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Wie beeinflusst die Politik in Brüssel die Geldpolitik der EZB?
Aus Echo der Zeit vom 19.06.2019. Bild: Reuters
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Ära Draghi geht zu Ende «Die EZB ist die unabhängigste Zentralbank der Welt»

Ende Oktober wird Mario Draghi turnusgemäss sein Amt als Chef der Europäischen Zentralbank abgeben. Für seine Politik des billigen Geldes und der tiefen Zinsen stand er oft in der Kritik: Unter seiner Führung hätten sich die Hüter des Euros zu stark von der Politik beeinflussen lassen. Doch das sehen nicht alle so. Ökonom Holger Schmieding nimmt ihn in Schutz.

Holger Schmieding

Holger Schmieding

Chefökonom der Berenberg Bank

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Schmieding war Chefökonom Europa bei verschiedenen Banken. Seit 2010 arbeitet er für die deutsche Bank Berenberg. Sein Arbeitsort ist London.

SRF News: Wie gross ist der Einfluss Brüssels auf die Geldpolitik der EZB?

Holger Schmieding: Sehr klein. Die EZB ist wohl die unabhängigste Zentralbank, die wir in der Welt haben. Das liegt daran, dass es nicht eine Institution gibt, die die gesamte Führungsspitze der Zentralbank bestimmt, sondern 19 Mitgliedsländer, die dies einzeln durch ihre nationalen Zentralbankchefs und gemeinsam durch die Führungsspitze der EZB tun.

In den USA würde ein Gesetz reichen, um die Unabhängigkeit der Zentralbank abzuschaffen.

Dass die 19 Mitgliedsländer sich darauf einigen könnten, gemeinsam Druck auf die EZB auszuüben, ist schwer vorstellbar. In den USA und vielen anderen Ländern würde ein Gesetz reichen, um die Unabhängigkeit der Zentralbank abzuschaffen. In der EU müsste der Vertrag über die EU geändert und von allen Mitgliedsländern ratifiziert werden, um ihr Mandat ändern zu können.

Spielt es für die Geldpolitik der Eurozone eine Rolle, wer Präsident ist?

Es spielt eine gewisse Rolle. So hatte beispielsweise der jetzige Präsident Mario Draghi gesagt, er würde alles tun, was nötig sei innerhalb des Mandats, um die Eurokrise zu beenden. Damit hat er die Krise im Juli 2012 praktisch beendet. In einer akuten Krise kann es also wichtig sein, dass die richtige Person an der Spitze unter Druck schnell die richtige Entscheidung trifft.

Draghi
Legende: Mario Draghi wurde viel kritisiert. Doch Holger Schmieding sagt, er habe alles richtig gemacht. Keystone

In normalen Zeiten wie jetzt ist es aber so, dass die 25 Mitglieder im Zentralbankrat lange diskutieren, bis sie geldpolitische Entscheidungen fällen. Für diese Diskussion ist es zwar interessant, aber nicht entscheidend, wer an der Spitze steht. Es hängt nicht so sehr davon ab, ob beispielsweise der deutsche Vertreter Jens Weidmann auf dem Chefsessel sitzt oder Draghi.

Draghi hat die Leitzinsen acht Jahre lang nicht erhöht. Hätte das Weidmann anders gemacht?

Nein. Wir sehen es ja an der Schweiz. Hier sind die Zinsen noch niedriger als in der Eurozone, obwohl es kein Draghi ist, der die Schweizer Nationalbank führt. Es gibt kaum Inflation, das Wachstum ist anfällig. Es gab die Eurokrise. Es sind die Umstände, die die EZB zwingen, die Zinsen niedrig zu halten.

Erst wenn die Inflation nennenswert aufwärts strebt, kann das Zinsniveau auch erheblich steigen.

Ein Versuch, die Zinsen vorzeitig zu erhöhen, hätte wahrscheinlich zu einem Konjunktureinbruch geführt und die EZB gezwungen, kurz danach die Zinsen wieder zu senken. In diesen Zeiten mit niedriger Inflation ist einer Zentralbank der Kurs im Prinzip weitgehend vorgegeben. Erst wenn die Inflation nennenswert aufwärts strebt, kann das Zinsniveau auch erheblich steigen.

Durch die Finanz- und Eurokrise hat die EZB an Macht gewonnen. Ihre Bilanz ist stark angeschwollen. Wird ihr das nun zum Verhängnis?

Die EZB hat tatsächlich eine sehr starke Machtposition erlangt. Weil es in der Eurozone keine gemeinsame Fiskalpolitik gibt, die auf Konjunkturkrisen antworten kann, musste die EZB entsprechend in die Bresche springen.

Die EZB hat den Bogen nicht überspannt.
Autor: Holger Schmieding Chefökonom Privatbank Berenberg

Sie hat in grossem Umfang Anleihen gekauft und so ihre Bilanz aufgebläht. Ich sehe allerdings nicht, dass es in der Eurozone erhebliche politische Kritik an der EZB gibt. So haben wir zwar in Deutschland ein ziemliches Grummeln über die Niedrigzinsen. Aber gleichzeitig ist die Zustimmung zu Europa ausgesprochen hoch. Ich glaube, die EZB hat den Bogen nicht überspannt.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

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