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Zweiter Frauenstreik Der Druck steigt

«Wir werden eine Million sein!» So antwortete eine Aktivistin am 8. März dieses Jahres – dem internationalen Frauentag – halb scherzend auf die Frage, wie viele Frauen sich in der Schweiz für einen Frauenstreik mobilisieren lassen würden.

So ganz traute sie ihrer Aussage wohl selber nicht. Zwar sind zur Stunde noch keine genauen Zahlen bekannt, doch klar ist: Der Aufruf zum Frauenstreik wurde von Hunderttausenden gehört und befolgt. Nicht nur in den Städten, auch in den Dörfern, auf den Berghöhen, in den Kirchen und auf den Feldern. Der Streik mobilisierte nicht nur Frauen der Linken, sondern führte zu einer Solidarisierung bis weit ins bürgerliche Lager, verbindet Jung und Alt. Warum?

Nicht weit schauen für die Gründe

Das hat gleich mehrere Ursachen. Zum einen sind sie international: Der «Women‘s March» in den USA und die #MeToo-Debatte lösten global Diskussionen zum Thema Sexismus aus und politisierten viele – gerade junge Frauen.

Dazu kommt die Macht der sozialen Medien, welche nicht nur die Debatten verbreiteten, sondern auch die Möglichkeit bieten, sich viel besser und schneller zu vernetzen, als das noch 1991 beim ersten Frauenstreik der Fall war.

Doch um einen Grund für einen Frauenstreik zu finden, musste frau nicht über die Landesgrenzen hinausblicken, sondern fand ihn auch in der Schweiz: Unerklärliche Lohnunterschiede, schlechtere Altersvorsorge, die immer noch schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die immer noch massiv schwächere Vertretung in Kaderstellen in der Politik und insbesondere in der Wirtschaft.

Enorme Sichtbarkeit

Die Folge: Noch selten wurde in der Schweiz derart intensiv, ausführlich und kontrovers über die Themen Gleichberechtigung und Diskriminierung von Frauen diskutiert, wie in den letzten Tagen und Wochen. Das Thema Gleichberechtigung hat eine enorme Sichtbarkeit erhalten. Der Druck auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hat zugenommen, weitere Schritte in diese Richtung zu machen.

Wie nachhaltig die Folgen dieser enormen Mobilisierung sein werden und ob es gelingt, das Thema Gleichstellung auf der Agenda zu halten und in konkrete politische Ergebnisse umzuwandeln, wird sich zeigen. Einen ersten Gradmesser gibt es bereits nächste Woche – wenn der Ständerat über Geschlechterquoten für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen diskutiert. Wie ernst es der Bevölkerung mit der Frauenförderung ist, zeigt sich spätestens im Herbst – bei den nationalen Wahlen.

Sabine Gorgé

Bundeshausredaktorin

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Sabine Gorgé ist Bundeshausredaktorin des Schweizer Fernsehens. Zuvor arbeitete sie unter anderem als Inlandredaktorin bei Radio SRF. Sie hat an der Universität Bern Geschichte, Politik und Medienwissenschaft studiert.

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