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Sicherheit in Europa «Sind die Nato und die Schweiz auf einen Angriff vorbereitet?»

Liviu Horovitz, Ivo Capaul und Sebastian Ramspeck haben Ihre Fragen im Live-Chat beantwortet.

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Ivo Capaul
Researcher im Team Verteidigungspolitik und Rüstungsbeschaffung
Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich

Liviu Horovitz
Experte für Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Stiftung Wissenschaft und Politik

Sebastian Ramspeck
Internationaler Korrespondent
SRF

Chat-Protokoll:

Mein Eindruck ist, dass der Einsatz von Atombomben seitens Russlands unwahrscheinlich ist, einfach weil dies für den grossen Partner China auch ein No-Go ist. Was ist die nächst kleinere Waffenkategorie die Russland dennoch einsetzen könnte, um grösstmöglichen Schaden und Verunsicherung auszulösen? Und inwieweit sind die europäische NATO-Länder und die Schweiz darauf vorbereitet?

Sebastian Ramspeck: «Nächstkleinere Waffenkategorie» – schwierige Frage. Grosse Sabotageakte gegen Staudämme, Atomkraftwerke usw. könnten verheerend sein, ebenso ein Cyberangriff, der versucht Spitäler usw. lahmzulegen.

Glauben Sie wirklich das solche Szenarien möglich sind? Ist es nicht nur ein Vorwand, mehr Geld aus den Staatsbudgets für die Armeen zur Verfügung zu stellen? Mehr Waffen und Ausrüstung bedeuten zugleich auch mehr Risiko für eine drohende Konfrontation und somit auch Krieg! Mehr Waffen mehr Gewalt, unnötiges Leid und vermeidbar wäre dies alles wenn das FORTE Prinzip angewendet wird, was heisst, Fairness, Offenheit, Respekt, Transparenz und Ehrlichkeit. Wie sehen Sie das alles? Besten Dank im Voraus. Freundliche Grüsse

Sebastian Ramspeck: Ich glaube nicht, dass die Regierungen im Westen einen Vorwand suchen, um aufzurüsten. Es ist nämlich nicht populär, Geld z.B. aus dem Sozialwesen, der Landwirtschaft oder dem Strassenbau Richtung Armee abzuzweigen – oder noch mehr Schulden zu machen. In der Ukraine sind viele überzeugt: Hätten sie 2022 eine superstarke Armee mit Atomwaffen gehabt, hätte Russland sie nicht angegriffen, dann gäbe es Hunderttausende von Toten weniger.

Welche Bedrohungen gelten derzeit als die grössten Risiken für die europäische Sicherheit – Cyberangriffe, hybride Kriegsführung, Terrorismus oder interne politische Instabilität?

Ivo Capaul: Ich würde hier unterscheiden: Hybride Konfliktführung (inkl. Cyberangriffe, Sabotage gegen kritische Infrastruktur, Desinformation, etc.) ist ein Risiko mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit (ein Stück weit werden europäische Länder ja heute bereits hybrid angegriffen) und mittlerem Schadenspotenzial. Ein direkter bewaffneter Angriff ist weniger wahrscheinlich, hätte aber ein vergleichsweise viel grösseres Schadenspotenzial. Man muss sich aber bereits heute auf beide Szenarien vorbereiten um (1) im Konfliktfall nicht mit leeren Händen dazustehen und (2) bereits heute zu signalisieren, dass man sich bei einem Angriff aktiv dagegen zur Wehr setzen würde (was auch eine Abschreckungskomponente hat). 

Wie hoch schätzen Sie den Respekt des Kreml und von Putin gegenüber neutralen Ländern (Und Nicht-Nato-Länder) ein? Wäre die Schweiz bspw. wieder eine „sichere Insel“ oder dürfen wir uns nicht zurücklehnen?

Sebastian Ramspeck: Die Schweiz ist völkerrechtlich neutral, ja – aber aus Sicht des Kremls ist die Schweiz nicht «neutral», sondern «Kriegspartei» (wegen der EU-Sanktionen, die sie übernommen hat). Neutralität ist sowieso kein Garant für Sicherheit, es gibt andere neutrale Länder, die angegriffen wurden (z.B. Belgien im Zweiten Weltkrieg).

Guten Tag Da wir in der letzten Zeit einig Meldungen an Drohnen hatten ist meine Frage: Wird nicht zum Teil die Thematik zu sehr in den Vordergrund gestellt? Wäre es nicht Wünschenswert das die Medien erst informieren, wenn wirklich klar ist um welche Art Drohne und von wo diese kommen? Denn sonst könnte ja zusätzlich Angst geschürt werden oder nicht?

Sebastian Ramspeck: Gute Frage! Natürlich kann man den Standpunkt vertreten, dass die Medien nur über Phänomene berichten sollten, bei denen alle Fakten zweifelsfrei auf dem Tisch liegen. Dann könnten wir über sehr vieles nicht mehr berichten. Ganz offensichtlich ist aber das Interesse der Menschen an den Drohnenschwärmen riesig. Wir bekommen alleine in diesem Chat pro Minute etwa eine Frage! Deshalb berichten wir – nach bestem Wissen und Gewissen, sachlich und differenziert.

Wo sehen Sie die Aufgabe/Verantwortung der Schweiz, sollte es zum Krieg zwischen der Nato und Russland kommen?

