Dick Marty stand oft im Rampenlicht. Vor kurzem noch stellte der schwerkranke 78-Jährige sein letztes Buch mit dem für ihn so typischen Titel «Verità irreverenti» vor (auf Deutsch: «Respektlose Wahrheiten»).
Darauf angesprochen, forderte Marty gegenüber dem Tessiner Radio erst vor einem Monat: «Die Schweiz müsste die Stimme sein, die sich auf der Welt für die Menschenwürde einsetzt.»
Die aktuelle Welt sei auf besorgniserregende Weise aus dem Gleichgewicht geraten, beklagte Marty. Er hat seine Meinung nie zurückgehalten. Und dabei viele vor den Kopf gestossen. Mit seiner Geradlinigkeit und seiner Schaffenskraft hat er sich aber den Respekt von fast allen verschafft.
Dick Marty hat die Wahrheit gesucht. Und dieses Merkmal ist selten geworden.
Die Worte seines Weggefährten, des Tessiner Anwalts Paolo Bernasconi, sind darum sehr typisch: «Er hat wirklich die Wahrheit gesucht. Und dieses Merkmal ist selten geworden.» Dass der Wahrheitssucher Marty nicht mehr ist, macht deshalb nicht nur im Tessin betroffen.
Marty hat die Wahrheit gesucht als Tessiner Staatsanwalt im Kampf gegen das organisierte Verbrechen und den Drogenhandel. Er hat die Drogenroute von Amerika in die Schweiz aufgedeckt.
Das eigene Haus als Festung
Er hat als Berichterstatter des Europarats eine Gruppe der kosovarischen Befreiungsarmee beschuldigt, Menschen innere Organe entnommen und verkauft zu haben.
Sein Bericht führte dazu, dass Marty Ende 2020 unter massiven Polizeischutz gestellt wurde. Sein Haus wurde zur Festung. Dieser monatelange Hausarrest hat ihm zugesetzt. Bereut hat Marty aber nichts: «Wenn alle einfach aufgeben, dann würden diese Kriminellen gewinnen.»
Er sei ein sehr glücklicher Mensch, hat Marty einmal gesagt. Er sei mutig auf die Welt gekommen. Mut könne man nicht erlernen. «Das Leben hat gewisse Risiken. Wer keine Risiken eingeht, der überlebt nur – und das möchte ich nicht.»
Marty war zufrieden mit seinem Leben. Mit seinem Familienleben, wie er jüngst regelmässig unterstrich. Marty hat gesagt, man höre auf zu leben, wenn man gleichgültig werde. Nun ist er an einem Krebsleiden gestorben.