Mehr zum Zürcher Ständeratswahlkampf
Bereits bei der ersten Hochrechnung war klar: Ruedi Noser holt den zweiten Zürcher Ständeratssitz. Er hatte sogar in den SVP-Hochburgen auf dem Land mehr Stimmen gemacht als sein bürgerlicher Konkurrent Hans-Ueli Vogt. Wie erwartet konnte Bastien Girod (Grüne) in der Stadt Zürich zwar noch aufholen, Ruedi Nosers Sieg war aber nie in Gefahr. Er zieht damit neben Daniel Jositsch für Zürich in den Ständerat. Der SP-Strafrechtsprofessor war bereits im ersten Wahlgang gewählt worden.
Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 39 Prozent, sieben Prozent weniger als im ersten Wahlgang.
Taktisches Wahlverhalten
FDP-Nationalrat und Unternehmer Ruedi Noser hat weit über die FDP-Parteibasis hinweg Stimmen geholt. Dies deutet darauf hin, dass viele Wählerinnen und Wähler taktisch gewählt haben. Linke Wähler dürften Ruedi Noser auf den Wahlzettel geschrieben haben, um SVP-Kandidat Hans-Ueli Vogt zu verhindern. Gleichzeitig dürfte Ruedi Noser Stimmen von SVP-Sympathisanten erhalten haben, um den Einzug des Grünen Bastien Girod ins Stöckli zu verunmöglichen.
Grosse Freude bei Ruedi Noser
Ruedi Noser zeigte sich sehr erfreut über das Resultat. Er macht seinen Wahlkampf und die Strategie der Partei verantwortlich.
Wir haben im Wahlkampf weder links noch rechts geschaut. Das hat sich ausbezahlt.
Ausserdem habe er innerhalb der Partei viel Unterstützung erhalten. «Ich war fasziniert, wie viele Leute für mich in den Strassenwahlkampf gezogen sind.» Ruedi Noser ist sich bewusst, dass er auch dank vieler Stimmen aus der Mitte und einzelner Stimmen von Links gewählt wurde. Er betont deshalb: «Ich fühle mich nicht links oder rechts, sondern dem gesamten Kanton verpflichtet.»
Diese Aussage würde wohl auch Daniel Jositsch (SP) unterschreiben, der künftige Kollege von Ruedi Noser im Zürcher Ständerat. Er glaubt an eine gute Zusammenarbeit: «Ich bin ein Sozial-Liberaler und Ruedi Noser ist ein sozialer Liberaler», sagt Daniel Jositsch. Deshalb gebe es einige Bereiche, in denen sie Gemeinsamkeiten hätten.
Gratulationen von Bastien Girod
Der zweitplatzierte Bastien Girod mochte am Wahltag nicht Trübsal blasen.
Die Freude über das gute Resultat überwiegt.
Bastien Girod selbst gratuliert Ruedi Noser zu seinem Sieg und sagt: «Ruedi Noser war stark – zu stark für mich.» Und er glaubt: «Mir wurde wohl zum Verhängnis, dass Hans-Ueli Vogt zu schwach war.» Denn nur wenn Hans-Ueli Vogt seinem bürgerlichen Konkurrenten Ruedi Noser mehr Stimmen weggenommen hätte, wäre die Wahl für den Grünen Bastien Girod in Reichweite gelangt.
Zudem gelang es Bastien Girod nicht, genügend Stimmen aus der Mitte zu erhalten. Bastien Girod will nun die Erfahrungen, die er im Wahlgang gesammelt hat, in seine politische Arbeit als Nationalrat einfliessen lassen.
Hans-Ueli Vogt: zu urban und professoral?
SVP-Kandidat Hans-Ueli Vogt erhielt rund zwanzig Prozent der Stimmen – weit weniger als der SVP-Wähleranteil im Kanton Zürich. Hans-Ueli Vogt erklärt dies mit dem taktischen Wahlverhalten gewisser SVP-Sympathisanten:
Viele SVP-Wähler haben Ruedi Noser die Stimme gegeben aus Sorge, dass Bastien Girod gewählt wird.
War er, der Strafrechtsprofessor und schwule Stadtzürcher, vielleicht auch der falsche Kandidat? «Das kann ich nicht beurteilen», sagt Hans-Ueli Vogt. Er will sich nun auf sein neues Amt als Nationalrat konzentrieren.