Sebastian Ramspeck: Die Schweizer Regierung sähe es vor allem als ihre Pflicht, die eigene Sicherheit zu wahren, die Grenzen zu bewachen, den Luftraum zu schützen usw.

Die Geschichte hat gezeigt, dass Atomwaffen oft als «Lebensversicherung» eines Staates verstanden werden. Wäre es denkbar, dass die Schweiz als neutraler Staat eigene Atomwaffen und Trägersysteme beschafft? Oder dass die EU dies gemeinschaftlich tut? Laut UNO sind solche Waffen für die meisten Staaten verboten, doch Länder wie Indien, Israel und Nordkorea verfügen trotzdem über Atomwaffen. Was verhindert also, dass die EU oder die Schweiz sich eine solche «Lebensversicherung» zulegen?

Liviu Horovitz: Die Schweiz und fast alle EU-Staaten sind dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) als Nicht-Atomwaffenstaaten beigetreten. Der Erwerb, der Bau oder die Kontrolle eigener Nuklearwaffen sind verboten, ebenso die Weitergabe durch Atommächte. Indien und Israel sind dem NPT nie beigetreten und Nordkorea ist aus ihm ausgetreten, weshalb diese Staaten eine Sonderstellung einnehmen. Darüber hinaus sprechen enorme technische Hürden, massive diplomatische und wirtschaftliche Kosten sowie das Risiko von Gegenrüstung und präemptiven Eskalationsängsten dagegen. Netto würde Europa – und auch die Schweiz – wahrscheinlich weniger statt mehr Sicherheit gewinnen.

UK und Frankreich haben nukleare Waffen. Sind diese einsetzbar bzw. wie lange würde es dauern, bis solche einsetzbar wären und somit als Abschreckung von Europa gegenüber Russland dienen könnten?

Liviu Horovitz: Sie sind einsatzbereit. Sowohl das Vereinigte Königreich (U-Boot-gestützte Trident-Raketen) als auch Frankreich (U-Boote und luftgestützte Systeme) halten permanent verfügbare Kräfte bereit. Allerdings dienen beide Arsenale primär der nationalen Abschreckung. Inwieweit sie andere Europäer „mitabschirmen”, bleibt bewusst vage. Eine formelle erweiterte Abschreckung für Europa kommt vor allem aus den USA, die sich auch anders darauf vorbereiten, dies zu tun. Dennoch erhöhen die Nukleararsenale des Vereinigten Königreichs und Frankreichs die Unsicherheit für eine russische nukleare Aggression und verstärken somit die Gesamtabschreckung Europas – selbst ohne ausdrückliche Versprechen.

Auch wenn die Schweiz wegen ihrer Neutralitätspolitik sich nicht an bewaffneten Konflikten beteiligt, kann man mit 100% Sicherheit diese Option ausschliessen? Falls nein, welche Faktoren könnten den in Kriegen verfolgten neutralitätspolitischen Kurs der Schweiz «untermauern»? Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten auf meine spekulative Frage.

Sebastian Ramspeck: Man kann nie etwas mit 100-prozentiger Sicherheit ausschliessen, aber ich kann mir beim besten Willen unter keinen Umständen vorstellen, dass der Bundesrat entscheiden könnte, sich an einem bewaffneten Konflikt zu beteiligen – es sei denn, die Schweiz selbst wird angegriffen.

Guten Tag zusammen. Von welchem Staat / Staatenbund könnten wir Unterstützung erhalten in einem Militärischem Konflikt der Schweizer Armee und weiterhin die Neutralität beibehalten.

Ivo Capaul: Es liegt in der Natur des Neutralitätsbegriffs, dass der Neutrale in Friedenszeiten keine militärischen Allianzen eingehen kann. Dies hebt sich im Fall eines direkten Angriffs auf den neutralen Staat auf, aber dann ist der angegriffene Staat auch nicht mehr neutral, sondern Kriegspartei. Was aber innerhalb der Neutralität möglich ist, ist (grob beschrieben) der Austausch von Knowhow, gemeinsame Beschaffungsvorhaben, Teilnahme an multinationalen Übungen etc. An solchen Vorhaben beteiligt sich die Schweiz auch aktiv.

Russland hat es in drei Jahren trotz massivem Truppen- und Materialeinsatz (mit hohen Verlusten) nicht geschafft, die Ukraine zu besiegen. In der Zwischenzeit sind zusätzliche Staaten der NATO beigetreten oder haben teils massiv aufgerüstet. These: Russland wird den Krieg nicht nach Westeuropa erweitern, da die Aussicht auf Erfolg minimal bis nichtig ist, und die russische Bevölkerung trotz massiver Propaganda dies langfristig nicht mittragen würde.

Stattdessen wird sich Putin, wenn überhaupt, auf einen militärisch und aussenpolitisch eher schwachen Nachbarn stürzen, der für den Westen eher «uninteressant» ist, um der russischen Bevölkerung aussenpolitische, militärische Erfolge präsentieren zu können. Wie realistisch ist diese These und welche benachbarten Staaten oder Regionen kämen in Frage? Wäre es z.B. auch denkbar, dass Belarus annektiert wird?

Sebastian Ramspeck: Sie schildern ein Szenario, das meines Erachtens wahrscheinlicher ist als andere Szenarien – aber letztlich ist es auch bloss ein Szenario unter vielen. Ich weiss nicht, ob die russische Bevölkerung mit einem Überfall auf ein «uninteressantes» Land zu begeistern wäre, das scheint mir eher fraglich. Die russische Propaganda zielt auf die Ukraine und auf den Westen/die Nato. Belarus wäre allenfalls in Gefahr, wenn sich Lukaschenko mehr von Putin distanzieren würde.

