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Antworten auf Ihre Fragen «Wie wäre die Schweiz bei einem Drohnenangriff abgesichert?»

Ivo Capaul und Sebastian Ramspeck haben Ihre Fragen zur aktuellen Sicherheitslage in Europa beantwortet.

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Ivo Capaul
Researcher im Team Verteidigungspolitik und Rüstungsbeschaffung
Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich

Sebastian Ramspeck
Internationaler Korrespondent
SRF

Chat-Protokoll:

Mich irritiert ein wenig die Panikmache der Medien, gerade was die letzten Drohnensichtungen europaweit angeht. Soweit ich verstehe, gibt es immer wieder Drohnensichtungen und in den letzten Fällen wurden auch teilweise Personen festgenommen. Dies wird dann jedoch in den Medien nicht kommentiert. Ja, es kann ja sein, dass der Russe spielt, aber vermutlich auch andere Akteure. Ich wünschte mir eine etwas differenzierte Presse oder sehe ich dies falsch?

Sebastian Ramspeck: Wenn ich die Schweizer Medien lese, habe ich wirklich nicht den Eindruck, dass «Panik» gemacht wird. Das ist auf gar keinen Fall die Absicht von SRF und sicher auch nicht der meisten anderen Medien. Aber ich nehme mir ihre Bemerkung gerne zu Herzen.

Guten Tag. Könnte der Abschuss (und anschliessende Analyse) einer der gesichteten Drohnen in Deutschland oder Dänemark, Russland (oder andere Akteure) als Täter eindeutig identifizieren?

Ivo Capaul: Gerade bei militärischen Systemen ist es in der Regel möglich (aufgrund des Modells und der darin verwendeten Komponenten) eine Drohne ihrem Besitzerstaat zuzuordnen.

Nicht immer der Fall ist dies bei kommerziellen Drohnen (gewiss kennen sie die Modelle des chinesischen Herstellers DJI), wo eine eindeutige Zuordnung zum Besitzer ggf. nicht immer möglich ist.

Welche Rolle spielt die Einflussnahme des militärisch-industriellen sowie des finanzwirtschaftlichen Komplexes bei der gezielten Steigerung des Absatzes ihrer Produkte und Dienstleistungen in diesem Konflikt?

Sebastian Ramspeck: Die Rüstungsindustrie hat immer ein Interesse, ihre Produkte zu verkaufen – genauso wie z.B. die Pharmaindustrie ein Interesse hat, Medikamente zu verkaufen. Aber das heisst ja nicht, dass es keine Gefahr gibt.

In den meisten Kriegen der vergangenen Jahre waren Drohnen tatsächlich ein wichtiges Kriegsmittel. Man muss kein Waffenlobbyist sein, um sich dagegen schützen zu wollen.

Gibt es etwas, das Private tun können, um die Armee oder Polizei dabei zu unterstützen, die Verteidigung zu verbessern?

Ivo Capaul: Wichtig ist, sich beim Fliegen eigener Drohnen an die gültigen Flugverbotszonen für private Drohnen rund um Flughäfen und andere kritischen Infrastrukturen zu halten.

Es ist gut möglich, dass einige (aber gewiss nicht alle) der Drohnensichtungen der vergangenen Tagen und Wochen auf Private zurückzuführen sind, welche dies missachtet haben.

Die Drohnen machen mir tatsächlich Angst. Ganz einfach gefragt: Muss man sich starke Sorgen machen? Oder können Sie auch ein wenig beruhigen, dass wir eigentlich gut geschützt sind in Europa? Vielen Dank für Ihre Antwort.

Sebastian Ramspeck: Die europäischen Staaten sind nicht gut geschützt mit den jetzigen Schutzsystemen. Aber sie arbeiten daran, bessere Schutzsysteme zu entwickeln. Und die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Drohne zu werden, ist sehr sehr sehr klein. Ich finde nicht, dass man Angst haben sollte.

Was ich mich immer wieder frage: Wie funktioniert der Iron Dome von Israel? Wie teuer ist er, wie sicher? was kostet er in der Verwaltung? Sollte nicht jedes Land so einen haben?

