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Ärztin in weissem Kittel zuckt hilflos lächelnd mit den Schultern
Legende: Nicht nur Allgemeinmediziner sind mit seltenen Krankheiten meist überfordert. Es fehlt an Wissen und Erfahrung. imago

Seltene Krankheiten Mit dem Leiden zwischen Stuhl und Bank

Wenn von einer Krankheit nur wenige Menschen betroffen sind, wird die Behandlung teuer. So überhaupt eine existiert.

Auch wenn die Bezeichnung etwas anderes vermuten lässt: Seltene Krankheiten kommen alles andere als selten vor. Tatsächlich sind weltweit rund 8000 bekannt – und beinahe täglich kommt eine neue hinzu.

Was eine Krankheit «selten» macht, ist die geringe Anzahl Menschen, die daran leidet: gemäss Definition maximal fünf von 10'000. Auf die Zugehörigkeit zu diesem exklusiven Kreis würden Betroffene liebend gerne verzichten, denn sie beschert ihnen nichts als Ärger.

Neuer Trägerverein

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Am 22. Juni wurde die «Nationale Koordination Seltene Krankheiten» kosek gegründet. Kantone, Patientenorganisationen, Leistungserbringer und die SAMW möchten gemeinsam die Versorgungssituation von Betroffenen von seltenen Krankheiten in der Schweiz verbessern und den Anschluss an internationale Entwicklungen und Forschung fördern.

Anlaufstellen

Probleme über Probleme

Seltene Krankheiten sind sehr oft schwer, chronisch und meist lebensbedrohend. Viele führen zu mehrfachen Behinderungen und beeinträchtigen die Lebensqualität massiv.

Bis es zu einer Diagnose kommt, dauert es meist Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte – so überhaupt je eine gestellt wird. Die Erkrankten werden von Arzt zu Arzt weitergereicht, denen es am erforderlichen Fachwissen oder an der Erfahrung fehlt, um das Krankheitsbild richtig einzuordnen. Selbst wenn es Experten für ein Leiden gibt, kommen diese so gar nie zum Zuge.

Ist das Leiden erkannt, bedeutet das noch lange keine Aussicht auf Heilung. Für die meisten seltenen Krankheiten gibt es keine Medikamente oder Therapien. Das liegt an der kleinen Anzahl Betroffener, die klinische Studien schwierig bis unmöglich macht. Es liegt aber auch an den fehlenden wirtschaftlichen Anreizen für die Pharmabranche, für derart wenige Patienten den immensen Aufwand zu betrieben, ein zulassungsfähiges Medikament zu entwickeln.

Gibt es eine Therapie, ist die meist teuer. Sehr teuer. Und es ist nicht gesagt, dass die Krankenkasse dafür aufkommt. Ist die Arznei auf der Spezialitätenliste des BAG aufgeführt, sieht es gut aus. Ist das nicht der Fall, wird die Kostenübernahme durch die Krankenkasse individuell geprüft – und kann auch abgelehnt werden. Ein entsprechendes Bundesgerichtsurteil von 2010 hat die Ausgangslage für die Patientenseite deutlich verschlechtert.

So oder so haben die Betroffenen mit hohen administrativen Hürden zu kämpfen. Vielen bleibt deshalb Hilfe versagt, auf die sie Anspruch hätten.

So selten ist «selten» in der Schweiz

Sonnenlicht-Unverträglichkeit EPP 1 von 100'000 Personen
ALS1 von 12'000 Personen
Cystische Fibrose1 von 8300 Personen

Zum Vergleich:


Diabetes
1 von 17 Personen
Krebs1 von 26 Personen
HIV1 von 420 Personen
Multiple Sklerose1 von 830 Personen

Immerhin: An einer Verbesserung der Gesamtsituation wird unter Federführung des Bundesamts für Gesundheit BAG bereits gearbeitet: Das nationale Konzept seltene Krankheiten sieht 19 Massnahmen in vier Projekten vor. Dabei geht es um die Schaffung von Referenzzentren für Krankheiten oder Krankheitsgruppen, eine transparentere Kostenübernahme, bessere Informationen und die Förderung von Ausbildung und Forschung.

Bis Ende 2017 sollen alle im Konzept vorgesehenen Massnahmen umgesetzt sein.

Die Fakten über seltene Krankheiten

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