Hat Russland überhaupt die militärischen und wirtschaftlichen Mittel um einen Krieg auf Nato-Gebiet auszuweiten, bzw. wären die Nato-Staaten nicht weitaus überlegen? In meiner Wahrnehmung könnte sich Russland dies doch gar nicht leisten, deshalb verstehe ich nicht wirklich warum Nato-Staaten im Kalten-Krieg Stile aufrüsten und Ihren ganzen Staatshaushalt durcheinander bringen (siehe Deutschland).

Liviu Horovitz: Die NATO ist Russland, was Ressourcen angeht überlegen, doch Moskau zeigt eine hohe Risikobereitschaft und nimmt grosse Kosten in Kauf. Abschreckung braucht daher nicht nur Wohlstand, sondern auch einsatzbereite, Fähigkeiten und Durchhaltevermögen. Die aktuellen Aufwüchse sind weniger im «Kalter-Krieg-Stil» gehalten, sondern dienen eher als Versicherung nach Jahren der Unterinvestition in Bereiche wie Munitionsvorräte, Luftabwehr, Logistik, Industrie und Resilienz. Das Ziel besteht darin, Russlands Erfolgsaussichten sichtbar zu minimieren, sodass ein Angriff sich nicht lohnt. Kurz: Man kompensiert mögliche Unentschlossenheit beim Opferbringen durch klare, glaubwürdige Stärke, um Frieden zu sichern.

Guten Tag welches Szenario sehen Sie als «best case» für Europa im Russlands Krieg in der Ukraine – als Gedankenspiel angesichts aktueller Entwicklungen? Vielen Dank!

Sebastian Ramspeck: Dass Russland den Krieg beendet und sich zurückzieht. Dass das passiert, ist aber extrem unwahrscheinlich.

Müssen wir uns zukünftig bei Flugreisen vermehrt auf Flugstornierungen und erheblichen Beeinträchtigungen des Flugverkehrs einstellen (bis eine Dronenabwehr im Einsatz ist)?

Liviu Horovitz: Wie es so schön heisst: Vorhersagen sind schwierig, besonders über die Zukunft :). Ich würde jedoch einschätzen, dass solche Störungen Einzelfälle bleiben werden – auch wenn dies sie nicht weniger problematisch macht. Also: Kurzfristig bleibt also das Risiko einzelner Sperrungen/Umleitungen bestehen; grossflächige, lange Ausfälle werden jedoch selten auftreten.

Guten Tag Herr Capaul, Herr Horovitz und Herr Ramspeck Nach der Nuklearkatastrophe 2011 in Japan wurden durch diverse Staaten der sofortige Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. 2014 greift die russische Föderation die Ukraine an und annektiert die Krim Völkerrechtswidrig.

Die Reaktion des Westens bleibt aus. 2022 folgt die vollständige Invasion und Europa bleibt nach wie vor stumm. Gerade die Rüstungsindustrie braucht Zeit um hochzufahren. Warum sind im Jahr 2025 noch immer keine Grossaufträge an die Rüstungsindustrie vergeben, um die Produktion hochzufahren?

Sebastian Ramspeck: Es stimmt nicht, dass überhaupt keine Grossaufträge vergeben wurden. Frankreich, Deutschland, Schweden u.v.a. haben in den vergangenen Jahren Grossaufträge an die Rüstungsindustrie vergeben.

Wie weit hinkt Europas aktuelle Drohnen-Design- und Fertigungstechnologie der chinesischen hinterher? Und wie weit hinkt sie den USA hinterher? Ist Europa in der Lage, Drohnen unabhängig zu entwickeln und zu produzieren? Vielen Dank!

Sebastian Ramspeck: Wenn Sie mit «Europa» EU- und Nato-Staaten meinen: Ja, Europa liegt bei der aktuellen Drohnen-Design- und -Fertigungs-Technologie hinter Staaten wie China zurück. Erst jetzt beginnt Europa, gezielt in Militärdrohnen zu investieren.

Wie sind die aufkommenden Drohgebärden durch Russland auf Europa und v. a. auch die Schweiz zu deuten? Wie realistisch ist Krieg und was ist einfach Standard der Abschreckungsretorik beider Seiten aber v.a. Russlands (Einsatz v. Atomwaffen und Kriegsandeutungen)? Wie realistisch sind Verteidigungsfähigkeiten Europas, weil finanziell stehen diese Staaten Russland und China grundsätzlich viel besser Gegenüber? Sind wir wirklich so von den USA abhängig und wenn warum?

Liviu Horovitz: Das sind viele Fragen, ich beantworte die letzte: Ja, Europa ist sicherheitspolitisch stark von den USA abhängig. Diese Abhängigkeit wurde lange – bis zu einem gewissen Grad zurecht – als transatlantische Lastenteilung verstanden und auf beiden Seiten des Atlantiks als stabilisierend bewertet. Heute zeigt sich jedoch: Eigenständige europäische Handlungsfähigkeit ist zwar kostspielig, in Krisenzeiten aber wünschenswert.

Guten Morgen Aus welchem Grund besteht die Überlegung F35 A Kampfjet zu beschaffen? Wäre eine Drohnen-Flotte zur Abwehr und Verteidigung nicht viel effizienter und könnte mit eigenen Mitteln hergestellt werden?