Sebastian Ramspeck: Ich bin nicht sicher, ob die Gesamtkosten bekannt sind bzw. leicht berechnet werden können. Die USA haben Israel über viele Jahre 1,6 Mia. Dollar pro Jahr – und teilweise noch deutlich mehr – für das System überwiesen. Mit anderen Worten: Ein solches System ist sehr teuer, für die Schweiz würde es einen guten Teil des Militärbudgets verschlingen.

Drohnen werden von der russischen Armee seit vielen Monaten in grosser Anzahl gegen die Ukraine verwendet. Warum hat die Schweiz/NATO nicht darauf reagiert und hat in dieser Zeit Abwehrmittel beschafft resp. in der Schweiz gebaut.

Ivo Capaul: Ich glaube, dass die Zeichen der Zeit sehr wohl erkannt wurden. In der Schweiz, wie auch bei der NATO wird intensiv an der Beschaffung von Drohnenfähigkeiten wie auch an Fähigkeiten zur Drohnenabwehr gearbeitet.

Die Nato hat im vergangenen Monat aufgezeigt, dass sie Drohnen bekämpfen kann, als zahlreiche Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen waren. Bzgl. der Schweiz verweise ich gerne auf den kürzlich erschienen Postulatsbericht, der aufzeigt, welche Systeme in diesen Bereichen für die Schweizer Armee beschafft werden sollen.

Es steht ausser Frage, dass wir bzgl. Drohnenabwehr viel aus der Ukraine lernen können. Dabei zu beachten ist, dass Prozesse natürlich schneller ablaufen, wenn ein Land unmittelbar bedroht ist bzw. unter kriegswirtschaftlichen Bedingungen gearbeitet wird.

Viele russische Drohnenflüge über Europa nutzen Tiefflug und kleine Radarquerschnitte, wodurch klassische Radarsysteme an ihre Grenzen kommen. Für die Schweiz stellt sich die Frage: Wäre es nicht sinnvoller, sich aktiv in ein europäisches Sensor- und Datenverbundsystem einzubringen (z. B. akustische Sensoren, passives Radar, Satelliten-Tracking), statt allein teure Luftabwehrkapazitäten aufzubauen? Wie realistisch ist eine solche Integration für ein Nicht-NATO-Land wie die Schweiz?

Sebastian Ramspeck: Ja, klassische Radarsysteme sind nicht für (kleine) Drohnen geeignet. Um diese zu erkennen, werden spezielle und/oder andere Systeme benötigt. Daran wird m.W. vielerorts gearbeitet, aber das braucht seine Zeit.

Ob sich die Schweiz in ein Nato-System integrieren würde, ist zunächst eine politische Frage in der Schweiz. Gegen eine Nato-Integration gibt es ja immer sehr viel Widerstand.

Wie gross sind solche Drohnen?

Sebastian Ramspeck: Meines Wissens extrem unterschiedlich gross. Von 20 Zentimeter Länge bis vielleicht 5 Meter. Es handelt sich ja nicht immer um den gleichen Drohnentyp!

Kann unsere Armee überhaupt kurzfristig auf moderne Bedrohingen reagieren? Veraltetes Material. Unfähige Mitarbeiter und Politiker im Beschaffungswesen. Initiativen und Veto via Volksabstimmungen. Haben Schweizer Verantwortliche noch nicht realisiert dass Kriesen (Kriege) nicht mehr wie vor 70 Jahren geführt werden?

Sebastian Ramspeck: In Demokratien reagieren Politikerinnen und Politiker vor allem auf das, was die Menschen = ihre Wählerinnen und Wähler beschäftigt. Drohnen- und andere Angriffe von aussen haben die Menschen aber nicht sehr stark beschäftigt in den vergangenen Jahren (schon eher Gesundheitskosten, Einwanderung, Klimaerwärmung usw. usf.) Daher ist die «Untätigkeit» doch eigentlich logisch, nicht?

