Stein des Anstosses: Der Aargauer Regierungsrat hat am Donnerstag per Notverordnung in Kraft gesetzt, dass die Polizei den gesamten öffentlichen Raum in Echtzeit per Videokamera überwachen darf. Die Polizei soll dank dieser Massnahme schnell erkennen und reagieren können, wenn sich zu viele Menschen auf engem Raum aufhalten.
Solche Ansammlungen auf öffentlichen Plätzen und Wegen hat der Bundesrat wegen Corona verboten. Die Notverordnung der Aargauer Regierung gilt maximal sechs Monate. Das Kantonsparlament – der Grosse Rat – hat dazu nichts zu sagen.
Die Kritik der FDP: Lukas Pfisterer machte seinem Unmut auf Twitter Luft. Der Präsident der Aargauer FDP stört sich neben der Tragweite der Notverordnung auch am Vorgehen der Regierung. Sie habe eine Linie überschritten. Weder die Parteien noch die zuständige Kommission für öffentliche Sicherheit des Grossen Rats seien informiert oder angehört worden.
Die Kommissionsmitglieder seien «nicht im Schützengraben» und alle erreichbar. Der «Solo-Lauf» der Regierung sei unnötig. Die FDP stehe auch in der Krise hinter der Regierung und diese meistere ihre Aufgabe gut, so Pfisterer.
Die Kritik der SP: Die Kritik von Lukas Pfisterer teilt auch SP-Präsidentin Gabriela Suter. Ihre Partei kritisiert in einer Medienmitteilung das Vorgehen der Regierung. Dieses sei höchst problematisch. Bei einem Eingriff in die Grundrechte wäre eine Rücksprache zumindest mit der Sicherheitskommission nötig gewesen.
Nur hinter den Kulissen: Die Aargauer Parteien äusserten sich in letzter Zeit deutlich weniger oft als sonst. Der Politbetrieb sei gelähmt, meint SP-Präsidentin Suter. Einen Austausch zwischen der Regierung und den Parteien gebe es momentan nicht. Die Corona-Krise zeige, dass sich die politischen Institutionen und Parlamente auch dann austauschen müssen, wenn sie nicht physisch zusammenkommen können. Es brauche eine Lösung für die digitale Kommunikation – etwa per Videokonferenz.
Die Politik laufe momentan hinter den Kulissen weiter, so FDP-Präsident Pfisterer. Man sei nicht im Schlafmodus und versuche auch, im Rahmen der Möglichkeiten Einfluss zu nehmen auf die Arbeit des Regierungsrats. Zum Thema Wirtschaft habe man der Regierung beispielsweise einen offenen Brief geschrieben, den diese dann auch beantwortet habe. Auch wenn es keine Grossratssitzungen gebe, heisse das also nicht, dass die Politik nichts mache.
Vor allem aber betont Pfisterer: Ein Stillschweige-Abkommen zwischen den Parteien und der Regierung bestehe nicht. Die Parteien wollen und dürfen die Regierung also trotz aussergewöhnlicher Zeiten weiterhin kritisieren.