Ivo Capaul: Die Beschaffung des F-35 richtet sich an ein anderes Bedrohungsspektrum (Bedrohung durch Distanzwaffen und Kampfjets, Durchsetzung der Lufthoheit, etc.), welches durch Drohnen in dieser Form nicht abgedeckt werden kann. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass sich in der Schweiz ein «Drohnen-Ökosystem» herausbilden kann, welches interessante militärische Fähigkeiten hervorbringen wird. Jedoch (und dies lehrt uns auch die Erfahrung der Isralisch-Iranischen Konfrontation in diesem Sommer) hielt ich es für gefährlich, sich auf Drohnenfähigkeiten allein zu stützen. Es braucht verschiedene Mittel; bemannte Systeme bodengestützte Luftverteidigung und zukünftig wohl Drohnen zur Wahrung der Lufthoheit.

Es wird allgemein angenommen, dass die gesichteten und hell leuchtenden Drohnen aus Russland stammen. Könnte es angesichts des mehrfach klar geäusserten Wunsches der Ukraine, dass sich die NATO viel stärker für sie engagiere, um ukrainische Drohnen handeln? Andere an den bislang (zum Glück) äusserst harmlosen Drohnenflügen könnten auch Anbieter von Antidrohnensystemen sein. Beide dieser Parteien konnten bislang von den Aktionen deutlich profitieren. Wie stehen Sie zu diesen beiden Szenarien?

Sebastian Ramspeck: Das sind alles reine Spekulationen, daher kann ich dazu nicht wirklich etwas sagen.

Glauben Sie, dass eine Drohne heutzutage über 1'000km unentdeckt fliegen kann? Über welches Navigationssystem (Satellitensystem) werden solche Drohnen gesteuert? Ist es so, dass die Armee der U.S.A. in Europa über 100 Militärbasen betreibt (u.a. in Deutschland, Norwegen, Finnland, Schweden, Belgien u.a.)? Nach Ihrem Wissen, wer bzw. welches Land profitiert von der aktuellen Aufrüstung am meisten?

Sebastian Ramspeck: Ja, 1000 Kilometer unentdeckt zu fliegen, ist möglich. Nein, die US-Armee hat in ganz Europa meines Wissens etwa 40 Basen, nicht «über 100». Von der Drohnen-Aufrüstung profitieren Länder mit einer starken Militärdrohnen-Industrie, z.B. USA, China, Israel, Türkei, Iran, Russland, Ukraine.

Sind SWIFT-Zenter Diessenhofen oder Stromzentrum Laufenburg genügend gegen Drohnenangriffe gesichert?

Sebastian Ramspeck: Über dem Swift-Zentrum Diessenhofen gilt ein Drohnenflugverbot, beim Stromzentrum Laufenburg bin ich nicht ganz sicher. Auf jeden Fall sind Drohnenflüge vielerorts im Schweizer Mitteland verboten. Sogenannte kritische Infrastruktur ist stark geschützt, die Details sind geheim. Wahr ist auch: Absolute Drohnensicherheit gibt es nicht.

Guten Tag Ich verfolge die globale Sicherheitslage in Europa und der Welt schon seit langer Zeit. Mit der russischen Aggression gegen Georgien 2008 hat sich die Lage angefangen zu verschlechtern. Mitt Romney argumentierte bereits im US-Wahlkampf 2012, dass Russland expansionistische Tendenzen aufweist und bezeichnete Russland mit den Worten: Geopolitischen Feind Nummer eins. 13 Jahre später scheint Europa nichts aus den Aussagen gelernt zu haben. Wie kann es sein, dass Politiker in Europa so lange die Augen vor diesen Tatsachen verschliessen konnten? Werden die Politiker so schlecht von den Geheimdiensten beraten oder ist es schlichtweg Ignoranz der Politiker?

Liviu Horovitz: Selten Ignoranz, eher Anreize und harte Trade-Offs. Nach 1990 dominierten die Friedensdividende, der Haushaltsdruck und der Wunsch nach «viel Staat für wenig Geld». Die wirtschaftliche Verflechtung mit Russland schien stabilisierend zu wirken. Pfadabhängigkeiten bei Energie, Industrie und Beschaffung bremsten einen Kurswechsel. Die Frage ist jedoch nicht trivial. Als Think-Tanker wünschte ich mir sehr, es gäbe eine einfache Antwort – oder ich hätte die bessere. Europa korrigiert nun. Doch Kohäsion und Fähigkeiten brauchen Zeit.

Bei normalen, für den privaten Gebrauch von Drohnen, ist es einfach möglich einer Person zu folgen. Ist es technisch nicht möglich einer unerwünscht Drohne zu folgen?

Sebastian Ramspeck: Meinen Sie, ob es möglich ist, den Drohnenpilot zu lokalisieren? Oder was meinen Sie mit «folgen»?

In Anbetracht dessen, dass sich Europa und die Schweiz gegen die jüngsten Drohnenüberflüge über kritische Infrastruktur kaum wehren können stellt sich für mich die Frage, ob die Investition in neue Kampfjets nicht mehr hinterfragt werden müsste? Wäre es nicht sinnvoller diese Ausgaben stattdessen in Drohnenabwehr- oder -störsysteme zu investieren? Entspricht dies nicht eher dem Zeitgeist?