Ich fliege gerne Drohnen durch Feuerwerke hindurch, das mache ich seit Jahren leidenschaftlich und habe eine beachtliche Zahl Follower aufgebaut. Muss ich mir wegen der aktuellen Vorkommnisse Sorgen machen um mein Hobby (Drohnenverbote oder Abschuss meiner Arbeitsgeräte)?

Sebastian Ramspeck: Die Regeln für Drohnen sind in den vergangenen Jahren in der EU und auch in der Schweiz sehr viel strenger geworden, vielerorts darf man Drohnen nicht mehr fliegen lassen oder nur mit Spezialbewilligungen. Insofern denke ich tatsächlich, dass Ihr Hobby in Zukunft «schwieriger» werden könnte, ja.

Welche konkreten Beweise gibt es dafür, dass Russland hinter den jüngsten Drohnenflügen steckt und damit die Schweiz oder Europa ausspionieren oder bedrohen will? Und falls solche Beweise nicht vorliegen: Warum, glauben Sie, wird in der Öffentlichkeit dennoch ein Bedrohungsszenario oder gar Panik erzeugt?

Sebastian Ramspeck: Konkrete Beweise gibt es meines Wissens nicht, aber viele Hinweise. Ein Beispiel: Drohnenschwärme tauchten plötzlich auf, wenn russische Schiffe in der Nähe sind. Aber als Journalist bin ich immer vorsichtig mit «Beweisketten». Ich habe aber wiederum nicht den Eindruck, dass im Westen «Panik» verbreitet wird. Inwiefern empfinden Sie das? Haben Sie den Eindruck, die Menschen in der Schweiz, in Deutschland oder Dänemark seien in «Panik»?

Guten Tag. Gibt es bewährte Strategien, aussenpolitisch oder militärisch, um mit solchen Provokationen bzw. Spionage umzugehen? Danke.

Sebastian Ramspeck: Drohen sind zwar kein ganz neues Phänomen, aber man scheint sich in den Nato-Staaten erst jetzt so richtig breit und intensiv Gedanken darüber zu machen. Insofern gibt es keine «bewährten» Strategien.

Guten Tag Ich bin Gründer einer Softwarefirma. Im Ukraine-Krieg war auffallend, dass Drohnen der Ukrainer punktgenau auf russische Stellungen zusteuerten. Meta-Daten aus digitalen Lösungen von US-Konzernen (Wie Whatsapp und Google) scheinen via Cloud-Act verwendet zu werden. Das offizielle Jargon heisst dann «USA liefern der Ukraine Geheimdienstinformationen für Raketenangriffe». Wenn die USA in den Mid-Terms Trump bestätigen, sind Bürgerkriegsszenarien oder Konflikte mit Europa nicht mehr komplett ausgeschlossen. Haben die Europäer/Schweiz überhaupt eine Chance im Drohnenkrieg, solange man nicht eine minimale digitale Souveränität hat? Bringt es überhaupt in Drohnen zu investieren, wenn WIEDER die Amerikaner die Software kontrollieren wie bei den Kampfjets?

Sebastian Ramspeck: Genau deswegen investieren die EU-Staaten in europäische Technologie und die Schweiz will selber Drohen entwickeln usw. Die technologische Abhängigkeit von den USA, gerade bei der digitalen Infrastruktur, ist aber riesig, das stimmt.

Warum entwickelt die Schweiz keine eigenen Drohnen? bzw. Gäbe es eine Möglichkeit, dass die Schweiz einen mehrheitlich selbstständigen Weg geht betreffend Herstellung und Entwicklung von Drohnen?

Ivo Capaul: In der Schweiz gibt es tatsächlich eine Vielzahl an Firmen, die sehr innovativ sind in den Bereichen Drohnen und Robotik, hinzu kommt die Forschungstätigkeit der Hochschulen. Wir haben in der Schweiz also eine recht gute Ausgangslage, was die Entwicklung eigener (auch militärischer) Drohnenfähigkeiten betrifft.

