«Zwei Trucker wie wir, die kennen keinen Frust» singen die beiden deutschen Country-Sänger Larry Schuba und Tom Astor. Damit treffen sie heute nicht mehr ins Schwarze. Gängelnde Vorschriften, endlose Staus, zermürbende Standplatzsuche und ständiger Zeitdruck haben dem Brummifahrer-Job viel Romantik genommen.
Das ist ein Grund, wieso es immer weniger Chauffeurinnen und Chauffeure gibt – die Lastwagen drohen, stillzustehen. Eine mögliche Lösung des Problems: Transportfahrzeuge, die ohne menschliche Hilfe fahren, autonom. Galt die Digitalisierung noch vor kurzem als Vernichter von Arbeitsplätzen, könnte sie in der Branche nun zum Heilsbringer werden.
Personen- und Nutzfahrzeuge wurden in den letzten Jahren immer selbständiger, doch der Schein trügt: Bis zum voll autonomen Lastwagen liegt noch mehr Entwicklungsarbeit vor uns als bis anhin geleistet wurde.
Das letzte Viertel ist das happigste
Marcel Strub, Geschäftsführer des Dynamic Test Center Vauffelin, verweist auf das «Pareto-Prinzip» des italienischen Ingenieurs, Ökonomen und Soziologen Vilfredo Pareto. Es besagt, dass 80% der Ergebnisse mit 20% des Aufwandes erreicht werden. Die verbleibenden 20% der Ergebnisse erfordern dann aber mit 80% des Gesamtaufwandes die meiste Arbeit. Bei der Entwicklung des autonomen Lastwagens ist also noch nicht einmal die Halbzeit erreicht.
Zwar haben sich die Assistenzsysteme der Autos in den letzten zehn Jahren rasant weiterentwickelt, bis hin zum neusten Personenwagen von Mercedes. Das Fahrzeug kann auf deutschen Autobahnen legal bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h alleine fahren. Vom digitalen Chauffeur, von Autos, die jederzeit und überall ohne Mensch am Steuer durch die Gegend kurven, sind wir dennoch meilenweit entfernt – so weit, dass sich viele Experten fragen, ob dieser Traum je realisiert werden kann. Und falls ja: ob sich die Entwicklung dann auch rechnet.
Erster Hersteller steigt aus
Ford hat diese Fragen kürzlich für sich beantwortet und ein Projekt mit vollautonomen Fahrzeugen auf Eis gelegt. Der Hersteller will stattdessen in Assistenzsysteme investieren, die zwar weniger können, dafür aber schon sehr weit entwickelt sind und teils von aktuellen Oberklasse-Modellen bereits genutzt werden.
Anders sehe es bei Nutzfahrzeugen aus, sagt Marcel Strub. Hier kann sich die Entwicklung wirtschaftlich lohnen, weil durch hohe Automatisierung im Fuhrpark ein Logistikunternehmen Geld sparen könne. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Fahrzeuge auf einem abgeschlossenen Gelände zum Einsatz kommen, etwa in einer Kiesgrube. Diese Einschränkung reduziert die technischen Herausforderungen beträchtlich.
Viele Hersteller von Nutzfahrzeugen haben für solche Anwendungen eigene Forschungs- und Kompetenz-Zentren auf die Beine gestellt, zum Beispiel Volvo . Der schwedische Hersteller lässt unter anderem Dumper in Minen und Kiesgruben herumfahren, ganz ohne Chauffeur - auch in der Schweiz.
Autonom fahren im Steinbruch
Das Pilotprojekt von Holcim im Steinbruch «Gabenchopf» in Siggenthal steht kurz vor dem Abschluss. Ziel ist ein Regelbetrieb, denn die Vorteile der autonomen Dumpers liegen auf der Hand: Sie können 24-Stunden arbeiten und werden nicht durch Sicherheitsvorschriften eingeschränkt, die für menschliche Arbeiter gelten.