Liviu Horovitz: Für unterschiedliche Aufgaben sind unterschiedliche Antworten erforderlich. Kampfflugzeuge sind nach wie vor wichtig: Sie sichern die Lufthoheit, wirken schnell über grosse Distanzen. Das eine ersetzt das andere nicht. Sinnvoll ist ein Mix, zB aus bodengebundener Luftverteidigung, Drohnenabwehr, Sensorik und Jets, die all das verbindet.

Hat die Schweiz in den letzten Jahren geschlafen beim Armee modernisieren? Ich denke ja. Dafür floss umso mehr Geld in die Sozialen Einrichtungen.

Sebastian Ramspeck: Viele in der Schweiz teilen Ihre Meinung. In einer Demokratie entscheidet allerdings direkt oder indirekt immer das Volk, wofür wieviel Geld ausgegeben wird. Es gibt keinen absolut richtigen Verteilschlüssel, in einer Demokratie ist das Geldverteilen immer eine grosse Streitfrage.

Gesetzt den Fall, Russland würde aus irgend einem Grund einen nuklearen Sprengkopf auf eine Schweizer Stadt schiessen. Da eine Rakete nur aus der Zielgegend abgefangen werden kann und wir nicht über Patriot verfügen, würde sie ihr Ziel wohl auch erreichen. Glaubt jemand im Ernst, ein Natoland würde für uns Nichtmitglieder zurückschiessen? Und was machen wir Schweizer denn eigentlich noch ausserhalb der Nato?

Sebastian Ramspeck: Die Nato-Bündnispflicht gilt nur für Nato-Mitglieder, nicht für Staaten ausserhalb wie die Schweiz. Es ist aber alles andere als sicher, dass Nato-Atommächte wie die USA oder Frankreich «zurückschiessen» würden, wenn Russland eine Stadt eines Nato-Landes atomar vernichtet. Was dann passieren würde, weiss niemand.

Viele Medien sehen einen dritten Weltkrieg nahe. Als Beispiel gab es in der NZZ einen Artikel über das gefährliche Jahr 2028. Wie Wahrscheinlich ist solch ein Szenario? Was wären die Auswirkungen für die Schweiz?

Liviu Horovitz: Ein dritter Weltkrieg ist glücklicherweise sehr unwahrscheinlich. Aber weil die Folgen katastrophal wären – auch für die Schweiz –, muss man darüber nachdenken und Vorsorge treffen. Viele Medien überschätzen die Nähe durch reisserische Schlagzeilen – und auch in Think Tanks wollen Experten gelesen werden. Aber 2028-Szenarien sind keine Prognosen, sondern Risikohinweise.

Wie bereitet sich die Schweiz darauf vor? Wird es im Militär neue Einheiten geben zur Drohnenabwehr? Werden wir FPV Piloten ausbilden? Gibt es bereits konkretes? Kann man dafür bereits ein RS absolvieren?

Ivo Capaul: Es gibt bereits Pilotprojekte, in denen Kleindrohnen- und neue Systeme zur Drohnenabwehr getestet und Soldatinnen und Soldaten an diesen Systemen ausgebildet werden. In diesem Zusammenhang werden auch FPV-Piloten ausgebildet. Knowhow ist vorhanden und wird auch beständig ausgebaut. Eine spezifische RS als FPV-Pilot kann man (noch) nicht absolvieren, aber es gibt einige Spezialisierungen die einen engen Bezug zur Thematik «Drohnenabwehr» haben (z.B. bodengestützte Luftverteidigung, elektronische Kriegsführung).

Guten Tag Gibt es tatsächlich immer mehr Konflikte auf der Welt, ist die Politik wirklich unberechenbarer geworden, oder bekommen wir heute einfach mehr mit? Ist es in Europa heute sicherer als im Kalten Krieg?

Liviu Horovitz: Wir sehen mehr: 24/7-Medien und Social Media verstärken den Eindruck von Krisen. Tatsächlich haben klassische Kriege zwischen Staaten abgenommen, während innerstaatliche und hybride Konflikte zugenommen haben.

Die Politik wirkt unberechenbarer, weil es mehr Akteure gibt, der Informationsfluss schneller ist, die lokalen und globalen Dynamiken komplizierter sind und Schocks (Pandemie, Energie, Technologie) die Unsicherheit erhöhen. Europa ist insgesamt sicherer als zu den Spitzenzeiten des Kalten Krieges (es gab keine Kuba-Krise nach 1990), aber nicht risikofrei: Es gibt Russlands Angriffskrieg, Cyber-/Desinfo-Angriffe etc. Abschreckung und Kohäsion halten das Risiko vergleichsweise niedrig, doch Resilienz bleibt entscheidend.

Guten Tag. Könnte der Abschuss (und anschliessende Analyse) einer der gesichteten Drohnen in Deutschland oder Dänemark, Russland (oder andere Akteure) als Täter eindeutig identifizieren?

Sebastian Ramspeck: Zumindest hat man dann Hinweise auf die Herkunft. Eine eindeutige Identifizierung ist aber meines Wissens nicht immer möglich.

Werden diese Milliarden zu einer neuen Verschuldung Europas führen? Und anschliessend zu weiteren Kürzungen im sozialen Bereich? Ich finde es traurig, wie schnell Geld zur Verfügung steht, wenn es um „Sicherheit“ oder eben Krieg geht. Es scheint, als glaubten wir, man könne die Klimakrise „abknallen“.