Stand heute fokussieren sich die meisten dieser Firmen auf zivile Verwendung von Drohnen. Mit der Task Force Drohnen im VBS gibt es eine Organisation, die sich direkt darum kümmert, das heimische Potenzial im Drohnenbereich zu fördern und Drohnenfähigkeiten für die Armee zeitnah zur Verfügung zu stellen. Eine vollständige Autonomie von ausländischer Technologie halte ich aber für unrealistisch.

Sind Kriegsdrohnen immer speziell oder können auch Drohnen, die jeder kaufen kann, umgebaut werden zu Kriegsdrohnen?

Sebastian Ramspeck: Es gibt beides, High-tech-Kriegsdrohnen und für Kriegszwecke umgebaute Billigdrohnen aus dem Supermarkt. Die Drohnen, von denen in den vergangenen Wochen und Monaten die Rede war, waren meist grössere «professionelle» Drohnen.

Gibt es irgendwelche handfesten Beweise für die mutmassliche russische Herkunft der Drohnen, welche „gesichtet“ wurden? Oder bewegen sich all die Behauptungen eher im Bereich des Spekulativen und dienen der Vorbereitung und Rhetorik auf eine „Kriegstüchtigkeit“ der Bevölkerung in Westeuropa? Nach meinem Kenntnisstand stellten sich einige der vermeintlich russischen Drohnen als zivile Drohnen von örtlichen Drohnenpiloten heraus. In Polen wurden ein Gebäude von polnischer oder ukrainischer Luftabwehr getroffen und uns als Angriff mit russischen Drohnen verkauft. Bei mir schleicht sich der Gedanke ein, „seit 5:45 Uhr wird zurückgeschossen“. Die Rhetorik scheint mir sehr ähnlich, der vor dem 2. Weltkrieg!

Sebastian Ramspeck: Es gibt bei den Drohnen Hinweise auf russische Herkunft, aber m.W. keine Beweise, das stimmt. Das trägt zur allgemeinen Verwirrung und Verunsicherung bei.

Dass die Nato damit einen Krieg gegen Russland «vorbereiten» will (wie Hitler 1939 den Krieg gegen Polen, darauf nehmen Sie Bezug), halte ich aber für komplett unsinnig. Wieso sollte die Nato Russland angreifen? Um einen Atomkrieg und die totale Vernichtung der Nato zu riskieren?

Flugplätze und militärische Einrichtungen gehören erfahrungsgemäss in nahezu allen Angriffskriegen zu den primären Zielen – meist werden sie in den ersten Stunden ausgeschaltet, um die gegnerische Luftwaffe und Verteidigung zu schwächen. Wäre es aus sicherheitspolitischer Sicht und im Interesse des Bevölkerungsschutzes nicht sinnvoller, bestehende Militärflugplätze aufzugeben oder umzuwidmen – etwa in Park- oder Erholungsflächen – anstatt sie als potenzielle Angriffsziele zu erhalten?

Sebastian Ramspeck: Wenn man Militärflugplätze aufgibt, müsste man auch die Luftwaffe aufgeben – aber wir haben doch kürzlich entschieden, neue Kampfjets zu kaufen? Was der Schutz von Park- oder Erholungsflächen beinhalten würde, verstehe ich nicht ganz...? Dass man die Drohnen leichter abschiessen könnte? Das wäre aber nur der Fall, wenn es sich um militärische Sperrzonen handeln würde.

Untersuchungen haben gezeigt, dass in abgeschossenen russischen Drohnen westliche Bauteile – etwa Mikroprozessoren oder GPS-Module – verbaut sind. Angesichts der globalen Lieferketten: Wie gross ist die Gefahr, dass solche Dual-Use-Komponenten weiterhin über Umwege nach Russland gelangen? Und was könnte die Schweiz als wichtiger Hightech-Standort konkret tun, um solche Exporte zu unterbinden?

Ivo Capaul: Sie sprechen meines Erachtens die Problematik direkt an: es handelt sich bei den CH-Komponenten um Dual-Use-Güter die millionenfach produziert werden und mit wenig Aufwand online zu kaufen sind.

