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Airline in der Krise Swiss-Finanzchef: «Reisen müsste wieder planbar werden»

Seit einem Jahr ist Markus Binkert Finanzchef bei der Fluggesellschaft Swiss. Diese hat im ersten Quartal 2021 einen Verlust von 200 Millionen Franken eingeflogen, nach einem Jahresverlust 2020 von über 600 Millionen. Deshalb prüft Swiss nun eine Redimensionierung. Finanzchef Markus Binkert rechnet in Zukunft mit 20 Prozent weniger Geschäftsreisen, wie er im Gespräch sagt.

Markus Binkert

Finanzchef Swiss

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Binkert ist seit März 2020 Finanzchef der Swiss. Davor war er Kommerzchef am Lufthansa-Hub in München. Er war seit 2005 in verschiedenen Management- und Geschäftsleitungspositionen bei der Swiss angestellt.

SRF: Swiss bleibt tief in den roten Zahlen. Wie kommentieren Sie diesen neusten Verlust?

Markus Binkert: Der entspricht in dieser schwierigen Marktsituation leider unseren Erwartungen. Wir sehen weiterhin wechselnde und verschärfte Reiserestriktionen wegen des Virus und nur langsame Fortschritte bei den Impfungen. Deshalb war im ersten Quartal eine Erholung einfach nicht möglich.

Welche Kategorien haben besonders gelitten? Geschäftsflüge, Freizeitreisen oder der Cargo-Verkehr?

Das Frachtgeschäft ist sehr stark verlaufen. Viele der Langstreckenflüge können wir nur betreiben, weil wir da auch Fracht transportieren. Das hilft uns natürlich, doch diese Cargo-Einnahmen sind nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Aufseiten der Passagiere sind sowohl Geschäftsreisende wie auch der Freizeitverkehr sehr stark betroffen. Für uns wäre es wichtig, dass das Reisen wieder planbar wird, mit Schutzkonzepten und indem die Staaten die Reisefreiheit für Geimpfte, Genesene oder negativ auf Covid-19 Getestete garantieren.

Sie haben 500 Stellen abgebaut, weitere 500 werden folgen. Doch das reicht offenbar nicht. Sie prüfen nun eine Redimensionierung der Flotte und des Streckennetzes?

Ja, es zeichnet sich leider deutlich ab, dass sich unsere Branche grundsätzlich und strukturell ändert. Wir gehen zum Beispiel davon aus, dass künftig 20 Prozent weniger Geschäftsreisen getätigt werden. Das ist ein wichtiger, integraler Bestandteil unseres Geschäftsmodells. Entsprechend sind wir gezwungen, eine signifikante Redimensionierung des Unternehmens zu prüfen. Im Moment analysieren wir, was das bedeutet – für unser Streckennetz, für unsere Flotte und auch für unsere Organisation. Aber es wird noch ein paar Wochen dauern, bis wir dazu etwas kommunizieren können.

Aber ein Grounding wie bei der Swissair steht nicht vor der Tür?

Nein, die Liquidität der Swiss ist weiterhin gesichert. Wir haben unsere Kosten reduziert, Investitionen nach hinten geschoben und Projekte gestoppt, wir haben auch Stellen abgebaut. Wir haben von der 1.5-Milliarden-Bürgschaft des Staates bis jetzt erst weit weniger als die Hälfte bezogen.

Die Liquidität der Swiss ist weiterhin gesichert.

Sie sind nun seit einem Jahr Finanzchef der Swiss. Das war im Rückblick wohl der falschest mögliche Moment, um als Finanzchef bei einer Airline einzusteigen?

Ich bin ja schon länger bei der Swiss und beim Lufthansa-Konzern tätig, es ist also kein Neuland für mich. Aber es ist eine herausfordernde und schwierige Aufgabe. Ich bringe mich gerne mit Herzblut ein, um der Swiss zu helfen. Die Liquidität ist gesichert. Jetzt geht es darum, dass wir uns so aufstellen, dass wir auch in Zukunft wieder investieren und die Schweiz an die Welt anbinden können.

Das Gespräch führte Klaus Bonanomi.

Rendez-vous, 29.4.2021, 12:30 Uhr ; 

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