Im Dorf Lohn sind 38 Personen stimmberechtigt, 36 legten 2015 ihre Wahlzettel in die Gemeindeurne. Wenn man in einem kleinen Dorf lebe, habe jeder die Erfahrung gemacht, dass sein Engagement zähle, sagt Gemeindepräsident Peter Baumann. In praktisch jeder Familie gebe es jemanden, der einmal im Gemeindevorstand mitgewirkt habe, es werde in den Familien über Politik diskutiert.
Man merkt, dass man als einzelner wirklich einen Beitrag leistet
Und vielleicht seien auch ganz handfeste Interessen im Spiel: Ein grosser Teil der 50 Einwohner lebt hauptsächlich von landwirtschaftlichen Direktzahlungen. Da ist es einem nicht egal, welche Vertreter in Bern sitzen.
Rorschach am Bodensee ist der Gegenentwurf zu Lohn: Städtisch geprägt, heterogen. 2015 liessen hier fast zwei Drittel der Stimmberechtigten die Wahlen an sich vorbeiziehen. Peter Buschor, lokaler SP-Präsident, bedauert dies aus staatspolitischer Sicht. Anderseits ist er nicht allzu beunruhigt:
« Das heisst ja nicht, dass die Nichtwählenden alle unzufrieden und verdrossen sind. Ich glaube, die meisten sind zufrieden mit dem Courant normal». Anders sieht diesen Punkt FDP-Präsident Marcel Müller: «Wenn Leute abstimmen gehen, und dann nicht zufrieden sind mit der Umsetzung, dann fragen sie sich, warum sie noch Leute wählen sollten, die dann nicht in ihrem Sinne handeln.»
Warum Leute wählen, die nicht im Sinne der Wähler handeln
Res Lerch, Verfasser des «Rorschacher Echo», sieht zudem eine Verflachung der politischen Diskussion seit der Abschaffung der Stadtparlamentes 2004. Städtische Politik werde nicht mehr so breit diskutiert, das trage dazu bei, dass Politik allgemein an Aufmerksamkeit verliere.
Markus Freitag, Politikwissenschafter an der Uni Bern, hat die Motive der Nicht-Wähler untersucht. Rund ein Viertel der Abstinenten gehört demnach tatsächlich zu den Zufriedenen, die keinen Anlass sehen, etwas zu ändern.
Wer warum nicht wählt.
Fast 40 Prozent jedoch seien Menschen, die das Wahlprozedere nicht verstehen oder durch politische Informationen schlicht nicht erreicht werden, weil sie keine Medien konsumieren oder sozial isoliert leben. Als schweizerische Besonderheit sieht Freitag, dass es einen Teil der Wahlberechtigten sehr wohl an Politik interessiert sind, aber nicht an Wahlen. Diese Gruppe beteiligt sich eher an Abstimmungen.