Es ist der 5. November 1978, Reformationssonntag. Das Schweizer Fernsehen will zur besinnlichen Stimmung beitragen. Mit der Verfilmung der Novelle von Gottfried Kellers «Ursula», die im Zürich der Reformation des 16. Jahrhunderts spielt. Es ist eine Co-Produktion des Schweizer Fernsehens mit dem Fernsehen der DDR.
Es ist die erste und gleichzeitig auch letzte Co-Produktion der beiden Fernsehanstalten. Denn «Ursula» des renommierten DDR-Regisseurs Egon Günther provoziert einen veritablen Fernsehskandal: Der Film verstört und verunsichert das Fernsehpublikum mit dunklen Bildern, lauter Musik und derben Nackt-Szenen.
«Die schlimmsten Sex-Szenen waren schon gar nicht mehr zu sehen», schmunzelt Suzanne Stoll. Die heute 60-jährige spielte damals als blutjunge Schauspielerin die Hauptrolle der Ursula und hoffte auf eine grosse Karriere. Doch der Skandal um den Film setzte dem Traum ein jähes Ende. Das hatte allerdings auch damit zu tun, dass sie und Regisseur Günther ein Paar wurden, trotz grossen Altersunterschiedes.
Heute arbeitet Suzanne Stoll in Basel als Sprachtherapeutin. Ihrer verpatzten Karriere als Schauspielerin trauert sie nicht nach: «In meinem Alter würde ich vermutlich ohnehin kaum noch Rollen bekommen.»
(Regionaljournal Basel, 17.30 Uhr)