Eine Kiesgrube eignet sich als Einsatzort für autonome Fahrzeuge aus verschiedenen Gründen: Die Fahrwege sind genau definiert; die Fahrzeuge bewegen sich auf einem privaten, abgeschlossenen Gelände ohne chaotischen Mischverkehr und viele rechtliche Fragen wie etwa die Haftung sind klarer geregelt als im öffentlichen Raum.
Kein Wunder setzten neben Volvo auch andere Hersteller zuerst einmal auf vergleichbare Umgebungen, einen Hafen etwa. Doch dabei bleibt es nicht. Bereits wagen sich die ersten Hersteller weiter und planen den Schritt auf die Autobahn.
Hamburg als Teststadt für autonome Lastwagen
Im Rahmen eines Pilotprojektes fuhren im Hamburger Hafen während drei Jahren Sattelschlepper ohne Chauffeur auf kurzen Strecken zwischen Terminals hin und her. Der Test wurde letztes Jahr abgeschlossen.
In der nächsten Phase sollen nun mindestens zwei 40-Tönner den Containerhafen mit der Autobahn verbinden. In Zukunft sollen dann irgendwann Sattelschlepper von Rotterdam über Hamburg bis nach Norwegen fahren und so verschiedene «Hubs» verbinden – und das auf Automatisierungs-Stufe Level 5, also ohne Fahrerinnen und Fahrer.
Das Forschungs- und Entwicklungs-Projekt Atlas-L4 will schon 2025 selbstfahrende Lastwagen auf die Strasse bringen, in deren Kabinen aus Sicherheitsgründen zwar immer noch ein Chauffeur sitzen muss, der sich aber für eine gewisse Zeit anderen Arbeiten zuwenden kann.
Ein Chauffeur lenkt mehrere Lastwagen?
Denkbar ist auch, dass in Zukunft ein Chauffeur mehrere Lastwagen lenkt. Das Prinzip heisst «Platooning»: Mehrere Fahrzeuge fahren automatisiert hinter einem Führungsfahrzeug in Kolonne. Der Fahrer des ersten Lastwagens gibt Tempo und Richtung vor, alle anderen folgen ihm, lenken und bremsen selbsttätig im Takt des Führungsfahrzeugs.
Der Abstand zwischen den Lastwagen beträgt nur rund 20 Meter. Das ist möglich, weil die Fahrzeuge ständig Daten über den Zustand des «Platoons» austauschen, die Geschwindigkeit, die Beschleunigung, die Bremsverzögerung und die GPS-Position. So können die hinteren Fahrzeuge ohne Verzögerung reagieren.
«Platooning» ist ein cleveres Konzept, das den Chauffeur sozusagen multipliziert und zudem auch noch Treibstoff spart, weil die Fahrzeuge im Windschatten fahren.
In der Schweiz lohnt sich der Aufwand dafür aber kaum. Anders als zum Beispiel in Skandinavien sind die Strecken sehr kurz und es gibt sehr viele Ein- und Ausfahrten, was das «Platooning» erschwert.
Dennoch wird auch bei uns die Automatisierung von Transportfahrzeugen zumindest auf gut kontrollierbaren, abgegrenzten Gebieten in den nächsten Jahren vermehrt zum Alltag gehören – nicht nur in Kiesgruben.
Wir sind deine Korrespondenten aus der digitalen Welt. Ist ein Chip drin oder hängt es am Internet? Wir berichten wöchentlich. Smartphones, soziale Netzwerke, Computersicherheit oder Games – wir erklären und ordnen Digitalisierungs-Vorgänge ein, seit 2006
Um diesen Podcast zu abonnieren, benötigen Sie eine Podcast-kompatible Software oder App. Wenn Ihre App in der obigen Liste nicht aufgeführt ist, können Sie einfach die Feed-URL in Ihre Podcast-App oder Software kopieren.