Die Elektronik, welche für die Steuerung von Drohnen verwendet wird (insb. diejenige von Schweizer Herstellern) findet in derart vielfältigen zivilen Nutzungsfeldern Anwendung (Autos, Konsumerelektronik etc.), dass die vergleichsweise geringen Mengen der Komponenten, die zur Drohnenproduktion in Russland gebraucht werden, realistischerweise kaum auffallen, bzw. nachzuverfolgen sind.

Im Generellen würde ich aber ein ökonomisches Modell nehmen, um diesen Sachverhalt einzuschätzen. Wird es (etwa durch Sanktionen) komplizierter für Russland an westliche Komponenten zu gelangen, so wird Russland mehr Aufwand betreiben müssen (etwa unter Zuhilfenahme eines komplizierteren Netzwerks an Zwischenhändlern), um trotzdem an die Komponenten zu gelangen.

Wie wäre die Schweiz bei einem Angriff abgesichert? Ist die Schweiz als Ziel überhaupt realistisch, umringt von Nato-Staaten?

Sebastian Ramspeck: Die Schweizer Drohnen- und überhaupt Luft-Abwehr ist sehr schwach. Die Geografie ist tatsächlich ein grosses Glück für die Schweiz, wir sind umgeben von Ländern, von denen wir keinen Angriff erwarten. Auch haben wir keine Küste, Drohnen können also nicht vom Meer her eindringen.

Aber das heisst natürlich nicht, dass ein Drohnen-Angriff völlig ausgeschlossen ist, zumal manche Militär-Drohnen viele 100 Kilometer weit fliegen können und nicht immer abgeschossen werden.

Wie sind die aktuellen Drohnenflüge von Russland einzuschätzen? Möchte Putin die Grenzen austesten oder eine Reaktion durch die Nato auslösen?

Sebastian Ramspeck: Ich sehe drei mögliche Motive:

1. Militäranlagen, zivile Infrastruktur usw. ausspionieren.

2. Testen, wie Nato-Staaten konkret reagieren, wie rasch, mit welchen Mitteln sie Drohnen aufspüren, zerstören – oder eben auch nicht.

3. Die Menschen in den Nato-Staaten verunsichern, das Gefühl geben, dass es Gefahren gibt und der Staat sie davor nicht bewahren kann.

Können bewilligte Drohnenflüge von nicht bewilligten Flügen unterschieden werden? Wenn ja, warum werden die nicht bewilligten Drohnen nicht zerstört?

Sebastian Ramspeck: In den meisten Staaten darf man grosse Drohnen nur mit Bewilligung herumfliegen lassen und sicher nicht in der Nähe von Militäranlagen; über Städten ist das auch meist verboten.

Aber Drohnen zu zerstören, ist nicht so einfach. Es gibt nicht an jeder Ecke eine Polizei- oder Militär-Einheit, die das kann. Und oft ist es auch gefährlich, weil die Drohne abstürzen könnte, Menschen töten könnte usw.

Gibt es so etwas wie eine billige, aber effektive Drohnenabwehr? Oder wäre eine Verteidigung gegen solche mit enormen Kosten verbunden?

Ivo Capaul: Eine Patentlösung bei der Drohnenabwehr, die gleichzeitig alle Arten von Drohnen auf unterschiedliche Distanzen abwehren kann, gibt es sicher nicht.

Die Abwehr von Kleindrohnen ist tendenziell immer eine Punktverteidigung, also das Schützen des Luftraums über einem Gebiet beschränkter Grösse. Mann kann also (da sie die Kosten ansprechen) realistischerweise immer nur eine bestimmte Anzahl an Gebieten (z.B. kritische Infrastruktur) vor Drohnen schützen.

Eine relativ günstige und gleichzeitig effektive Drohnenabwehr sind sog. «Jammer» (Systeme zur elektronischen Kriegsführung). Diese stören z.B. die Funkverbindung zwischen Drohne und Fernsteuerung innerhalb eines gewissen Radius, was Drohnen zum Absturz bringen kann. Es braucht hier also keine «kinetische» Abwehr (also z.B. Drohnen, die anderen Drohnen abschiessen).

Gibt es Schätzungen, wie stark Russland in Drohnenentwicklung und -produktion investiert?