Sebastian Ramspeck: Aufrüstung führt tendenziell zu mehr Verschuldung und zu einem Verteilkampf. Im Moment geben die europäischen Staaten aber noch sehr viel mehr Geld fürs Sozialwesen aus als fürs Militär. Ich schätze, die Sozialausgaben liegen je nach Staat 10-20 Mal höher als die Militärausgaben.

Mich dünkt, die Schweiz hinkt (bei der Armee) immer ein bisschen hinterher. Es wird mit der Giesskanne angerichtet, dann liest man wieder von Liefer- und anderen Problemen, die aus utopischen Spezialwünschen entstehen. Besser wäre es, sich konzeptionell und bei der Beschaffung den Nachbarländern anzuschliessen. Wie sehen Sie das?

Liviu Horovitz: Aus Berliner Perspektive mag die Frage anders gesehen werden als von den Kolleg:innen aus der Schweiz. Für die NATO gilt jedoch: Gemeinsam ist man am stärksten. Durch gemeinsame Planung und Beschaffung werden Ressourcen gebündelt, die Interoperabilität gestärkt und die besonders gefährdeten Staaten an der Ostflanke rückversichert. So entsteht europäische Kohäsion, die wirtschaftliche und politische Stabilität schafft – wovon ganz Europa profitiert, auch die Schweiz.

Ich finde es beschämend den Ukrainern nur soviel und nur diejenigen Waffen zu liefern um nicht kapitulieren zu müssen. Weshalb werden nicht potentere Waffen geliefert um den Kriegsverbrecher Putin zu Verhandlungen zu zwingen. Danke im Voraus für Ihre Antwort

Sebastian Ramspeck: Vermutlich unter anderem, weil der Westen Angst hat, dass Putin einen Atomkrieg starten könnte, wenn die Ukraine in grossem Umfang die allermodernsten westlichen Waffen bekäme und damit die russischen Truppen vollständig zurückschlagen würde.

Wenn ein Krieg zwischen der Nato und Russland ausbrechen würde, wie sehen Sie da die Situation in der Schweiz? Würden wir von «Flüchtlingen» aus anderen europäischen Staaten überrannt werden und unsere Grenzen militärisch sichern? Würden wir wie im WW2 Munition und Waffen liefern?

Sebastian Ramspeck: Wenn es einen Krieg gibt, gibt es fast immer Flüchtlinge. Ob bzw. in welcher Zahl diese in die Schweiz kämen, hängt natürlich davon ab, wo der Krieg stattfindet. Als neutrales Land müsste die Schweiz (gemäss internationalem Recht) entscheiden, ob sie *beiden* Kriegsparteien Kriegsmaterial liefern will oder *keiner* von beiden. Im Zweiten Weltkrieg hat die Schweiz beiden Seiten Kriegsmaterial geliefert, im Ukraine-Krieg liefert sie weder der einen noch der anderen Seite Kriegsmaterial.

Ist die NATO (und auch die Schweiz) genügend vorbereitet auf einen Angriff von Russland, wenn dieser „morgen“ schon passiert?

Liviu Horovitz: Die NATO ist militärisch deutlich stärker als Russland. Zudem sind russische Truppen in der Ukraine gebunden. Ein Grossangriff ist daher unwahrscheinlich. Dennoch gibt es verschiedene entscheidende Punkte: (1) Abwehr begrenzter, überraschender Aktionen (hybride, Drohnen, Grenzprovokationen) mit schneller Reaktionskette. (2) Bündniskohäsion: Klare politische Linien, verlässliche Zusagen und faire Lastenteilung. 3) Fähigkeitsaufbau: Munition, Luft-/Raketenabwehr, Logistik, Industrie, Reserven. Je besser diese Punkte umgesetzt werden, desto glaubwürdiger ist die Abschreckung – und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Moskau die westliche Allianz überhaupt testet.

Wieso bereitet sich Europa auf einen Krieg mit Russland vor? Man sieht ja anhand des Ukraine-Kriegs, wie es um die Gefechtsbereitschaft der russischen Armee steht. China würde ausserdem kaum langjährige Handelsbeziehungen mit Europa riskieren und Russland militärisch unterstützen. Welche konkreten Interessen hätten Vladimir Putin und der Kreml überhaupt an einem Krieg mit Europa?

Sebastian Ramspeck: Bis 2022 hatten die meisten Expertinnen und Experten einen Angriff Russlands auf die Ukraine für extrem unwahrscheinlich gehalten, da ein solcher Angriff nur schon ökonomisch widersinnig erschien. Trotzdem griff Putin an. Ich halte einen russischen Grossangriff gegen die Nato in den kommenden Jahren ebenfalls für extrem unwahrscheinlich, aber 100 % ausschliessen kann ein solches Szenario niemand. Und daher rüsten die europäischen Staaten auf, um für den Extremfall gerüstet zu sein. Das Interesse Russlands könnte sein, im Verbund mit anderen autokratischen Staaten wie China die westlichen Demokratien vorzuführen und zu schwächen, auch um deren Ukraine-Unterstützung zu beenden.

Guten Tag, gemäss dem Chef des Deutschen Geheimdienstes ist Russland bereits jetzt bereit (entgegen vergangenen Einschätzungen) die NATO jederzeit militärisch anzugreifen. Siehe den Artikel «BND-Chef: Russland zu militärischer Auseinandersetzung mit NATO bereit» Wir bereiten uns auf ein Leben im Exil vor (Südamerika oder Ozeanien), da wir keine Lust haben unser Lebensabend im Krieg zu verbringen. Nach einem Krieg zwischen der NATO und Russland (ausgetragen in Europa) ist wohl Europa in «Schutt und Asche» (man sehe sich zur Anschauung Teile der Ukraine an). Wie viel Zeit bleibt uns gemäss Ihrer Einschätzung für das Auswandern?

