Was sich seit Tagen abgezeichnet hat, ist jetzt offiziell: Der französische TGV-Hersteller Alstom will die Zugsparte des kanadischen Konkurrenten Bombardier übernehmen. Die Rede ist von einem Kaufpreis von rund 6 Milliarden Euro. Doch noch ist der Deal nicht definitiv: Das letzte Wort hat die europäische Wettbewerbsbehörde. Wirtschaftsredaktor Lorenzo Bonati über mögliche Hürden und Chancen einer Fusion.
SRF News: Wie stehen die Chancen, dass es mit der Fusion klappt?
Lorenzo Bonati: Alstom selbst hält die Chancen für besser als beim letzten Versuch einer Übernahme. Vor einem Jahr hatte es die europäische Wettbewerbsbehörde Alstom untersagt, die Zugsparte von Siemens zu übernehmen. Grund war damals das Geschäft mit Signalanlagen, wo es grosse Überschneidungen mit Siemens gab.
Die Behörde befürchtete, dass die Marktmacht des fusionierten Konzerns in diesem Bereich zu gross geworden wäre. Die Überschneidungen sind zwischen Alstom und Bombardier deutlich geringer. Alstom ist im Signalgeschäft vor allem in Südeuropa stark, während Bombardier seinen Schwerpunkt in den nordeuropäischen Ländern hat.
Wo liegen die möglichen Hürden?
Eine mögliche Hürde könnte das Geschäft mit Regionalzügen sein. Hier kämen Alstom und Bombardier nach einem Zusammenschluss auf deutlich höhere Marktanteile. Und eine Hürde könnte auch sein, dass der chinesische Zughersteller CRRC in Europa noch nicht so stark Fuss gefasst hat. Das war mit ein Grund, dass die EU-Wettbewerbsbehörde der Fusion von Alstom mit Siemens vor einem Jahr eine Absage erteilt hat. In den Augen der Behörde war die chinesische Konkurrenz schlicht noch zu wenig stark, um einen Zusammenschluss zu rechtfertigen.
Welche Möglichkeiten hat Alstom, um allfällige Bedenken der Wettbewerbsbehörden zu zerstreuen?
Eine Möglichkeit wäre gewisse Geschäftsteile zu verkaufen, um nicht eine zu grosse Marktmacht zu erlangen. Hier könnte der Schweizer Hersteller Stadler Rail ins Spiel kommen. Stadler Rail ist hinter Bombardier und Alstom die Nummer 3 im europäischen Zuggeschäft. Konzernchef Peter Spuhler hatte bereits beim gescheiterten Zusammenschluss von Alstom mit Siemens signalisiert, dass er durchaus interessiert gewesen wäre, gewisse Unternehmensteile zu übernehmen.
Eine mögliche Hürde für die Fusion könnte das Geschäft mit Regionalzügen sein.
Klar ist auch, dass Frankreich auf politischer Ebene einiges unternehmen wird, um die EU-Wettbewerbsbehörde zu überzeugen. So will sich der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire heute Dienstag mit EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager treffen und sich persönlich für die Übernahme einsetzen. So oder so wird sich Alstom aber gedulden müssen. Ein Abschluss der Transaktion wird frühestens in einem Jahr erwartet.
Das Gespräch führte Roger Aebli.