine Erfolge. Das Krankenversicherungsgesetz KVG zum Beispiel schuf er mit starken Verwaltungen.
Für welche anderen grossen politischen Errungenschaften bleibt er in Erinnerung?
Der Sprachenartikel in der Bundesverfassung ist neben dem KVG eine andere Errungenschaft. Auch eine Sache, die lange hin- und hergeschoben wurde, wo es darum ging, die rätoromanische Sprache aufzuwerten, das war ihm als Lateiner natürlich sehr nahe. Wie er dann ins Departement des Äussern wechselte, war wahrscheinlich seine grosse Hoffnung, die Schweiz in die UNO zu führen. Das blieb ihm dann aber versagt.
Cotti sprach perfekt Deutsch und konnte damit auch seine Ideen, wie man die lateinische Schweiz besser positionieren könnte, in den Herzen und Köpfen der Menschen besser vertreten.
Cotti gab dem Kanton Tessin in der Deutschschweiz ein Gesicht. Was bedeutete ihm sein Heimatkanton?
Er bedeutete ihm sehr viel. Aber nicht auszublenden ist, dass er seine Gymnasialzeit im Benediktiner Gymnasium in Sarnen absolvierte. Cotti verstand die Deutschschweizer, die Mehrheit in unserem Land, sehr gut. Er sprach auch perfekt Deutsch und konnte damit auch seine Ideen, wie man die lateinische Schweiz besser positionieren könnte, in den Herzen und Köpfen der Menschen besser vertreten.
Cotti war pro Europa, war weltoffen. Er wollte den EU-Beitritt anstreben. Sind seine Werte in der heutigen CVP immer noch wichtig?
Ich denke, er hätte wahrscheinlich Mühe gehabt, die CVP umzutaufen in «Die Mitte». Aber in einer Partei zu leben, die den Ausgleich, den Kompromiss sucht, da hätte sich Cotti auch in der heutigen CVP sehr wohl gefühlt. Man darf nicht ausblenden, dass Cotti Vertreter einer sprachlichen und kulturellen Minderheit und darum auf Ausgleichslösungen angelegt war.
Das Gespräch führte Marc Allemann.