Sebastian Ramspeck: Dazu ist keine seriöse Einschätzung möglich. Ich persönlich halte einen Krieg, der ganz Europa erfasst, für möglich, aber unwahrscheinlich. Und daher sehe ich für mich selbst keinen Grund auszuwandern.

Können bewilligte Drohnenflüge von nichtbewilligten Flügen unterschieden werden? Wenn ja, warum werden die nichtbewilligten Drohnen nicht zerstört?

Ivo Capaul: Nur eine relativ kleine Anzahl der Drohnenflüge sind bewilligungspflichtig (z.B. Drohnen die über 25Kg wiegen, vgl. Regelungen des BAZL). Die Drohnenflüge, die wir z.B. über dem Flughafen München gesehen haben, waren problematisch, weil sie den Flughafenbetrieb vorübergehend zum Stillstand gebracht haben, illegal (da Überfliegen des Flughafenperimeters) waren sie ohnehin. Die Herausforderung ist es also eher, den Betrieb von kritischen Infrastrukturen (wie Flughäfen) vor Einschränkungen zu schützen. Dies ist keine unkomplizierte Herausforderung (vgl. meine Antwort bzgl. Herausforderungen bei der Drohnenabwehr über Flughäfen im Q&A der vergangenen Woche).

Wir sind eigentlich schon mitten in Carlo Masala’s Szenario « Wenn Russland gewinnt », welches könnten nächste russische Aktionen sein, welches die Auswirkungen auf die Schweiz und die möglichen Reaktionen der europäischen Staaten?

Sebastian Ramspeck: Denkbar ist vieles, von weiteren Sabotageaktionen bis zu einem Angriff auf einen kleinen Nato-Staat, z.B. im Baltikum – aber jedes Szenario ist letztlich Spekulation, womit wir sehr vorsichtig sein müssen. Zumal die vergangenen Jahre gezeigt haben, dass am Ende vieles anders kommt als alle gedacht haben.

Wo steht die Schweiz bei den Kapazitäten zur Drohnenabwehr? Wir sind doch eines der innovativsten Länder (wenn nicht das innovativste, wenn man berücksichtigt, wie klein unser Land ist), und ich hatte in der Vergangenheit bereits da und dort über Forschung zu Drohnen gehört, z. Bsp. bei der ETH. Haben wir da keine Technik zur Abwehr von Drohnen im Köcher, die nun im Ausland in der Praxis getestet werden könnte? Und isolieren wir uns durch unser Abseitsstehen (oder böser gesagt «Trittbrettfahren») nicht bei europäischen Bemühungen um neue Technologien zur besseren und effizienteren Verteidigung?

Ivo Capaul: Ich stimme Ihnen zu: In der Schweiz gibt es viel Knowhow sowohl im Bereich Drohnen und Robotik, wie auch im Bereich Drohnenabwehr – bei privaten (z.B. Startups) wie auch bei den Hochschulen. Die Problematik ist, dass viel davon momentan auf den zivilen Markt ausgerichtet ist. Es muss also gelingen, dieses Knowhow auch in den militärischen Bereich zu übertragen, sprich einen Fähigkeitstransfer zum Voranbringen der Verteidigungsfähigkeit der Schweiz durchzuführen. Dies ist kein leichtes Unterfangen, aber es wird im VBS seit der Einsetzung der «Task Force Drohnen» gezielt vorangetrieben. Das «Testen im Ausland» welches Sie ansprechen, ist grundsätzlich eine valable Option, die von benachbarten NATO-Staaten auch so betrieben wird (Link). Für Schweizer Firmen würde dies Fragen der Neutralität und mittelbar auch Fragen bzgl. unserer momentanen Kriegsmaterialexportgesetzgebung aufwerfen und ist daher nicht so einfach umzusetzen.

Militärbudgets sind meist kaum einsehbar, denn kaum ein Steuerzahlen weiss was mit diesem Geld passiert oder es verpulvert wird ( im wörtlichen Sinn). Dieser grosse Krieg mit RU dürfte eher ein Business Plan Dritter sein, denn Putin hat den Grund für den Ukraine Konflikt klar gemacht; aber auch, dass er weiter keine Interessen an einer Ausweitung RU‘s in Europa habe. Frage: Wer verhindert, dass man diesen Konflikt nicht am runden Tisch löst? Und wieso will Europa nicht Kapital durch Frieden mit RU schlagen und die Ukraine neutral belassen? Wer gewinnt wenn man dies nicht versucht?

Sebastian Ramspeck: Putin will die ganze Ukraine unter Kontrolle bringen, weil die Ukraine seiner Meinung nach gar kein Existenzrecht als souveräner Staat hat. Aber die Ukraine will unabhängig bleiben, deshalb verteidigt sie sich. Ich sehe da keinen «Businessplan Dritter». Die Ukraine hat Russland eine Waffenruhe und direkte Verhandlungen auf Stufe Präsidenten angeboten, Putin hat das aber abgelehnt.

