Nach 10 Jahren steigt der FC Thun in die Challenge League ab. Jahre gehen zu Ende, in denen die Berner Oberländer die ganze Schweiz immer wieder zum Staunen brachten. Finanzielle Probleme plagten den FC Thun immer wieder, und trotzdem verblüffte der Verein sporadisch mit sportlichen Erfolgen. Ein Baumeister dieser Erfolge war Trainerlegende Hanspeter Latour.
SRF News: Ihr Herz schlägt seit jeher für den FC Thun. Was bedeutet dieser Abstieg nun für die Berner Oberländer?
Hanspeter Latour: Der Abstieg ist eine grosse Überraschung, für alle. Auch ich lag mit meinen Prognosen für die Barrage-Spiele völlig falsch. Ich dachte immer, der FC Thun überstehe das. Die ganze Region steht hinter dem FC Thun. Der Fussballklub verkörpert aber eben auch die Potenz, die Stärke des Berner Oberlands. Dieses ist eben nicht nur ein Naherholungsgebiet, es hat wirtschaftlich und sportlich etwas zu bieten. Dieses Bild ist im Moment, aus meiner Sicht, etwas zusammengebrochen.
Ist dieser Abstieg ein Misstritt? Oder hat er sich nicht doch schon länger abgezeichnet?
Misstritt - das ist ein treffender Begriff. Misstritte tun manchmal noch sehr lange weh, mehr als ein gebrochener Knochen. Es wäre für den FC Thun wünschenswert, wenn es sich beim Abstieg nur um einen Misstritt handeln würde. Der Abstieg ist jedoch auch eine logische Folge: Immer wieder musste der FC Thun gute Spieler ziehen lassen, dann wurden wieder Spieler aus der Challenge League nachgezogen.
Die Mannschaft hungerte schleichend aus.
Dadurch hungerte der FC Thun schleichend aus. Dies zeigt, wie schwierig es im Berner Oberland ist, eine hervorragende Mannschaft zusammenzustellen, die in der obersten Liga konkurrenzfähig ist.
Verstehe ich Sie richtig: Ist der FC Thun zu klein, um in der obersten Liga zu brillieren und zu gut, um abzusteigen?
Es bringt nichts, jetzt noch auf die einzutreten, die eh schon am Boden liegen. Ich habe jedoch immer darauf hingewiesen, dass die Mentalität, die im Berner Oberland herrscht, nicht die beste ist für Spitzensport. Denn Spitzensport ist ein hartes Geschäft. Wenn die Zürcher sagen, der eine oder der andere habe ein grosses Selbstvertrauen, sagen wir hier im Berner Oberland, das sei ein Bluffer. Hinzu kommt: Fussball ist einfach nicht immer korrekt.
Wäre denn beim FC Thun eine härtere Gangart nötig gewesen?
In Fussballgeschäft muss man manchmal Türen zuschlagen. Vielleicht haben sie das in Thun gemacht und ich habs einfach hier bei mir oben im Eriz nicht gehört. Aber ich kann da den Vergleich aus meiner Zeit mit dem FC Köln ziehen. Täglich war ich von drei bis vier Weltmeistern umgeben.
Beim FC Thun ist vieles zu friedlich abgelaufen.
Stellen sie sich mal vor, was da für Kritik an einen herangetragen wird. Diese Kritik ist aber nötig, damit man weiterkommt. Man darf einfach nicht daran zerbrechen. Beim FC Thun, so scheint mir, ist immer alles etwas gar friedlich abgelaufen.
Welche Chance hat der FC Thun, wieder in die höchste Liga zurückzukehren?
Das wird schwierig, aber an Chancen muss man einfach glauben. Im Spitzenfussball ist es heute leider fast unmöglich, einen konstanten Aufbau über mehrere Jahre zu betreiben. Entweder gehts weiter runter in den Keller oder man strampelt sich enorm ab, um wieder aufsteigen zu können. Für den Aufstieg ist dann aber auch wieder Geld nötig.
Das Gespräch führte Michael Sahli.