Sebastian Ramspeck: Es gibt eine Schätzung von Defense News aus den USA, dass Russland in den vergangenen Jahren umgerechnet etwa 600 Mio. Fr. pro Jahr investiert hat.

Wie weit können solche Drohnen wie in Dänemark überhaupt fliegen?

Sebastian Ramspeck: Schwierig zu sagen. Solche Drohnen fliegen typischerweise einige Dutzend bis einige 100 Kilometer weit. Aber nicht immer wissen die Behörden, was für Drohnen genau rumfliegen. Und manches wird auch bewusst nicht mitgeteilt, weil man nicht preisgeben möchte, was man weiss und was nicht.

Seit Juni 2023 werden Störungen des GPS-Signals im gesamten Ostseeraum gemeldet. Insbesondere Estland leidet darunter seit längerem. Wurde zu spät reagiert, dass Drohnen nun noch weiter vorstossen?

Sebastian Ramspeck: Ja, die Nato-Staaten haben das Problem verschlafen – das sehen auch viele Politikerinnen und Politiker in der Nato so. U.a. weil in Demokratien Massnahmen für die nationale Sicherheit nicht erste Priorität haben, weil in den vergangenen Jahren andere Probleme im Vordergrund standen.

Ich meine mich zu erinnern, dass schon immer Drohnen vor allem in Nordeuropa geflogen sind, also schon in den letzten Jahren. Wird nun einfach mehr darüber berichtet oder täusche ich mich?

Sebastian Ramspeck: Es gab in den vergangenen Monaten, seit etwa Mai, eine Häufung von Vorfällen mit Drohnen, die in den Luftraum (nord-)europäischer Staaten eindringen. Und wenn es Häufungen gibt, wird auch mehr berichtet. Aber Sie haben recht: Völlig neu ist das Phänomen nicht.

Warum werden die (vermeintlich russischen) Drohnen nicht einfach konsequent abgeschossen?

Ivo Capaul: So einfach ist dies leider nicht. Bei der Drohnenabwehr über zivile Infrastrukturen fallen einige Herausforderungen zusammen. Einerseits haben wir die Problematik der kurzen Reaktionszeit.

Bei den Drohnenüberflügen an europäischen Flughäfen in den vergangenen Wochen haben wir gesehen, dass die Drohnen jeweils nur einige wenige Minuten unterwegs waren. Man müsste also sehr schnell reagieren können, was nicht immer möglich ist.

Dabei zu bedenken: Um eine Drohne abzuschiessen, muss die Gewissheit in der Regel sehr hoch sein, um welches Flugobjekt es sich handelt und dass es eine Bedrohung darstellt. Dies in den kurzen Zeiträumen, in denen Drohnen in unerlaubten Luftraum eindringen, festzustellen, ist nicht ganz einfach.

Andererseits besteht die Gefahr von Kollateralschaden: Denken sie beispielsweise an den Flughafen Zürich, der von bewohntem Gebiet umgeben ist. Wird ein Flugobjekt abgeschossen, stürzt dieses in der Regel unkontrolliert ab, mit dem Risiko, dass Menschen davon getroffen werden können. Hinzu kommt natürlich die Problematik, dass die benötigten Mittel der Drohnenabwehr nicht immer vorhanden, bzw. nicht immer am richtigen Ort sein können. Die Reichweite von Drohnenabwehrsystemen ist immer begrenzt.

Die diversen Drohnen über einigen europäischen Ländern wurden nicht abgeschossen. Wie wahrscheinlich erachten Sie es, dass diese Drohnen false flag Drohnen sind und nur als Grund für massive Aufrüstung dienen? Merci und gute Zeit

Sebastian Ramspeck: Es gibt viel naheliegendere Gründe, warum viele Drohnen nicht abgeschossen wurden: 1. Zu gefährlich. 2. Nicht genug Mittel dafür. Ich sehe jedenfalls keinerlei Hinweise darauf, dass wir es mit «False-flag»-Operationen zu tun haben könnten.

 

Tagesschau, 3.10.25, 19:30 Uhr ; 

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