Russland hat seit dem Beginn dieses Jahres 300'000 Soldaten in der Ukraine verloren und vergrössert seine Streitkräfte trotzdem. Die russische Wirtschaft ist eine Kriegswirtschaft und produziert und verbraucht pro Jahr Hunderttausende von Drohnen, Millionen von Artilleriegeschossen, Tausende von Panzern, Kampffahrzeugen usw. Die Staaten der EU werden in den nächsten Jahren über 4'000 Milliarden Euros für ihe Streitkräfte ausgeben.

Deutschland will ganze Jahrgänge mustern um notfalls rasch Hunderttausende von Soldaten einzuziehen. In der Schweiz diskutieren wir über den F35 und lehnen eine Zusatzmilliarde für Munition ab. Die Linke hat ihr Mantra (Pierre-Alain Fridez SP), dass ein konventioneller Krieg auf dem europäischen Kontinent kurz-, mittel und langfristig äusserst unwahrscheinlich ist, noch nicht begraben.

Die SVP verwechselt den völkerrechtlichen Status der Neutralität mit einem sicherheitspolitischen Instrument. Das Verteidigungsbudget liegt nach wie vor bei knapp über 0.8% des BIP, währenddem die NATO Staaten mehr als 2% mit dem Ziel von 5% 2035 ausgeben. Ist dieses Verhalten auf der schweizerschen Insel der Glückseeligen nicht schlicht verantwortungslos?

Sebastian Ramspeck: Als SRF-Journalist äussere ich grundsätzlich keine politischen Meinungen, weise aber gerne darauf hin, dass in der Schweiz die Politik von der Mehrheit bestimmt wird. «Verantwortungslos» wäre Ihrer Meinung nach also die Mehrheit des Volkes – aber die hat nun einmal das Sagen.

Guten Tag zusammen Ich habe mehrere Fragen aber eine ist für mich wichtig warum kann die Rüstungsindustrie der Ukraine vorschreiben wie sie sich mit den gelieferten Waffen verteidigen darf. Russland darf mit allen Waffen über die Grenze schiessen egal woher sie geliefert werden und die Ukraine darf sich nur innerhalb ihrer Grenzen mit den gelieferten Waffen VERTEIDIGEN.

Sebastian Ramspeck: Der Westen hat wohl Angst, einen Atomkrieg zu provozieren, wenn die Ukraine mit westlichen Waffen z.B. in ganz Russland Militäranlagen zerstören dürfte.

Unsere Politiker schaffen es offensichtlich nicht den Krieg zu beenden. Wie können wir Bürger den Krieg beenden und ein Treffen und eine Einigung machen, dass jetzt einfach niemand mehr mitmacht, die Bürger beenden den Krieg, wenn es die Regierungen nicht tun, bzw wenn die Regierungen streiten. Und 2. was gibt es für Möglichkeiten Kontakt aufzunehmen zu den kriegsführenden Parteien auf sicherem Weg als Bürger?

Sebastian Ramspeck: Die Politikerinnen und Politiker sind von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt. Auch wenn Russland nur noch auf dem Papier eine Demokratie sein mag, gehen doch viele Expertinnen und Experten davon aus, dass mehr als 50 Prozent der Menschen dort Präsident Putin wiederwählen würden. Mit anderen Worten: Wieso nicht einfach andere Politiker wählen? Oder selbst als Politiker kandidieren?

Warum müssen EU und Russland Feinde sein. Russland war im Krieg gegen die Nazis auf unserer Seite. Kann Europa nicht wieder eine Freunschaftliche Beziehung mit Russland pflegen. Russland ist unser nächste Nachbar.

Sebastian Ramspeck: Im Krieg gegen die Nazis war Stalin auf der Seite des Westens, das stimmt. Stalin war aber ähnlich wie Hitler ein Massenmörder und Diktator, der heutige EU-Staaten unterdrückt hat (z.B. Litauen, Ungarn, Tschechien). Viele in der EU können nicht verstehen, warum Stalin in Russland wieder sehr populär ist. Deshalb misstrauen sie Russland bis heute.

In Russland wird die Gesellschaft fortlaufend und immer intensiver auf Krieg mit Europa und dem «Westen» eingeschworen. Die Rhetorik im russischen TV stimmt mich nachdenklich. Aus meiner Sicht liegt in diesen Kampagnen ein grosses Risiko. Deshalb meine Frage: Wie gut sind die NATO, die EU sowie die Schweiz gegen derartige Desinformationskampagnen gewappnet? Und welche Mittel stehen zu dessen Bekämpfung zur Verfügung?

Sebastian Ramspeck: Im Westen gilt die Meinungsfreiheit. Gegen Desinformationskampagnen müsste man Zensur einsetzen, ganz vereinzelt wurde dies getan. Das steht aber im Widerspruch zur Meinungsfreiheit und zu den westlichen Werten. Es gibt also auf Ihre Frage keine einfache Antwort.

Wie hoch schätzen sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Russland in den nächsten 3 Jahren ein Natoland direkt und offensichtlich mit Kampftruppen angreifen wird? Wie hoch schätzen sie die Wahrscheinlichkeit, dass sich die USA im Falle eines Angriffs auf Europa aus jeglichen Kampfhandlungen raushhalten wird?

Sebastian Ramspeck: Ich halte beide Möglichkeiten für sehr gering, aber für nicht völlig undenkbar.

Bereits letzte Woche haben Experten einige Ihrer Fragen dazu beantwortet. Die Antworten auf diese finden Sie in diesem Chat-Protokoll.

Tagesgespräch, 13.10.2025, 13 Uhr ; 

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